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Die etwas anderen Schreie

Mithilfe von Schreien signalisieren Krallenaffen, wenn Gefahr droht. Von vielen Tieren ist bekannt, dass sie auch im Ultraschallbereich kommunizieren. Ob dies auch bei Weißbüschelaffen der Fall ist, haben nun niederländische Primatenforscher untersucht.

Von Michael Stang |
    Weißbüschelaffen zählen bei Labortieren zu den am häufigsten eingesetzten Primaten. Doch obwohl sie seit mehr als 40 Jahren in Gefangenschaft gehalten und gezüchtet werden, ist ihr Verhalten noch nicht vollends verstanden, sagt Tierarzt Jaco Bakker vom Biomedizinischen Primatenforschungszentrum im niederländischen Rijswijk.

    "Die Frage war, ob die Kommunikation per Ultraschall bei Weißbüschelaffen eine Methode für uns Tierärzte sein könnte, die uns anzeigt, ob es den Tieren gut geht oder nicht."

    Zwar hatten Forscher in den 1960er-Jahren bei einer Studie vermutet, dass die kleinen Krallenaffen auch per Ultraschall kommunizieren, jedoch wurde diese These nie überprüft. Jetzt beobachteten die niederländischen Forscher zunächst, wie die Primaten mit ihren Artgenossen kommunizieren, etwa beim Streit um Futter. Nachdem das normale Verhalten protokolliert war, wurden einige Tiere für die anstehenden Tests ausgewählt. Bei den Experimenten sollten die Affen überrascht werden und – so die Hoffnung der Wissenschaftler – Ultraschalllaute erzeugen. Alle von den Tieren produzierten Geräusche wurden aufgezeichnet.

    "Um herauszufinden, ob die Affen diese Ultraschalllaute produzieren oder nicht, haben wir sie belohnt oder erschreckt. Die Belohnung bestand aus süßen Marshmallows. Als negativen Stimulus haben wir den Tieren einen ledernen Fanghandschuh vor das Gehege gehalten, vor dem sie sich erschrecken."

    Aber Fehlanzeige. Bei keinem der Versuche erzeugten die Weißbüschelaffen Töne im Ultraschallbereich. Also überlegten Jaco Bakker und seine Kollegen, ob und wie sie die Primaten weiter erschrecken können, denn die These war, dass die Affen bei Gefahr diese Form der Kommunikation wählen. Es folgten zunächst Blutabnahmen. Aber auch beim Piksen konnten die Forscher keine Ultraschallrufe aufnehmen. Auch als sie neue Tiere in feste Gruppen einbrachten, gab es keine nennenswerten Töne via Ultraschall. Und selbst, als die Tierärzte einige Affen isolierten, konnten sie zwar über Blut- und Haaranalysen erhöhten Stress bei den Tieren nachweisen, aber die Rekorder zeichneten noch immer keine Ultraschallvokalisation auf. Die Forscher waren ratlos.

    "Weil wir derart enttäuscht von den Ergebnissen waren überlegten wir, ob wir nicht vielleicht die falschen Anreize gegeben hatten. Einer meiner Studenten schlug dann vor, die Tiere mit Plüschtieren – eine Schlange und eine Kuh – zu überraschen. Und tatsächlich: Vor allem bei der Plüschschlange konnten wir deutliche Rufe im Ultraschallbereich messen."

    Letztendlich sei dies aber nur ein schwacher Beleg, so Jako Bakker, denn diese Töne waren Resultat des Erstaunens und hatten für die Artgenossen keinen Informationsgehalt.

    "Wir haben zwar nachgewiesen, dass diese Affen Laute im Ultraschallbereich produzieren können, aber sie nutzen diese Form der Kommunikation nicht wie etwa Ratten. Auf die negativen Stimuli reagierten die Affen gar nicht mit Ultraschall. Und das war schon enttäuschend, denn nun ist klar, dass wir mithilfe von Ultraschallsignalen nicht einfach feststellen können, wie es de Tieren geht."

    Vermutlich sei die Ultraschallkommunikation nur ein Relikt aus frühen Tagen der Primatenevolution und habe heute keinerlei Funktion mehr. Damit müssen die niederländischen Forscher weiter nach einer Methode suchen, mit der sie einfach das Wohlbefinden der Tiere messen können.