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Die Farce einer Friedenskonferenz mit der ETA

40 Vertreter von Parteien und Nichtregierungsorganisationen berieten in San Sebastian über Wege zur Beilegung des baskischen Konflikts. Doch die baskische Untergrundorganisation ETA saß nicht mit am Tisch. Und auch die Regierungen Spaniens und des Baskenlandes blieben dem Treffen fern.

Von Hans-Günter Kellner | 18.10.2011
    Wenn das Treffen so geendet hätte, wie es begann, es hätte zu einem verheißungsvollen Auftakt für den Frieden im Baskenland werden können. Die Limousinen mit den Gästen fuhren im Park einer mondänen Villa in San Sebastián vor, Peio Urizar von der nationalistischen Partei Euskal Alkartasuna erklärte den Journalisten:

    "Wir alle können unseren Beitrag dazu leisten, dass jetzt eine neue Zeitrechnung beginnt, in der die Gewalt der Vergangenheit angehört."

    Die baskischen Konservativen fürchten hingegen, mit der Konferenz könne die ETA ein Forum finden, Forderungen zu stellen und sind dem Treffen darum ganz fern geblieben, wie auch die Regierungen Spaniens und des Baskenlands. Und die Sozialisten sind nur gekommen, um ein bedingungsloses Ende des Terrorismus zu verlangen. Ihr Sprecher Carlos Totorika:

    "Es muss deutlich werden, dass die Demokratie die ETA besiegt hat. Diese Konferenz kann uns helfen, aber wir waren es, die Demokraten im Rechtsstaat, die das erreicht haben."

    40 Vertreter von Parteien und Nichtregierungsorganisationen berieten daraufhin drei Stunden lang in einem kleinen Saal über eine Resolution zum baskischen Konflikt. Die ETA selbst saß nicht mit am Tisch, allerdings Organisationen aus ihrem Umfeld. Am Ende verlas der ehemalige irische Premier Bertie Ahern eine Fünf-Punkte-Erklärung:

    "Wir rufen die ETA auf, die endgültige Einstellung ihrer bewaffneten Aktivitäten zu erklären und die Regierungen von Spanien und Frankreich um einen Dialog zu bitten, um darin ausschließlich über die Konsequenzen des Konflikts zu beraten."

    "Wenn diese Erklärung abgegeben ist, rufen wir die Regierungen von Spanien und Frankreich dazu auf, dies zu begrüßen und den Beginn von Gesprächen zu akzeptieren und dabei ausschließlich über die Konsequenzen des Konflikts zu beraten."

    Mit anderen Worten: Die Parteien sind sich keinen Millimeter näher gekommen. Die Erwartungen waren weit überzogen. Die verklausulierte Sprache der gemeinsamen Erklärung erinnert an frühere Verlautbarungen der ETA. Bereits ihr politischer Arm "Batasuna" hatte 2004 vorgeschlagen, dass die Terroristen während eines Waffenstillstands mit der spanischen Regierung über Fragen wie die Freilassung von Gefangenen oder die Übergabe von Waffen verhandeln sollten. Zeitgleich sollten Parteien und andere Organisationen über politische Fragen und Wiedergutmachungen für die Angehörigen der Opfer sprechen, wie es auf ähnliche Weise auch die Punkte Drei und Vier der nun vorliegenden Erklärung formulieren. Terrorismusforscher Rogelio Alonso von der Madrider Rey Juan Carlos Universität ist empört:

    "In einer demokratischen Gesellschaft wie der spanischen darf man erwarten, dass von einer Terrororganisation wie der ETA nichts weiter als ihre sofortige Auflösung ohne Gegenleistung verlangt wird. Schließlich hat sie jahrzehntelang die Menschenrechte verletzt. Stattdessen bettelt man mal wieder bei der ETA um ein Versprechen. Gleichzeitig stellt die Erklärung die ETA mit demokratischen Staaten auf eine Stufe und verlangt von ihnen, sie sollten mit ihr verhandeln. Das ist eine inhaltsleere Erklärung, Propaganda einer Terrororganisation."

    Doch haben hochrangige internationale Gäste wie Kofi Annan dem Treffen mit ihrer Anwesenheit einen besonderen Stellenwert und auch eine große Aufmerksamkeit der Medien verliehen. Sie werden ihr Kommen kaum zugesagt haben, wenn absehbar gewesen wäre, sie könnten vor den Karren der ETA gespannt werden. Rogelio Alonso lässt das nicht gelten.

    "Weder Kofi Annan noch Gerry Adams haben der spanischen Gesellschaft Lehren über die Schritte zu einem Ende des Terrors zu erteilen. Nachdem Spaniens Demokratie die ETA sicher mit Fehlern aber auch mit großem Erfolg bekämpft hat. Dies hat ja schließlich dazu geführt, dass die Organisation jetzt dermaßen geschwächt ist."

    Das politische Umfeld der ETA will noch heute eine eigene Erklärung abgeben. Es wird erwartet, dass es sich dem Abschlussdokument vom Vortag anschließt. In einem nächsten Schritt wird in Spanien damit gerechnet, dass die ETA selbst ihren derzeitigen "dauerhaften und allgemeinen Waffenstillstand" beendet und stattdessen die "endgültige Einstellung ihrer bewaffneten Aktivitäten" erklärt, wie die internationalen Vermittler fordern. Im spanischen Innenministerium ist von einer Salamitaktik der ETA die Rede. Sie halte so ihr politisches Umfeld vor den spanischen Parlamentswahlen im November im Gespräch und stelle zugleich radikalere Kräfte innerhalb der Organisation ruhig.