Mario Dobovisek: Am Telefon begrüße ich Winfried Nachtwei, er ist sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Guten Morgen, Herr Nachtweih!
Winfried Nachtwei: Einen schönen guten Morgen!
Dobovisek: Der Bundestag schickt die deutsche Marine in den Antipirateneinsatz vor der somalischen Küste. Wird es eine polizeiliche Mission oder ein Kampfeinsatz?
Nachtwei: Nun vom Auftrag und von den Einsatzregeln her ist es eigentlich eher ein polizeiähnlicher Einsatz, denn es geht so um Wiederherstellung von internationaler Sicherheit. Es geht darum, gegenüber Piraten verhältnismäßig vorzugehen, nicht wenn man eben ein piratenverdächtiges Schiff sieht, dieses von vornherein zu versenken, das keineswegs, verhältnismäßiger Gewalteinsatz, wo im äußersten Fall dann eben ein Beschuss, aber eher dann in die Ruderanlage stehen kann. Insofern, es kann im Extremfall ein Kampfeinsatz sein, ist aber weniger wahrscheinlich, dass es dazu wird.
Dobovisek: Wird die Bundeswehr dann auch tatsächlich aktiv, die Piraten verfolgen und beschießen, wie es das Mandat erlaubt?
Nachtwei: Als Erstes geht darum zu verhüten durch Begleitung, vielleicht auch durch eine entsprechende Mannschaft an Bord, zum Beispiel bei den World-Food-Programm-Schiffen. Gegebenenfalls könnten eben auch die Piraten, die von einem Angriff nicht ablassen, beschossen werden.
Dobovisek: Nun war Atalanta, nach der die Mission benannt ist, aber in der griechischen Mythologie eine Jägerin. Geht die Bundeswehr mit dem Mandat auf die Jagd oder bloß in defensive Wartestellung?
Nachtwei: Nein, dazwischen liegt es. Man hat ja auch Beobachtungsflugzeuge, die Schiffe selbst haben auch Beobachtungseinrichtungen, und da geht man auf jeden Fall schon mal auf Jagd nach solchen Schiffen. Man will eben sehen, wo sind Piratenschiffe, wo sind Mutterschiffe, um da vorbeugend gegen vorzugehen. Aber der Seeraum ist so riesig und die Schiffe gleichzeitig von Atalanta, von anderen, sind so wenig, dass man sich eher darauf verlegen muss, besonders gefährdete Schiffe zu schützen, zu begleiten und dass wahrscheinlich eine aktive sogenannte Piratenjagd eher an zweiter Stelle steht.
Dobovisek: Wenig, sagen Sie, Herr Nachtwei. Reicht das Mandat aus? Sind es vielleicht zu wenig Schiffe?
Nachtwei: Ja, die EU-Mission Atalanta allein mit ihren bis zu sechs Schiffen, die würde es alleine wahrscheinlich nicht schaffen. Da ist es schon notwendig, dass wenn zum Beispiel ein Schiff von der Operation Enduring Freedom in der Nähe ist, auch da ist ja ein deutsches Schiff beteiligt, dass dieses dann gegebenenfalls unter Atalanta "schlüpfen" könnte, in Anführungszeichen. Oder andere Länder, Russland, China, Indien haben auch inzwischen ihre Bereitschaft erklärt und dann kommt es dann allerdings entscheidend darauf an, dass die Marineoperationen koordiniert werden und nicht eben sich auf einmal in die Quere kommen.
Dobovisek: Deutschland unterhält einer der weltweit größten Flotten von Containerschiffen, doch nur wenige fahren unter deutscher Flagge, bringen Deutschland auch keine Steuergelder ein. Warum sollen deutsche Steuerzahler 45 Millionen Euro für den Einsatz ausgeben, während Billigflaggenländer wie die Bahamas oder Philippinen sich nicht daran beteiligen?
Nachtwei: Das ist in der Tat ein Problem, und da hat der Außenminister meines Wissens jetzt vor Kurzem auch die entsprechenden Redereien aufgerufen, die wirklich dann auch unter deutscher Flagge fahren zu lassen.
Dobovisek: Was passiert mit Piraten, die festgenommen werden? Wir haben gehört, wenn es um deutsche Schiffe geht, dann können sie einem deutschen Richter vorgeführt werden. Aber was passiert, wenn es sich nicht um deutsche Schiffe handelt?
Nachtwei: Dann werden andere Partnerländer gefragt, ob sie ein entsprechendes Interesse an der Strafverfolgung haben. Und wenn dem nicht so ist, dann können diese gefangenen Piraten oder Piraterieverdächtigen wieder freigelassen werden, was ein Problem werden wird. Es gibt Verhandlungen zum Beispiel mit Kenia, mit Tansania, mit Dschibuti, ob sie an diese Länder ausgeliefert werden. Aber bei Kenia zum Beispiel, da ist meines Wissens eine rechtsstaatliche Behandlung nicht gewährleistet. Das kann ein Problem geben. Hier gibt es insgesamt noch eine Verfolgungslücke.
Dobovisek: Hätte man dieses Problem nicht früher sollen?
Nachtwei: Na ja, das sind eben alles Verhandlungen zwischen Staaten, das dauert eben eine gewisse Zeit, wäre schneller besser gewesen, aber ist eben nicht so gewesen.
Dobovisek: Das Mandat für die Bundeswehr gilt jetzt ein Jahr und ist eine Art Feuerwehrmaßnahme. Was muss geschehen, um nachhaltig gegen die Piraten vorzugehen?
Nachtwei: Das ist genau der Punkt und darauf legt auch der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution Wert, ebenfalls Atalanta in den entsprechenden Grundlagendokumenten, dass nämlich eine nachhaltige, eine wirksame Eindämmung des Piraterieunwesens nur gelingen kann, wenn die Anrainerstaaten und als Erstes dann Somalia wieder stabiler werden. Das ist eben eine schwierige Aufgabe, das ist nicht innerhalb von drei Monaten hinzukriegen. Aber darauf muss die sogenannte Staatengemeinschaft, muss die EU, muss auch die Bundesrepublik wieder ganz andere Energie einsetzen. Und da machen wir auch der Bundesregierung den deutlichen Vorwurf, dass sie entsprechende Vorschläge des Bundestages, die vor einem Jahr auf unsere Initiative einmütig beschlossen wurden, dass sie die im Grunde nicht so richtig zur Kenntnis genommen hat. Wir haben hier wieder die Schräglage, es wird unmittelbar was zur Gefahrenabwehr getan, die unbedingt notwendig ist. Aber die entsprechende Vorbeugung, die flankierende politische Konfliktlösung, die wird vernachlässigt.
Dobovisek: Noch ganz kurz, wie soll die internationale Gemeinschaft in Somalia die Ursachen bekämpfen, wenn nicht einmal die Übergangsregierung die Kontrolle über das gesamte Land hat?
Nachtwei: Da kommt es entscheidend darauf an, wie auch in vielen anderen Krisenregionen, genauer die lokalen Strukturen zu identifizieren und auch dort, in Somalia, gibt es einige Clans, die auch Interesse an einer gewissen Ordnung haben. Lokale Strukturen identifizieren, da eben stabilitätsinteressierte Clans unterstützen, aber das ist eben ein längerer Prozess, wie gesagt nicht in drei Monaten hinzukriegen.
Dobovisek: Wahrscheinlich auch nicht in einem Jahr. Der Grünen-Politiker Winfried Nachtwei, sicherheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch!
Winfried Nachtwei: Einen schönen guten Morgen!
Dobovisek: Der Bundestag schickt die deutsche Marine in den Antipirateneinsatz vor der somalischen Küste. Wird es eine polizeiliche Mission oder ein Kampfeinsatz?
Nachtwei: Nun vom Auftrag und von den Einsatzregeln her ist es eigentlich eher ein polizeiähnlicher Einsatz, denn es geht so um Wiederherstellung von internationaler Sicherheit. Es geht darum, gegenüber Piraten verhältnismäßig vorzugehen, nicht wenn man eben ein piratenverdächtiges Schiff sieht, dieses von vornherein zu versenken, das keineswegs, verhältnismäßiger Gewalteinsatz, wo im äußersten Fall dann eben ein Beschuss, aber eher dann in die Ruderanlage stehen kann. Insofern, es kann im Extremfall ein Kampfeinsatz sein, ist aber weniger wahrscheinlich, dass es dazu wird.
Dobovisek: Wird die Bundeswehr dann auch tatsächlich aktiv, die Piraten verfolgen und beschießen, wie es das Mandat erlaubt?
Nachtwei: Als Erstes geht darum zu verhüten durch Begleitung, vielleicht auch durch eine entsprechende Mannschaft an Bord, zum Beispiel bei den World-Food-Programm-Schiffen. Gegebenenfalls könnten eben auch die Piraten, die von einem Angriff nicht ablassen, beschossen werden.
Dobovisek: Nun war Atalanta, nach der die Mission benannt ist, aber in der griechischen Mythologie eine Jägerin. Geht die Bundeswehr mit dem Mandat auf die Jagd oder bloß in defensive Wartestellung?
Nachtwei: Nein, dazwischen liegt es. Man hat ja auch Beobachtungsflugzeuge, die Schiffe selbst haben auch Beobachtungseinrichtungen, und da geht man auf jeden Fall schon mal auf Jagd nach solchen Schiffen. Man will eben sehen, wo sind Piratenschiffe, wo sind Mutterschiffe, um da vorbeugend gegen vorzugehen. Aber der Seeraum ist so riesig und die Schiffe gleichzeitig von Atalanta, von anderen, sind so wenig, dass man sich eher darauf verlegen muss, besonders gefährdete Schiffe zu schützen, zu begleiten und dass wahrscheinlich eine aktive sogenannte Piratenjagd eher an zweiter Stelle steht.
Dobovisek: Wenig, sagen Sie, Herr Nachtwei. Reicht das Mandat aus? Sind es vielleicht zu wenig Schiffe?
Nachtwei: Ja, die EU-Mission Atalanta allein mit ihren bis zu sechs Schiffen, die würde es alleine wahrscheinlich nicht schaffen. Da ist es schon notwendig, dass wenn zum Beispiel ein Schiff von der Operation Enduring Freedom in der Nähe ist, auch da ist ja ein deutsches Schiff beteiligt, dass dieses dann gegebenenfalls unter Atalanta "schlüpfen" könnte, in Anführungszeichen. Oder andere Länder, Russland, China, Indien haben auch inzwischen ihre Bereitschaft erklärt und dann kommt es dann allerdings entscheidend darauf an, dass die Marineoperationen koordiniert werden und nicht eben sich auf einmal in die Quere kommen.
Dobovisek: Deutschland unterhält einer der weltweit größten Flotten von Containerschiffen, doch nur wenige fahren unter deutscher Flagge, bringen Deutschland auch keine Steuergelder ein. Warum sollen deutsche Steuerzahler 45 Millionen Euro für den Einsatz ausgeben, während Billigflaggenländer wie die Bahamas oder Philippinen sich nicht daran beteiligen?
Nachtwei: Das ist in der Tat ein Problem, und da hat der Außenminister meines Wissens jetzt vor Kurzem auch die entsprechenden Redereien aufgerufen, die wirklich dann auch unter deutscher Flagge fahren zu lassen.
Dobovisek: Was passiert mit Piraten, die festgenommen werden? Wir haben gehört, wenn es um deutsche Schiffe geht, dann können sie einem deutschen Richter vorgeführt werden. Aber was passiert, wenn es sich nicht um deutsche Schiffe handelt?
Nachtwei: Dann werden andere Partnerländer gefragt, ob sie ein entsprechendes Interesse an der Strafverfolgung haben. Und wenn dem nicht so ist, dann können diese gefangenen Piraten oder Piraterieverdächtigen wieder freigelassen werden, was ein Problem werden wird. Es gibt Verhandlungen zum Beispiel mit Kenia, mit Tansania, mit Dschibuti, ob sie an diese Länder ausgeliefert werden. Aber bei Kenia zum Beispiel, da ist meines Wissens eine rechtsstaatliche Behandlung nicht gewährleistet. Das kann ein Problem geben. Hier gibt es insgesamt noch eine Verfolgungslücke.
Dobovisek: Hätte man dieses Problem nicht früher sollen?
Nachtwei: Na ja, das sind eben alles Verhandlungen zwischen Staaten, das dauert eben eine gewisse Zeit, wäre schneller besser gewesen, aber ist eben nicht so gewesen.
Dobovisek: Das Mandat für die Bundeswehr gilt jetzt ein Jahr und ist eine Art Feuerwehrmaßnahme. Was muss geschehen, um nachhaltig gegen die Piraten vorzugehen?
Nachtwei: Das ist genau der Punkt und darauf legt auch der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution Wert, ebenfalls Atalanta in den entsprechenden Grundlagendokumenten, dass nämlich eine nachhaltige, eine wirksame Eindämmung des Piraterieunwesens nur gelingen kann, wenn die Anrainerstaaten und als Erstes dann Somalia wieder stabiler werden. Das ist eben eine schwierige Aufgabe, das ist nicht innerhalb von drei Monaten hinzukriegen. Aber darauf muss die sogenannte Staatengemeinschaft, muss die EU, muss auch die Bundesrepublik wieder ganz andere Energie einsetzen. Und da machen wir auch der Bundesregierung den deutlichen Vorwurf, dass sie entsprechende Vorschläge des Bundestages, die vor einem Jahr auf unsere Initiative einmütig beschlossen wurden, dass sie die im Grunde nicht so richtig zur Kenntnis genommen hat. Wir haben hier wieder die Schräglage, es wird unmittelbar was zur Gefahrenabwehr getan, die unbedingt notwendig ist. Aber die entsprechende Vorbeugung, die flankierende politische Konfliktlösung, die wird vernachlässigt.
Dobovisek: Noch ganz kurz, wie soll die internationale Gemeinschaft in Somalia die Ursachen bekämpfen, wenn nicht einmal die Übergangsregierung die Kontrolle über das gesamte Land hat?
Nachtwei: Da kommt es entscheidend darauf an, wie auch in vielen anderen Krisenregionen, genauer die lokalen Strukturen zu identifizieren und auch dort, in Somalia, gibt es einige Clans, die auch Interesse an einer gewissen Ordnung haben. Lokale Strukturen identifizieren, da eben stabilitätsinteressierte Clans unterstützen, aber das ist eben ein längerer Prozess, wie gesagt nicht in drei Monaten hinzukriegen.
Dobovisek: Wahrscheinlich auch nicht in einem Jahr. Der Grünen-Politiker Winfried Nachtwei, sicherheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch!