Jürgen Liminski: Der Vater der Nationalökonomie, Adam Smith, hat das Machtgeschehen als erster umfassend analysiert, in seinem Standardwerk "Wohlstand der Nationen" auch vor den Versuchungen des Reichtums gewarnt. "Die kommerzielle Gesinnung", so schrieb er, "enge den Geist des Menschen ein und die heroische Gesinnung erstickt." Aber wird die edle Gesinnung nicht auch erstickt durch die Faust des Staates, oder schützt im Gegenteil diese Faust in Schwächemomenten den Markt? Und ganz banal: Wenn der Markt flau ist, wie bekommt man ihn wieder in Schwung? Zu diesen und anderen Fragen begrüße ich am Telefon Hermann Otto Solms, Vizepräsident des Bundestages und Wirtschafts- und Finanzexperte der FDP. Guten Morgen, Herr Solms.
Hermann Otto Solms: Guten Morgen!
Liminski: Herr Solms, die Schlagzeilen heute spiegeln die Aufregung in der EU wieder, weil ihr Ratsvorsitzender, der französische Präsident Sarkozy, eine Teilverstaatlichung von Schlüsselindustrien und eine zentrale Wirtschaftsregierung für Europa vorgeschlagen hat, um, wie er sagt, diese Industrien zu schützen. Als was würden Sie das nun bezeichnen? Ist das Sozialismus, ist das Protektionismus, oder ist das Nationalismus? Wie viel hat das noch mit einem freien Markt zu tun?
Solms: Nun, jetzt hat Sarkozy über die Stränge geschlagen. Er hat geglaubt, er könnte sich mit diesen Forderungen anhängen an die notwendigen Teilverstaatlichungen von Banken in der Krisensituation. Ich halte das für eine nationalistische Überhöhung. Ich glaube, er wird auch wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkommen.
Liminski: Aber der Schwächemoment des Marktes ist ja gegeben. Es könnte ja sein, dass potente Oligarchen oder Staatsfonds große DAX-Unternehmen einfach aufkaufen wollen. Kann man das zulassen?
Solms: Entscheidend ist, die Freiheit des Kapitalverkehrs darf grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Das hat bislang immer zu Wohlstandsmehrungen überall beigetragen, auch gerade in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Das müssen die Industrieländer schon aushalten. Es kommt darauf an, dass wir unsere Unternehmen so stärken, die Rahmenbedingungen so gestalten, dass sie gar keine Angst vor Übernahmen zu haben brauchen.
Liminski: Der Markt wird vorerst schwach bleiben. Institute sagen eine Stagnation voraus, vielleicht kommt sogar eine Rezession. Kann, soll der Staat hier stimulierend eingreifen, etwa mit einem Konjunkturprogramm oder mit Steuererleichterungen?
Solms: Eine antizyklische Konjunktur- und Finanzpolitik ist sicherlich immer richtig gewesen. Dafür hätte die Bundesregierung Vorsorge treiben müssen in den Jahren, in denen wir den wirtschaftlichen Boom erlebt haben. Das hat sie leider nicht getan. Sie hat die wirtschaftlichen Kräfte durch drastische Steuererhöhungen unterdrückt. Jetzt käme es darauf an, nicht mit einem Konjunkturprogramm, was ja nur ein Strohfeuer auslösen würde und die Schulden erhöhen würde, dagegen zu arbeiten, sondern mit nachhaltig wirksamen Entlastungen, die beispielsweise erreicht werden könnten durch eine grundsätzliche Steuervereinfachungs- und Steuersenkungsreform. Es muss nachhaltig wirken; die Investitionsbedingungen müssen so verbessert werden, dass die Investitionskonjunktur wieder in Gang kommt.
Liminski: Sie sprechen von einer Steuersenkungsreform. Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Volker Kauder, hat sich gestern an dieser Stelle zu einer Senkung der Einkommenssteuer geäußert. Ich darf Ihnen das mal kurz vorspielen:
Kauder: Eine Senkung der Einkommenssteuer kann ich mir nicht vorstellen, dass wir dies jetzt tun können, und die Vorziehung der Krankenkassenbeiträge hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion noch nicht beschlossen. Das müssen wir prüfen. Es ist ein Vorschlag, der auf jeden Fall auf unserer Agenda zur Prüfung steht, der aber im Rahmen der Haushaltsplanberatung genau angeschaut werden muss. Wenn wir einigermaßen die Ziele eines ausgeglichenen Haushaltes erreichen wollen, ist die Luft nicht sehr groß. Es gibt Möglichkeiten, aber sehr groß ist die Luft nicht.
Liminski: Was würden Sie, Herr Solms, dem Kollegen Kauder auf diese Äußerungen sagen? Was schlagen Sie denn vor?
Solms: Dass die gesetzlich vorgeschriebenen Beiträge zu den sozialen Sicherungssystemen abgesetzt werden sollen oder müssen, hat ja schon das Verfassungsgericht gefordert. Da kommt die Union oder die Koalition gar nicht dran vorbei. Die Frage ist jetzt nur, ob sie es ein Jahr früher oder später machen. Das ist eine Mindestaktion, die muss auf jeden Fall durchgesetzt werden. Aber das wird nicht ausreichen. Wir werden Arbeitnehmer, Unternehmen und Selbständige durch eine deutliche Steuerreform mit langfristiger Wirkung entlasten müssen. Man muss ja der Großen Koalition ins Stammbuch schreiben, dass sie in dieser Legislaturperiode die Steuern und Abgaben in einem Gesamtvolumen von über 100 Milliarden angehoben hat, und deswegen brauchen die Bürger wieder eine entsprechende Entlastung.
Liminski: Und wann soll das geschehen? Das ist ja der Punkt. Kauder sagt ja nicht, dass es nicht geschehen soll; es geht nur um den Zeitpunkt. Soll man das jetzt vorziehen? Soll man es jetzt machen?
Solms: Man soll es so früh wie möglich machen, weil wir ja jetzt den Konjunktureinbruch erleben, um dagegen wirken zu können, und das muss begleitet werden mit Einsparungen im Haushalt bei konsumtiven Ausgaben, natürlich nicht bei investiven Ausgaben. Das hat die Bundesregierung ja schon zu Beginn ihrer Existenz vorgeschlagen und hat es leider eben gar nicht durchgeführt. Man hat immer nur die Einnahmen erhöht; bei den Ausgaben hat es nie eine Einsparungstendenz gegeben. Das ist das, was zu kritisieren ist. Es wäre längst möglich gewesen, ausgeglichene Bundeshaushalte zu haben. Die FDP als Opposition hat konkrete Vorschläge in ausreichendem Umfange vorgelegt. Die Bundesregierung hat keinen einzigen dieser Vorschläge übernommen.
Liminski: Ist denn das Ziel einer Haushaltskonsolidierung oder gar eines ausgeglichenen Haushalts jetzt in dieser Finanzkrise noch realistisch?
Solms: Das Ziel muss auf jeden Fall aufrecht erhalten werden. Dass die Koalition sich davon jetzt verabschiedet, ist ein großer Fehler. Es kann sein, dass es nicht im Jahr 2011 erreichbar wäre, aber wir hätten es längst erreicht haben können. Das zeigt die mangelhaften Anstrengungen der Bundesregierung, ihre Ausgaben zu durchforsten und dort, wo nicht zwingend notwendig, die Ausgaben einzuschränken.
Liminski: Wie kann man denn in einer Wirtschaft, die so exportabhängig ist wie die deutsche, die Konjunktur beleben? Der Einbruch wird ja gerade kommen, weil auch die Weltwirtschaft möglicherweise in eine Rezession gerät. Was nützen da generelle Steuersenkungen?
Solms: Es geht darum, dass die Standortbedingungen für Produktion und Arbeit in Deutschland so verbessert werden, dass wir mit den besten Ländern der Welt Schritt halten können. Das ist heute nicht der Fall. Insbesondere sticht da dieses überkomplizierte Steuersystem ins Auge, was der Wirtschaft große Probleme macht, aber den Arbeitnehmern auch, und die mangelhafte Reform der sozialen Sicherungssysteme jetzt gerade bei der Gesundheitsreform. Da bleibt die Bundesregierung alles schuldig, was eigentlich notwendig wäre.
Liminski: Wie kann man denn die Kaufkraft erhöhen, denn ohne eine Belebung des Konsums, des Binnenkonsums wird es ja wahrscheinlich keine Konjunkturbelebung in Deutschland geben können?
Solms: Nun, wir haben ja in den Zeiten des Booms auch keine Binnenkonjunktur gehabt, weil der Staat die zusätzlichen finanziellen Mittel abgeschöpft hat. Ich habe ja auf die Steuererhöhungen hingewiesen. Deswegen konnte keine Binnenkonjunktur in Gang kommen. Es ist überfällig, dass die Arbeitnehmer genauso wie alle privaten Haushalte und die Unternehmen so entlastet werden, dass sie jetzt endlich einen Anteil an dem Wirtschaftsaufschwung, den wir ja hier erlebt haben, bekommen.
Liminski: Der Haushalt, die Konjunktur und die Staatshilfe. Das war Hermann Otto Solms, Wirtschafts- und Finanzfachmann der FDP. Besten Dank für das Gespräch, Herr Solms.
Hermann Otto Solms: Guten Morgen!
Liminski: Herr Solms, die Schlagzeilen heute spiegeln die Aufregung in der EU wieder, weil ihr Ratsvorsitzender, der französische Präsident Sarkozy, eine Teilverstaatlichung von Schlüsselindustrien und eine zentrale Wirtschaftsregierung für Europa vorgeschlagen hat, um, wie er sagt, diese Industrien zu schützen. Als was würden Sie das nun bezeichnen? Ist das Sozialismus, ist das Protektionismus, oder ist das Nationalismus? Wie viel hat das noch mit einem freien Markt zu tun?
Solms: Nun, jetzt hat Sarkozy über die Stränge geschlagen. Er hat geglaubt, er könnte sich mit diesen Forderungen anhängen an die notwendigen Teilverstaatlichungen von Banken in der Krisensituation. Ich halte das für eine nationalistische Überhöhung. Ich glaube, er wird auch wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkommen.
Liminski: Aber der Schwächemoment des Marktes ist ja gegeben. Es könnte ja sein, dass potente Oligarchen oder Staatsfonds große DAX-Unternehmen einfach aufkaufen wollen. Kann man das zulassen?
Solms: Entscheidend ist, die Freiheit des Kapitalverkehrs darf grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Das hat bislang immer zu Wohlstandsmehrungen überall beigetragen, auch gerade in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Das müssen die Industrieländer schon aushalten. Es kommt darauf an, dass wir unsere Unternehmen so stärken, die Rahmenbedingungen so gestalten, dass sie gar keine Angst vor Übernahmen zu haben brauchen.
Liminski: Der Markt wird vorerst schwach bleiben. Institute sagen eine Stagnation voraus, vielleicht kommt sogar eine Rezession. Kann, soll der Staat hier stimulierend eingreifen, etwa mit einem Konjunkturprogramm oder mit Steuererleichterungen?
Solms: Eine antizyklische Konjunktur- und Finanzpolitik ist sicherlich immer richtig gewesen. Dafür hätte die Bundesregierung Vorsorge treiben müssen in den Jahren, in denen wir den wirtschaftlichen Boom erlebt haben. Das hat sie leider nicht getan. Sie hat die wirtschaftlichen Kräfte durch drastische Steuererhöhungen unterdrückt. Jetzt käme es darauf an, nicht mit einem Konjunkturprogramm, was ja nur ein Strohfeuer auslösen würde und die Schulden erhöhen würde, dagegen zu arbeiten, sondern mit nachhaltig wirksamen Entlastungen, die beispielsweise erreicht werden könnten durch eine grundsätzliche Steuervereinfachungs- und Steuersenkungsreform. Es muss nachhaltig wirken; die Investitionsbedingungen müssen so verbessert werden, dass die Investitionskonjunktur wieder in Gang kommt.
Liminski: Sie sprechen von einer Steuersenkungsreform. Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Volker Kauder, hat sich gestern an dieser Stelle zu einer Senkung der Einkommenssteuer geäußert. Ich darf Ihnen das mal kurz vorspielen:
Kauder: Eine Senkung der Einkommenssteuer kann ich mir nicht vorstellen, dass wir dies jetzt tun können, und die Vorziehung der Krankenkassenbeiträge hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion noch nicht beschlossen. Das müssen wir prüfen. Es ist ein Vorschlag, der auf jeden Fall auf unserer Agenda zur Prüfung steht, der aber im Rahmen der Haushaltsplanberatung genau angeschaut werden muss. Wenn wir einigermaßen die Ziele eines ausgeglichenen Haushaltes erreichen wollen, ist die Luft nicht sehr groß. Es gibt Möglichkeiten, aber sehr groß ist die Luft nicht.
Liminski: Was würden Sie, Herr Solms, dem Kollegen Kauder auf diese Äußerungen sagen? Was schlagen Sie denn vor?
Solms: Dass die gesetzlich vorgeschriebenen Beiträge zu den sozialen Sicherungssystemen abgesetzt werden sollen oder müssen, hat ja schon das Verfassungsgericht gefordert. Da kommt die Union oder die Koalition gar nicht dran vorbei. Die Frage ist jetzt nur, ob sie es ein Jahr früher oder später machen. Das ist eine Mindestaktion, die muss auf jeden Fall durchgesetzt werden. Aber das wird nicht ausreichen. Wir werden Arbeitnehmer, Unternehmen und Selbständige durch eine deutliche Steuerreform mit langfristiger Wirkung entlasten müssen. Man muss ja der Großen Koalition ins Stammbuch schreiben, dass sie in dieser Legislaturperiode die Steuern und Abgaben in einem Gesamtvolumen von über 100 Milliarden angehoben hat, und deswegen brauchen die Bürger wieder eine entsprechende Entlastung.
Liminski: Und wann soll das geschehen? Das ist ja der Punkt. Kauder sagt ja nicht, dass es nicht geschehen soll; es geht nur um den Zeitpunkt. Soll man das jetzt vorziehen? Soll man es jetzt machen?
Solms: Man soll es so früh wie möglich machen, weil wir ja jetzt den Konjunktureinbruch erleben, um dagegen wirken zu können, und das muss begleitet werden mit Einsparungen im Haushalt bei konsumtiven Ausgaben, natürlich nicht bei investiven Ausgaben. Das hat die Bundesregierung ja schon zu Beginn ihrer Existenz vorgeschlagen und hat es leider eben gar nicht durchgeführt. Man hat immer nur die Einnahmen erhöht; bei den Ausgaben hat es nie eine Einsparungstendenz gegeben. Das ist das, was zu kritisieren ist. Es wäre längst möglich gewesen, ausgeglichene Bundeshaushalte zu haben. Die FDP als Opposition hat konkrete Vorschläge in ausreichendem Umfange vorgelegt. Die Bundesregierung hat keinen einzigen dieser Vorschläge übernommen.
Liminski: Ist denn das Ziel einer Haushaltskonsolidierung oder gar eines ausgeglichenen Haushalts jetzt in dieser Finanzkrise noch realistisch?
Solms: Das Ziel muss auf jeden Fall aufrecht erhalten werden. Dass die Koalition sich davon jetzt verabschiedet, ist ein großer Fehler. Es kann sein, dass es nicht im Jahr 2011 erreichbar wäre, aber wir hätten es längst erreicht haben können. Das zeigt die mangelhaften Anstrengungen der Bundesregierung, ihre Ausgaben zu durchforsten und dort, wo nicht zwingend notwendig, die Ausgaben einzuschränken.
Liminski: Wie kann man denn in einer Wirtschaft, die so exportabhängig ist wie die deutsche, die Konjunktur beleben? Der Einbruch wird ja gerade kommen, weil auch die Weltwirtschaft möglicherweise in eine Rezession gerät. Was nützen da generelle Steuersenkungen?
Solms: Es geht darum, dass die Standortbedingungen für Produktion und Arbeit in Deutschland so verbessert werden, dass wir mit den besten Ländern der Welt Schritt halten können. Das ist heute nicht der Fall. Insbesondere sticht da dieses überkomplizierte Steuersystem ins Auge, was der Wirtschaft große Probleme macht, aber den Arbeitnehmern auch, und die mangelhafte Reform der sozialen Sicherungssysteme jetzt gerade bei der Gesundheitsreform. Da bleibt die Bundesregierung alles schuldig, was eigentlich notwendig wäre.
Liminski: Wie kann man denn die Kaufkraft erhöhen, denn ohne eine Belebung des Konsums, des Binnenkonsums wird es ja wahrscheinlich keine Konjunkturbelebung in Deutschland geben können?
Solms: Nun, wir haben ja in den Zeiten des Booms auch keine Binnenkonjunktur gehabt, weil der Staat die zusätzlichen finanziellen Mittel abgeschöpft hat. Ich habe ja auf die Steuererhöhungen hingewiesen. Deswegen konnte keine Binnenkonjunktur in Gang kommen. Es ist überfällig, dass die Arbeitnehmer genauso wie alle privaten Haushalte und die Unternehmen so entlastet werden, dass sie jetzt endlich einen Anteil an dem Wirtschaftsaufschwung, den wir ja hier erlebt haben, bekommen.
Liminski: Der Haushalt, die Konjunktur und die Staatshilfe. Das war Hermann Otto Solms, Wirtschafts- und Finanzfachmann der FDP. Besten Dank für das Gespräch, Herr Solms.