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Die Freunde von Pim Fortuyn

Es war der niederländische Rechtspopulist Pim Fortuyn, der dem islamfeindlichen Geert Wilders den Weg geebnet hat. Vor zehn Jahren wurde Pim Fortyn auf offener Straße erschossen. Seitdem hat sich das politische Zentrum in den Niederlanden nach rechts verschoben.

Von Kerstin Schweighöfer |
    Der Börsenplatz im Stadtzentrum von Rotterdam. Nur einen Steinwurf entfernt in der Korte Hoogstraat hat Pim Fortuyn schon vor Jahren ein Denkmal bekommen: eine steinerne Büste. Sie zeigt den schillernden Rechtspopulisten in seiner Lieblingsrolle: als Redner, der sich engagiert gestikulierend über ein hohes Pult beugt. (Jennifer Vetter liest vor…)

    "Lasst uns über die Redefreiheit wachen”, steht auf Niederländisch auf der einen Seite des Sockels - und auf Lateinisch auf der anderen."

    Jennifer Vetter ist Mitglied der Stiftung "Freunde Pim Fortuyn” und setzt sich dafür ein, dass das Erbe des ermordeten Rotterdamer Politikers bewahrt wird. Am Sonntag will sie vor seinem Denkmal Blumen niederlegen. Dann werden dort Reden gehalten. Zum Abschluss der Veranstaltung wird der Rotterdamer Oberbürgermeister diesen Teil der Korte Hoogstraat zum Pim Fortuyn-Platz umtaufen.

    Jennifer Vetter, die Rotterdamer Krankenschwester bewundert den ermordeten Politiker immer noch grenzenlos. Fortuyn sah sich bereits als der nächste Ministerpräsident der Niederlande. Er sagte der Bürokratie den Kampf an und warnte vor einem Europa, das zu schnell zu groß wurde. Er forderte einen Zuwanderungsstopp und bezeichnete den Islam als rückständige Kultur und die Haager Einwanderungs- und Integrationspolitik als gescheitert. Das machte ihn zum politischen Außenseiter, man sah in ihm einen Rechtsextremisten.

    "Furchtbar sei das gewesen, erinnert sich Jennifer 'all' diese Vergleiche mit Jörg Haider oder Jean Marie Le Pen. Zum Glück sei das inzwischen anders geworden."

    Denn längst wurde sein Bild revidiert, wenn nicht romantisiert. Anno 2012 gilt Fortuyn allerhöchstens noch als populistischer Rechtsexzentriker – als jemand, der längst fällige Tabus brach, sagt Gerrit Voerman. Der Groninger Politologieprofessor hat gerade ein Buch über die Entwicklung des Populismus in den Niederlanden geschrieben.

    "2002 war bei uns bereits seit acht Jahren die sogenannte Lila Koalition am Ruder. Sie vereinte zwei politische Kontrahenten, die bis dahin als unvereinbar gegolten hatten: die Rechtsliberalen und die Sozialdemokraten. Die Wähler bekamen dadurch das Gefühl, dass in Den Haag alle unter einer Decke steckten. Außerdem überhörte diese Regierung geflissentlich alle Klagen über die Immigration. So entstand die für den Populismus so typische Kluft zwischen Volk und Elite.”"

    "Integration unter Beibehaltung der eigenen Kultur" lautete damals in Den Haag das Motto. Jeglicher Zwang wurde vermieden; völlig unkontrolliert strömten die Einwanderer über die Grenzen und landeten in sozial schwachen Vierteln, die ohnehin schon unter Druck standen. Segregation statt Integration war die Folge dieser unverbindlichen Migrationspolitik. Inzwischen haben die etablierten Parteien eine Kehrtwende vollzogen: Heute gehören die Niederlande zu den Ländern mit den schärfsten Immigrations- und Integrationsgesetzen Europas. Professor Voerman:

    ""Das politische Zentrum hat sich nach rechts verschoben, alle Parteien, egal ob links oder rechts, halten schärfere und strengere Integrationsgesetze für gerechtfertigt. Auch die Haltung der Parteien Europa gegenüber hat sich geändert: Sie ist skeptischer und kritischer geworden. Und der Umgangston rauer."

    Eine weitere Veränderung: Mit dem Auftauchen Fortuyns in der politischen Landschaft sind instabile Zeiten angebrochen. Den etablierten Parteien der Mitte laufen auch nach Fortuyns Tod noch immer die Wähler davon, die Flanken hingegen, sowohl rechts als auch links, wachsen. Seit 2002 hat kein einziges Kabinett mehr die volle Legislaturperiode von vier Jahren durchhalten können.

    Ende April scheiterte auch die christlich-liberale Koalitionsregierung von Ministerpräsident Mark Rutte. Er war vor eineinhalb Jahren das Risiko einer Minderheitsregierung eingegangen, geduldet von der islam- und europafeindlichen Partei für die Freiheit von Geert Wilders. Der Populist mit dem blond gefärbten Schopf lebt so wie sein Vorbild Fortuyn vom Unbehagen der Wähler. Denn das ist trotz aller Veränderungen nicht verschwunden, so Professor Voerman:

    "Ich denke, dieses Unbehagen gehört zur repräsentativen Demokratie: In dieser Staatsform wird es immer Wähler geben, die sich nicht vertreten fühlen. Eine populistische Partei ist Teil der modernen Demokratie. Sobald Wilders verschwindet, wird ein anderer erscheinen und versuchen, den Unfrieden zu kanalisieren."