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"Die gemeinsame Währung ist zu unserem Vorteil"

Beim Eurorettungsschirm werde kein Geld für andere Länder verschwendet, sagt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Vielmehr dienten die Milliarden-Bürgschaften dazu, die Weltfinanzmärkte zu beruhigen.

08.09.2011
    Peter Kapern: Generaldebatte also gestern im Bundestag. Die wichtigste Aussprache des Jahres wurde eigens verschoben, damit die Richter des Verfassungsgerichts in Karlsruhe ihr Votum über die Euro-Rettungsschirme abgeben konnten, bevor im Parlament dann verbal die Klingen gekreuzt wurden. Alle oder zumindest fast alle Abgeordneten dürften es gern gehört haben, was Gerichtspräsident Voßkuhle da über den Euro-Rettungsschirm mitzuteilen hatte.

    O-Ton Andreas Voßkuhle: "Es muss gesichert sein, dass ein hinreichender parlamentarischer Einfluss auf die Art und Weise des Umgangs mit den zur Verfügung gestellten Mitteln gewährleistet ist."

    Kapern: Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle. – Und bei uns am Telefon ist nun Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Guten Morgen!

    Wolfgang Schäuble: Guten Morgen, Herr Kapern.

    Kapern: Herr Minister, das Bundesverfassungsgericht hat nun gestern also klargestellt, welche Rolle der Bundestag beim Rettungsschirm zu spielen hat. Ermöglicht das, was das Verfassungsgericht vorgegeben hat, denn nun auch einen effizienten, einen schnellen, einen guten Rettungsschirm?

    Schäuble: Ja natürlich! Das ist überhaupt keine Frage. Das Verfassungsgericht hat ja auch ausdrücklich gesagt, in Eilfällen kann es auch möglich sein, dass man vorab eine Maßnahme trifft. Aber in der Regel – so war es ja auch bisher schon – muss man das vorher mit dem Haushaltsausschuss besprechen, und das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass Einvernehmen Zustimmung heißt.

    Kapern: Glauben Sie, dass das, was das Verfassungsgericht gestern da gesagt hat, Einfluss hat auf das Meinungsbild innerhalb der Regierungsfraktionen?

    Schäuble: Na gut, die Regierungsfraktionen waren sich ja, wie übrigens auch alle Fraktionen im Bundestag, schon vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts einig, dass wir die im letzten Jahr gesetzlich geregelte Beteiligung des Parlaments ein Stück klarer regeln wollen, jetzt im Zuge der Gesetzgebung, die wir heute Morgen beginnen, weil wir ja dem EFSF zusätzliche Instrumente geben und weil wir auch das Gewährleistungsvolumen, das wir für den EFSF übernehmen, damit er diese 440 Milliarden insgesamt an Finanzhilfen Ländern gegebenenfalls zur Verfügung stellen kann, auch tatsächlich darstellen.

    Und deswegen hat das Parlament gesagt, wir wollen das ein Stück weiter klarstellen in dieser Gesetzgebung, und wir waren uns immer einig, das ist Sache des Gesetzgebers, der das entscheidet. Im letzten Jahr hat er so entschieden, wie es bisher im Gesetz steht, und jetzt wird das entsprechend weiterentwickelt.

    Kapern: Aber jetzt hat es ja in der vergangenen Woche Probeabstimmungen in der Unions-Fraktion und in der FDP-Fraktion gegeben. Da hat es keine eigene Kanzlermehrheit der Koalition für die Ausweitung des Rettungsschirms gegeben. Ändert das Verfassungsgerichtsurteil von gestern möglicherweise daran etwas?

    Schäuble: Ich glaube, das Verfassungsgerichtsurteil insgesamt wird natürlich manchem zeigen, der Sorge hatte, ob das denn wirklich, was wir da tun müssen, mit unserem Grundgesetz übereinstimmt, der hat ja nun gesehen oder sieht, dass wieder das Verfassungsgericht bestätigt hat, die Europapolitik der Bundesregierung entspricht in jedem Schritt dem Grundgesetz. Wir haben ja eine Reihe von verfassungsgerichtlichen Verfahren gehabt, da gab es jedes Mal große Spekulation, und jedes Mal hat das Bundesverfassungsgericht ohne jede Einschränkung gesagt, das was in der Europapolitik geschieht verletzt nicht das Grundgesetz, und das wird natürlich manchem auch im Bundestag eine zusätzliche Vergewisserung bedeuten.

    Kapern: Wird die Koalition eine Kanzlermehrheit bekommen für den Rettungsschirm?

    Schäuble: Davon gehe ich aus. Wissen Sie, das ist für die Medien furchtbar interessant.

    Kapern: Für die Kanzlerin nicht?

    Schäuble: Bitte?

    Kapern: Für die Kanzlerin nicht?

    Schäuble: Entscheidend ist, dass wir eine breite Mehrheit im Bundestag haben und dass wir die Öffentlichkeit vor allen Dingen davon überzeugen können, dass das, was wir zur Verteidigung der europäischen Währung tun müssen, was ja keine Entscheidungen sind, die irgendjemand leicht fallen – da darf man sich ja überhaupt keine Illusionen machen -, insbesondere auch dem Bundesfinanzminister nicht, aber die gemeinsame Währung ist zu unserem Vorteil und wenn wir sie verteidigen, ist es unser eigenes Interesse. Man sieht ja derzeit in der Schweiz, was geschehen würde, wenn wir nicht eine gemeinsame Währung hätten.

    Und deswegen verschwenden wir nicht unser Geld für andere, wir gehen nicht unverantwortliche Risiken ein, sondern wir tun das Notwendige in einer Zeit, in der die Weltfinanzmärkte aus einer Reihe von Gründen, die auch zum großen Teil außerhalb Europas liegen – denken Sie an die Situation in den Vereinigten Staaten von Amerika -, hoch nervös sind, damit unsere wirtschaftliche Entwicklung weiter so gut verläuft, wie sie in den letzten zwei Jahren verlaufen ist, dass die Arbeitslosigkeit weiter zurückgeht, wie das in den letzten zwei Jahren gewesen ist, und deswegen müssen wir diese Entscheidungen treffen.

    Und dafür haben wir eine, dafür müssen wir noch viel Überzeugungsarbeit in der Bevölkerung leisten. Da spiegeln sich die Zweifel natürlich auch in den Koalitionsfraktionen wieder, aber an der Unterstützung der Koalition für diese Regierung gibt es überhaupt keinen Zweifel. Und in den Tagen dieser Haushaltsdebatte ist es seit dem Debattenbeginn am Dienstag, als ich den Haushalt eingebracht habe, im Bundestag auch sehr deutlich sichtbar gewesen.

    Kapern: Herr Schäuble, während im Bundestag also ab heute über den Rettungsschirm diskutiert wird, zeigen sich die Objekte der Rettungsbemühungen überaus sperrig. Am griechischen Spar- und Sanierungswillen, oder zumindest an der Fähigkeit sind Zweifel aufgetaucht und die italienische Regierung dreht bei ihren Sanierungsbemühungen Pirouetten, die man als Nicht-Italiener nicht unbedingt verstehen muss. Ist es möglicherweise an der Zeit, dass der aktuelle deutsche Finanzminister mal wie sein Vorgänger die Kavallerie aus Fort Houma losreiten lässt?

    Schäuble: Nein, das hilft ja nun ganz sicher nicht. Wir müssen in Europa unseren Partnern mit einer klaren Position, aber nicht mit irgendwelchen flapsigen Sprüchen unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit zeigen und an die gemeinsame Verantwortung appellieren.

    Ich habe schon vor Monaten gesagt, ich habe schon Verständnis dafür, dass in der griechischen Bevölkerung gegen die harten Sanierungsmaßnahmen, die wegen der jahrelangen Schuldenpolitik unvermeidlich sind, dass es da Widerstand gibt. Aber das muss Griechenland wissen: Das können wir Griechenland nicht ersparen. Wir können ihm dabei helfen. Aber es ist am Ende an Griechenland selber, ob es die Bedingungen erfüllen kann, die eine Mitgliedschaft in der gemeinsamen Währung nun einmal voraussetzt. Das müssen wir respektieren.

    Wir helfen Griechenland, aber es ist immer Hilfe zur Selbsthilfe, und ob Griechenland dazu bereit und in der Lage ist, das wird letzten Endes niemand anderes als das griechische Volk entscheiden müssen. Italien weiß, es muss seine Haushaltsdefizite korrigieren, seine zu hohe Verschuldung, und es hat ja auch jetzt Gott sei Dank, nachdem es die angekündigten Sparmaßnahmen zunächst einmal wieder halbwegs zurückgenommen hat, ist ja jetzt entschieden worden – ich hoffe, dass es dabei bleibt -, dass man nun wirklich massive Schnitte zur Reduzierung des Defizits macht. Auch das ist unerlässlich, denn Italien hat eine zu hohe Staatsverschuldung. Umso wichtiger ist übrigens, dass wir in Deutschland Kurs halten und dass wir unseren Weg der erfolgreichen Reduzierung unserer Defizite fortsetzen.

    Kapern: Herr Schäuble, nun scheint aber doch Einigkeit darüber zu herrschen, dass kein Euro-Land unkontrolliert in die Pleite geschickt werden darf, dass keines aus der Euro-Zone geworfen werden darf. Aber wenn das so ist, welches Druckmittel haben denn dann die anderen, die Geberstaaten, die Garantiestaaten noch, wenn Länder wie Griechenland einfach das, was sie versprochen haben, nicht umsetzen?

    Schäuble: Also zunächst einmal ist es einfach so: Es gibt auch gar keine vertragliche Möglichkeit. Und die Europäer müssen schon zeigen, auch um gegenüber anderen Teilen der Welt überzeugend zu sein, dass wir in der Lage sind, ein Land, das wie Griechenland zwei Prozent zum gesamten Bruttoinlandsprodukt der Euro-Zone beiträgt, dem auch die notwendige Hilfestellung zu gewährleisten.

    Dazu ist Europa auch bereit und in der Lage. Aber es ändert nichts daran: es ist letztlich die Entscheidung jedes einzelnen Landes. Und es ist beispielsweise völlig klar: Wir zahlen ja jede Tranche der Hilfe an Griechenland nur aus, vierteljährlich, wenn bescheinigt wird durch den IWF, durch die Europäische Zentralbank, den Internationalen Währungsfonds und die europäische Kommission, dass Griechenland das, was vereinbart ist, auch tatsächlich erfüllt.

    Es geht immer nur Zug um Zug und im Augenblick sind wir in der Situation, dass Griechenland nicht erfüllt, und solange Griechenland nicht erfüllt, und solange die Erfüllung der Bedingungen nicht durch die drei Institutionen garantiert, gewährleistet wird, solange kann nicht ausbezahlt werden. Und dann muss Griechenland schauen, wie es Zugang zu den Finanzmärkten ohne die Leistungen aus der Euro-Zone bekommt. Das ist das Problem Griechenlands. Da können wir keinen Rabatt geben. Das Vereinbarte muss eingehalten und umgesetzt werden.

    Kapern: Herr Minister, die kurzfristigen Rettungsmaßnahmen, über die wir jetzt gesprochen haben, das ist ja das eine. Die andere Frage ist: Wie stärkt man eigentlich langfristig die Stabilität der europäischen Währung?

    Die FAZ berichtet heute, in Brüssel bahne sich ein Kompromiss über die Verschärfung des Stabilitätspaktes an. Das soll ja noch bis Ende September beschlossen werden. Und zwar heißt es da, Sanktionen gegen Schuldensünder, gegen Haushaltssünder könnten danach von der einfachen Mehrheit der Mitgliedsstaaten beschlossen werden. Findet das Ihre Zustimmung? Sie haben ja immer automatische Sanktionen gefordert.

    Schäuble: Wir würden gerne noch einen Schritt weiter gehen, aber das ist immerhin ein wichtiger Fortschritt. Da ist offenbar auch Frankreich dabei, sich zu bewegen. Frankreich war ja ein Stück zurückhaltender in dieser Frage. Aber es zeigt sich, wir kommen Schritt für Schritt in Europa voran.

    Die Frage ist, ob wir schnell genug angesichts dieser unglaublich schnellen Ansteckungsgefahren in den Finanzmärkten der Welt vorankommen. Deswegen sage ich ja, wir müssen, da bleibt gar nichts anderes übrig, die Krise mit den Mitteln bewältigen, die uns die gegenwärtigen europäischen Verträge geben. Aber auf längere Sicht – das wird Zeit kosten -, auf längere Sicht werbe ich dafür, dass wir der europäischen Währung eine bessere politische Struktur der Europäischen Union zur Seite stellen.

    Das wollten wir eigentlich schon am Beginn der Währungsunion. Wir haben damals schon gesagt, zur Währungsunion gehört auf Dauer auch eine politische Union. Ich glaube, die Einsicht, dass das jetzt notwendig wird, wächst nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen Mitgliedsstaaten. Nichts desto weniger: es wird noch viel Arbeit erfordern. Und deswegen müssen wir bis dahin die Krise mit den Mitteln, die wir haben, bewältigen. Aber das geht auch voran.

    Kapern: Aber die CSU ist ja nun strikt gegen Kompetenzübertragung, weitere Kompetenzübertragung nach Brüssel. Müssen Sie die Kavallerie möglicherweise nach Bayern schicken?

    Schäuble: Nein. Die CSU hat da eine sehr klare, sehr verantwortliche Position bezogen, und die CSU ist überhaupt nicht dagegen, dass wir der Europäischen Union oder der Euro-Zone die Instrumente geben, damit das, was vereinbart wird, nämlich die Einhaltung von Grenzen in der Verschuldung, auch tatsächlich durchgesetzt werden kann. Das ist ja das Problem: Wir sind am Ende immer ein Stück weit auch darauf angewiesen, dass die Mitgliedsstaaten auch das tun, was miteinander vereinbart worden ist. Und wenn wir dafür in der EU bessere institutionelle Mittel geben, da ist die CSU sehr dafür.

    Kapern: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Minister, im Hintergrund wartet, glaube ich, schon der nächste Anrufer. Danke für das Interview, auf Wiederhören.

    Schäuble: Bitte, gerne. Auf Wiederhören!


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