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Die Generation Praktikum schlägt zurück

Als Praktikant hofft man, Erfahrungen und Kontakte zu sammeln, manche Unternehmen sehen in Praktikanten aber nur billige Arbeitskräfte. Gegen diese Ausbeutung wehren sich Angehörige der Generation Praktikum im Netz: mit einer Praktikumsbörse, die schwarze Schafe entlarvt.

Von Klaus Deuse | 08.04.2011
    Die Generation Praktikum hat schon für reichlich Schlagzeilen gesorgt, zumeist für negative. Praktikanten, so der durchgängige Tenor, gelten in Unternehmen als billige Mitarbeiter mit den Arbeitsschwerpunkten Kaffeemaschine und Kopierer. Bislang blieb Praktikanten nichts anderes übrig, als sich über die Beurteilung durch das Unternehmen zu ärgern. Doch nun stellen auch Praktikanten den Unternehmen ein Zeugnis über die Qualität ihres Abstechers in die Arbeitswelt aus. Nicht in kleinem Kreis, sondern in einem neuen Internetportal. Dort steht dann zum Beispiel zu lesen: "Sechs Monate Mechatronic-Praktikum, Mädchen für alles, Sündenbock für alles, gefallen hat mir überhaupt nichts."

    Dieses Internetportal bietet aber nicht nur Studenten ein Bewertungsforum, um ventilartig ihren Frust zu artikulieren. Bei meinpraktikum.de können sich auch Unternehmen mit ihrem Profil präsentieren und konkret beschriebene Praktikumsplätze anbieten. Sozusagen eine Praktikumsbörse für die Mitarbeiter von morgen.

    Hinter diesem Internetportal steht ein kleines Start-up-Unternehmen aus Witten namens Employour. Entdeckt haben diese Nische im Internet die beiden Unternehmensgründer Daniel Pütz und Stefan Peukert. Beide studieren an der Universität Witten/Herdecke Wirtschaftswissenschaften und haben wie Zigtausend andere selbst nicht gerade die besten Praktikumserfahrungen gesammelt. Insofern zeigt sich Stefan Peukert davon überzeugt, dass ein wachsender Bedarf an der Zusammenführung interessierter Praktikanten und suchender Unternehmen besteht:

    "Das Stichwort demografischer Wandel ist ja in aller Munde. Und jetzt merken Unternehmen wirklich, was es heißt, wenn der demografische Wandel sie trifft, dass sie keinen Nachwuchs mehr bekommen. Und das heißt: Sie müssen eigentlich schon viel früher an die Jugend ran und die auch viel besser ausbilden und behandeln und so schon frühzeitig eine Beziehung zu einem Unternehmen aufbauen."

    Um zu erfahren, was Studenten von einem Praktikum erwarten und welche Erfahrungen sie bei ihren Praktika gesammelt haben, gingen Peukert und Pütz erst einmal auf Deutschlandtour. An den 20 größten Hochschulen der Republik stellten sie ihr Projekt vor. Heraus kam ein Bewertungsprogramm in sechs Kategorien: Atmosphäre, Aufgaben, Betreuung, Karrierechancen, Lernerfolg und Wertschätzung. In jeder Kategorie können die Studenten im Netz bis zu fünf Sterne vergeben. Gefragt ist die ehrliche Praktikumsmeinung, die widerspiegelt, was Unternehmen wirklich bieten. Oder wie es Daniel Pütz formuliert:

    "Wir wollen die Unternehmen nicht in gut oder schlecht oder ein Praktikum in gut oder schlecht per se einteilen, sondern es soll jeder das Praktikum finden, das zu ihm passt. Das heißt: Am Anfang des Studiums will ich vielleicht eine engere Betreuung haben, weil ich noch nie in einem Unternehmen gearbeitet habe. Aber am Ende des Studiums, wo ich vielleicht schon das eine oder andere Praktikum absolviert habe und auch mehr Erfahrung in der Praxis gesammelt habe, da möchte ich vielleicht nicht mehr, dass mir einer jeden Tag über die Schulter guckt, sondern möchte eigenverantwortlich arbeiten. Und genau das soll das Portal bieten."

    Vergeben können die Studenten für ihr Praktikumsunternehmen nicht nur Sternchen, sondern selbstverständlich können sie auch ihre persönlichen Erfahrungen ausführlich beschreiben. Getan haben das bereits einige Tausend - und täglich werden es mehr. Der Markt verspricht, für die GmbH Employour einiges herzugeben. Schließlich absolvieren jedes Jahr etwa 550.000 junge Menschen ein Praktikum. Gut ein Drittel davon sind Studenten. Aber nicht einmal die Hälfte erhält nach einer Untersuchung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales dafür eine Bezahlung. Gefahr, im Internet an den Pranger gestellt zu werden, laufen nach den Erfahrungen von Stefan Peukert und Daniel Pütz allerdings nur die wirklich schwarzen Schafe:

    "Was aber festzustellen ist, und davor hatten wir am Anfang auch ein bisschen Angst, ist, dass wir ein Forum schaffen, wo einfach nur Arbeitgeber abgestraft werden. Das ist aber zu unserer Überraschung gar nicht passiert."

    Vielmehr liefert Employour mit diesem Internetportal Unternehmen Anhaltspunkte dafür, was sie verbessern müssen, um qualifizierte potenzielle Nachwuchskräfte zu finden. Und darum nutzen auch renommierte Unternehmen inzwischen die Möglichkeit, über dieses Internetportal Praktikanten anzusprechen. Wie zum Beispiel die Lufthansa, die Otto-Groupe, das Energieunternehmen RWE, die Deutsche Bank, Unilever oder Philipps. Natürlich nicht umsonst. Ihre Präsentation für ihr Zielpublikum lassen sich diese großen Unternehmen ein paar Tausend Euro kosten. Die Idee der Gründer beginnt, unternehmerische Früchte zu tragen. Daniel Pütz:

    "Jedes Partnerunternehmen kann bei uns auf dem Portal auch Praktikumsstellen ausschreiben. Und die Praktikanten können dann quasi auf dem Portal sagen, in welcher Stadt sie zum Beispiel ein Praktikum suchen oder in welchem Bereich. Ob sie ins Marketing oder ob sie in die Finanzverwaltung wollen, können dann ganz gezielt nach Praktikumsstellen suchen."

    Unter diesem Aspekt bauen die Unternehmensgründer darauf, dass auch mittelständische Unternehmen dieses Internetportal für sich entdecken und ihr Geschäft beleben. Eine Börse, die für Studenten nach der Studienreform immer größere Bedeutung gewinnen kann. Durch die straffere Organisation der Bachelor- und Masterstudiengänge bleibt meist nur noch Zeit für ein Weichen stellendes Praktikum. Denn große Unternehmen, konstatiert Daniel Pütz, offerieren in der Regel nur Praktika für die Dauer von sechs Monaten:

    "Von daher ist es auch gerade wichtig, dass man jetzt das richtige Praktikum findet und was lernt, was man sucht, was vielleicht für die berufliche Perspektive auch förderlich ist, sodass man sich heute quasi keinen Fehlversuch leisten kann."

    Suchende Studenten und von Unternehmen gezielt Gesuchte im grenzenlosen Internet zusammenzuführen, sorgt bei der inzwischen zur GmbH umgewandelten Start-up-Unternehmung für rege Beschäftigung. Mittlerweile zählt das Unternehmen im Dunstkreis der Universität Witten/Herdecke vier Mitarbeiter. Und an Anerkennung aus der Wirtschaft, die sich von dieser Geschäftsidee neue Impulse für die Rekrutierung von jungen Fachkräften verspricht, fehlt es auch nicht. Die Initiative Mittelstand verlieh den Gründern Stefan Peukert und Daniel Pütz den diesjährigen IT-Innovationspreis.