"Heute Abend wurde am Albertina-Platz der letzte Teil des Ensembles 'Mahnmal gegen Krieg und Faschismus' von Alfred Hrdlicka enthüllt."
November 1988: In Wien wird ein Denkmal eingeweiht. Der Akt geht ruhig vonstatten, ohne Protest, ohne Pfui-Rufe. Wo sind die 99 Prozent der Bevölkerung, die, glaubte man dem Stammtischblatt der Nation, der "Kronen-Zeitung", das von Alfred Hrdlicka gehauene Mahnmal gegen Krieg und Faschismus rigoros ablehnen?
Passantin: "Ich bin froh, dass es an dem Platz steht, weil wenn das irgendwo an den Stadtrand gekommen wäre, das wäre eine Katastrophe."
Ein paar Verständnisschwierigkeiten, das ist alles, was Volkes Stimme dem Künstler noch vorwirft.
"Ich hoffe, dass Erklärungstafeln kommen, man kann das als normaler Besucher net verstehen, das ist ein großes Manko."
Obwohl das Mahnmal, das da am Museum Albertina, in Sichtweite von Staatsoper und Sacherhotel sich breitmacht, es an gegenständlicher Wucht nicht fehlen lässt.
Im "Tor der Gewalt" drängen sich laokoonhaft die Leiber der im und am Krieg Leidenden, zivile und soldatische Nicht-Helden, gegenüber erhebt sich die Skulptur "Orpheus betritt den Hades", dahinter der "Stein der Republik" mit dem Text der Unabhängigkeitserklärung. In dieser Reihung großer Bildwerke fällt ein flaches Etwas am Boden kaum auf: Das ist der "straßenwaschende Jude", ein kniender alter Mann, der jene repräsentiert, die nach dem Einzug der Nazis in Wien 1938 in diese demütigende Haltung gezwungen wurden und das Pflaster von oppositionellen Parolen reinigen mussten - grinsende Wiener drumherum. So etwas hatten in der Tat viele nicht im Herzen der Wiener Innenstadt sehen wollen. Aber Alfred Hrdlicka stand die Sache fünf Jahre lang gegen alle Proteste durch.
"Da hat mir der vorgeschlagen, ob ich nicht in Auschwitz ein Denkmal errichten will, da hab ich gesagt, das ist doch Eulen nach Athen tragen. In der Stadt gehört es ausgestellt, wo es jeder sehen kann, der harmloseste Tourist oder wer immer, wird konfrontiert."
In den Tagen vor der Einweihung des Mahnmals saß Alfred Hrdlicka, damals 60 Jahre alt, im benachbarten Cafe Tirolerhof und genoss polternd seinen Sieg. Ein Polterer war er eben, der Aufruhr, der Kampf, alles war im Grunde ganz nach seinem streitbaren Herzen gewesen. Streit um seine Kunst zöge sich sonst kaum wie ein roter Faden durch seine Vita: Schon eine seiner ersten öffentlichen Aufträge, das Denkmal für den Politiker Karl Renner auf der Wiener Ringstraße, brachte die Leserbriefschreiber auf die Barrikaden: Wie ein "Kasperl" luge der bloße Kopf des ehrwürdigen Herrn da aus dem Boden. Und so wurde weitergeschimpft auf Hrdlicka: Jahrelang stritten die Wuppertaler um das Engels-Denkmal und können sich doch heute rühmen, eines der wichtigsten Hrdlicka-Werke in ihrer Stadt zu haben. Oder das "Gegendenkmal" in Hamburg, das anders an den Krieg erinnern sollte als das vorhandene Kriegerjubeldenkmal aus der NS-Zeit. Es musste schließlich unvollendet bleiben.
"Die sind verrückt, die Hamburger. Wenn Sie dagegen diesen Klotz sehen vis-à-vis, gegen den ich das Denkmal gemacht hab, was hat das mit Krieg zu tun. Da gehen warm angezogene Herrschaften um einen Block herum. Das ist doch net die Kriegstragik. Aber wenn Sie sich anschauen von mir diese verbrannte verstümmelte Figur, das ist doch passiert mit dem Phosphor. Die Leute sind verbrannt. Ich versteh die Hamburger nicht. Ich hab ihnen eigentlich ein Meisterwerk hingestellt."
Bürger schmähten die Heftigkeit, die provokante Körperlichkeit und Urgewalt seiner Figuren, das Feuilleton wiederum stieß sich am unbeirrt gegenständlichen Gestalten.
"Weil der Mensch in der Kunst seinen Spezi wittert. Was soll ihn interessieren als der Mensch selber?"
Nur der Mensch ist interessant, sagte er und was er aus dem Stein heraushaute, illustrierte immer einen Kernsatz der griechischen Tragödie: Ungeheurer als alles ist der Mensch. Massig, mächtig, massiv, in diesen Begriffen denkt, wer diese übergroßen Füße sieht, die vierschrötigen Körper, vorgestreckten Gliedmaßen, angestrengten Gesten. Nie sparte er am Ausdruck. Der Blick in die Abgründe der Seele reizte ihn, die Mörder Martha Beck und Fritz Haarmann wurden Thema je eines Zyklus. Martha Beck auf dem elektrischen Stuhl, Haarmann und sein Opfer verschmolzen in aggressiver Umklammerung. Oder die Skulptur "Das Verhör": Hier scheint der massige Körper des Folterers den schmalen Leib des Verhörten zu erdrücken. Solch beeindruckende und eindeutige Anschaulichkeit war sichtlich politisch motiviert; Hrdlicka, 1928 in armen Verhältnissen geboren, hatte sich früh ein Beispiel am kommunistischen Vater genommen, und wenn auch der Ungarn-Aufstand 1956 ihn der Partei entfremdete, ein Linker blieb er immer.
"Aber ich bin nicht das, was man nennt eine Skandalnudel, sondern das, was ich ausspreche erregt Ärgernis."
Mit zunehmendem Alter gelang es ihm allerdings auch immer wieder, seine Freunde zu befremden: Musste das alte Schlachtross Hrdlicka unbedingt dem Wolf Biermann, weil der die PDS geschmäht hatte, die Nürnberger Rassegesetze – wörtlich – an den Hals wünschen? Vielleicht war ihm zu dieser Zeit schon bewusst, dass der immerwährende Kampf gegen den Stein und gegen sich selbst nicht mehr lange weitergehen konnte. Das trat endgültig zutage, als der Körper sich für jahrelange Schwerarbeit rächte und die Seele am Verlust einer Frau zu zerbrechen drohte. Den Stein für eine große Nicaragua-Figur musste er stehen lassen - unvollendet.
November 1988: In Wien wird ein Denkmal eingeweiht. Der Akt geht ruhig vonstatten, ohne Protest, ohne Pfui-Rufe. Wo sind die 99 Prozent der Bevölkerung, die, glaubte man dem Stammtischblatt der Nation, der "Kronen-Zeitung", das von Alfred Hrdlicka gehauene Mahnmal gegen Krieg und Faschismus rigoros ablehnen?
Passantin: "Ich bin froh, dass es an dem Platz steht, weil wenn das irgendwo an den Stadtrand gekommen wäre, das wäre eine Katastrophe."
Ein paar Verständnisschwierigkeiten, das ist alles, was Volkes Stimme dem Künstler noch vorwirft.
"Ich hoffe, dass Erklärungstafeln kommen, man kann das als normaler Besucher net verstehen, das ist ein großes Manko."
Obwohl das Mahnmal, das da am Museum Albertina, in Sichtweite von Staatsoper und Sacherhotel sich breitmacht, es an gegenständlicher Wucht nicht fehlen lässt.
Im "Tor der Gewalt" drängen sich laokoonhaft die Leiber der im und am Krieg Leidenden, zivile und soldatische Nicht-Helden, gegenüber erhebt sich die Skulptur "Orpheus betritt den Hades", dahinter der "Stein der Republik" mit dem Text der Unabhängigkeitserklärung. In dieser Reihung großer Bildwerke fällt ein flaches Etwas am Boden kaum auf: Das ist der "straßenwaschende Jude", ein kniender alter Mann, der jene repräsentiert, die nach dem Einzug der Nazis in Wien 1938 in diese demütigende Haltung gezwungen wurden und das Pflaster von oppositionellen Parolen reinigen mussten - grinsende Wiener drumherum. So etwas hatten in der Tat viele nicht im Herzen der Wiener Innenstadt sehen wollen. Aber Alfred Hrdlicka stand die Sache fünf Jahre lang gegen alle Proteste durch.
"Da hat mir der vorgeschlagen, ob ich nicht in Auschwitz ein Denkmal errichten will, da hab ich gesagt, das ist doch Eulen nach Athen tragen. In der Stadt gehört es ausgestellt, wo es jeder sehen kann, der harmloseste Tourist oder wer immer, wird konfrontiert."
In den Tagen vor der Einweihung des Mahnmals saß Alfred Hrdlicka, damals 60 Jahre alt, im benachbarten Cafe Tirolerhof und genoss polternd seinen Sieg. Ein Polterer war er eben, der Aufruhr, der Kampf, alles war im Grunde ganz nach seinem streitbaren Herzen gewesen. Streit um seine Kunst zöge sich sonst kaum wie ein roter Faden durch seine Vita: Schon eine seiner ersten öffentlichen Aufträge, das Denkmal für den Politiker Karl Renner auf der Wiener Ringstraße, brachte die Leserbriefschreiber auf die Barrikaden: Wie ein "Kasperl" luge der bloße Kopf des ehrwürdigen Herrn da aus dem Boden. Und so wurde weitergeschimpft auf Hrdlicka: Jahrelang stritten die Wuppertaler um das Engels-Denkmal und können sich doch heute rühmen, eines der wichtigsten Hrdlicka-Werke in ihrer Stadt zu haben. Oder das "Gegendenkmal" in Hamburg, das anders an den Krieg erinnern sollte als das vorhandene Kriegerjubeldenkmal aus der NS-Zeit. Es musste schließlich unvollendet bleiben.
"Die sind verrückt, die Hamburger. Wenn Sie dagegen diesen Klotz sehen vis-à-vis, gegen den ich das Denkmal gemacht hab, was hat das mit Krieg zu tun. Da gehen warm angezogene Herrschaften um einen Block herum. Das ist doch net die Kriegstragik. Aber wenn Sie sich anschauen von mir diese verbrannte verstümmelte Figur, das ist doch passiert mit dem Phosphor. Die Leute sind verbrannt. Ich versteh die Hamburger nicht. Ich hab ihnen eigentlich ein Meisterwerk hingestellt."
Bürger schmähten die Heftigkeit, die provokante Körperlichkeit und Urgewalt seiner Figuren, das Feuilleton wiederum stieß sich am unbeirrt gegenständlichen Gestalten.
"Weil der Mensch in der Kunst seinen Spezi wittert. Was soll ihn interessieren als der Mensch selber?"
Nur der Mensch ist interessant, sagte er und was er aus dem Stein heraushaute, illustrierte immer einen Kernsatz der griechischen Tragödie: Ungeheurer als alles ist der Mensch. Massig, mächtig, massiv, in diesen Begriffen denkt, wer diese übergroßen Füße sieht, die vierschrötigen Körper, vorgestreckten Gliedmaßen, angestrengten Gesten. Nie sparte er am Ausdruck. Der Blick in die Abgründe der Seele reizte ihn, die Mörder Martha Beck und Fritz Haarmann wurden Thema je eines Zyklus. Martha Beck auf dem elektrischen Stuhl, Haarmann und sein Opfer verschmolzen in aggressiver Umklammerung. Oder die Skulptur "Das Verhör": Hier scheint der massige Körper des Folterers den schmalen Leib des Verhörten zu erdrücken. Solch beeindruckende und eindeutige Anschaulichkeit war sichtlich politisch motiviert; Hrdlicka, 1928 in armen Verhältnissen geboren, hatte sich früh ein Beispiel am kommunistischen Vater genommen, und wenn auch der Ungarn-Aufstand 1956 ihn der Partei entfremdete, ein Linker blieb er immer.
"Aber ich bin nicht das, was man nennt eine Skandalnudel, sondern das, was ich ausspreche erregt Ärgernis."
Mit zunehmendem Alter gelang es ihm allerdings auch immer wieder, seine Freunde zu befremden: Musste das alte Schlachtross Hrdlicka unbedingt dem Wolf Biermann, weil der die PDS geschmäht hatte, die Nürnberger Rassegesetze – wörtlich – an den Hals wünschen? Vielleicht war ihm zu dieser Zeit schon bewusst, dass der immerwährende Kampf gegen den Stein und gegen sich selbst nicht mehr lange weitergehen konnte. Das trat endgültig zutage, als der Körper sich für jahrelange Schwerarbeit rächte und die Seele am Verlust einer Frau zu zerbrechen drohte. Den Stein für eine große Nicaragua-Figur musste er stehen lassen - unvollendet.