Doris Schäfer-Noske: Beaxtrix Novy war das mit einem Nachruf auf den österreichischen Künstler Alfred Hrdlicka. Am Ende seines Lebens war Hrdlicka quasi selbst zu der leidenden Kreatur seiner Kunst geworden. Eines seiner letzten, wenn nicht das letzte Werk überhaupt schuf Alfred Hrdlicka für das Schumannhaus in Bonn. Zum 150. Todestag des Komponisten wurde die Schumannbüste im Juli 2006 enthüllt. Dieter Ronte war bis vor zwei Jahren Direktor des Kunstmuseums Bonn. Frage an ihn: Herr Ronte, wie haben Sie denn Alfred Hrdlicka damals 2006 erlebt?
Dieter Ronte: Ich bin nach Wien gefahren, ich habe ja zehn Jahre in Wien gearbeitet, kannte Alfred Hrdlicka sehr lange schon, weil ich ihn 1974 schon in Köln im Wallraf-Richartz-Museum ausgestellt hatte mit "Randolectil", und habe einen alten Mann vorgefunden, der Probleme mit der Physis hatte, besonders mit den Augen. Und wir haben ihm sehr viele Dokumente über Schumann gegeben, die hat er studiert. Und dann bin ich nach einem halben Jahr wieder hingefahren, und da hat er angefangen, eine leichtes Tonmodell zu machen. Und dann haben wir das gemacht, und daraus ist ein großartiger Kopf geworden, der den Begabungen Hrdlickas entspricht, wenn er etwas gesehen, ertastet hat, es sofort wiedergeben zu können in der dritten Dimension oder in der Zeichnung.
Schäfer-Noske: Was interessierte ihn denn so an Robert Schumann, dass er diesen Auftrag noch angenommen hat, obwohl er ja physisch schon kaum noch dazu in der Lage war?
Ronte: Ja, aber das ist natürlich wie eine Allegorie auf das Leben vom Alfred, dieses Leiden, das Hospital, die Depression, diese Krankheiten, nicht mehr dirigieren zu können, diese Angst, zu versagen, alle diese Dinge haben den Alfred Zeit seines Lebens eigentlich begleitet, und das hat er in diesem Kopf wirklich zum Ausdruck gebracht. Nun kommen sogar Mediziner und sagen, wir können sogar die Krankheiten von Schumann an dem Kopf von Alfred Hrdlicka ablesen.
Schäfer-Noske: Er hat ja auch andere Künstler porträtiert, auch in seinen Zeichnungen immer wieder. Wie wichtig war denn das Thema Künstler für ihn?
Ronte: Alfred Hrdlicka ist ein klassischer Künstlertyp, ein Selbstdarsteller, ein Lebemann, wir haben großartige Essen gehabt, ich bin mit ihm in Moskau gewesen, in Mexiko, das war immer sehr, sehr spannend, wenn er auf andere Situationen einging. Er ist ein politischer Künstler, der berühmte Satz, nicht wahr, dass alles vom Fleisch ausgeht. Er hat sich immer mit Elend und Not beschäftigt. Und das ist eigentlich die gleiche Zerreißprobe, die sein Leben auch ist, hat er in diesen Figuren dargestellt. Insofern ist eigentlich alles, was er gemacht hat, nicht nur Thema, nicht nur Politik, nicht nur ästhetische Diskussion, nicht nur Angriff, nicht nur Skandal, sondern zugleich auch immer Autobiografie, ist immer sein Leben auch selbst. Das ist der Mann, der immer den Finger auf die Wunden gelegt hat und sich mit Mördern und Prostituierten beschäftigt hat, der immer auf der Seite der Verlierer, der Loser stand und das formuliert hat über christliche Ikonografie oder über eigene Erfindungen. Und das hat natürlich die Leute aufgeregt. Als ich in Hannover im Sprengelmuseum war, habe ich eine kleine Skulptur über den Massenmörder Haarmann von Alfred Hrdlicka gekauft, und das führte dazu, dass die große deutsche Boulevardzeitung eine Titelseite machte: "Skandal! Stadt bestellt Denkmal für Massenmörder." Also egal, was Alfred machte, immer hat es zu einem Skandal geführt. Und viel später kamen dann doch die Leute und sagen, er hat eigentlich recht. Gut, dass er das gemacht hat.
Schäfer-Noske: Er selbst hat sich als Fossil bezeichnet. Gehörte er denn zu einer aussterbenden oder schon ausgestorbenen Sorte Künstler?
Ronte: So ein bisschen. Er war ja ein großer Maler, hat Malerei studiert, dann ist zur Skulptur gekommen, hat dann als Einziger und Letzter vielleicht noch wie ein Michelangelo einen Marmorblock vor sich gesehen, hat darauf gezeichnet und hat dann den Marmorblock geschlagen. Und wir wissen alle, wenn ein Marmorblock geschlagen wird, was weg ist, ist weg, es ist nicht mehr korrigierbar. Und die neuen Generationen machen ihre großen Skulpturen mit Styropor, das ist beliebig korrigierbar, und Alfred war dieser ganz intensive, verbohrte Künstler, dieser leise Berserker. Ich glaube, dass Michelangelo immer sein Vorbild war als Bildhauer. Und als solcher hat er eigentlich zu Recht gesagt: Ich bin ein Fossil. Er hat dokumentiert, er hat nicht mit sozialen oder soziologischen Strategien versucht die Welt zu verbessern, sondern ist unmittelbar an den Menschen rangegangen. Und das ist heute eine große Ausnahme.
Schäfer-Noske: Das war der Kunsthistoriker Dieter Ronte zum Tod des österreichischen Künstlers Alfred Hrdlicka.
Dieter Ronte: Ich bin nach Wien gefahren, ich habe ja zehn Jahre in Wien gearbeitet, kannte Alfred Hrdlicka sehr lange schon, weil ich ihn 1974 schon in Köln im Wallraf-Richartz-Museum ausgestellt hatte mit "Randolectil", und habe einen alten Mann vorgefunden, der Probleme mit der Physis hatte, besonders mit den Augen. Und wir haben ihm sehr viele Dokumente über Schumann gegeben, die hat er studiert. Und dann bin ich nach einem halben Jahr wieder hingefahren, und da hat er angefangen, eine leichtes Tonmodell zu machen. Und dann haben wir das gemacht, und daraus ist ein großartiger Kopf geworden, der den Begabungen Hrdlickas entspricht, wenn er etwas gesehen, ertastet hat, es sofort wiedergeben zu können in der dritten Dimension oder in der Zeichnung.
Schäfer-Noske: Was interessierte ihn denn so an Robert Schumann, dass er diesen Auftrag noch angenommen hat, obwohl er ja physisch schon kaum noch dazu in der Lage war?
Ronte: Ja, aber das ist natürlich wie eine Allegorie auf das Leben vom Alfred, dieses Leiden, das Hospital, die Depression, diese Krankheiten, nicht mehr dirigieren zu können, diese Angst, zu versagen, alle diese Dinge haben den Alfred Zeit seines Lebens eigentlich begleitet, und das hat er in diesem Kopf wirklich zum Ausdruck gebracht. Nun kommen sogar Mediziner und sagen, wir können sogar die Krankheiten von Schumann an dem Kopf von Alfred Hrdlicka ablesen.
Schäfer-Noske: Er hat ja auch andere Künstler porträtiert, auch in seinen Zeichnungen immer wieder. Wie wichtig war denn das Thema Künstler für ihn?
Ronte: Alfred Hrdlicka ist ein klassischer Künstlertyp, ein Selbstdarsteller, ein Lebemann, wir haben großartige Essen gehabt, ich bin mit ihm in Moskau gewesen, in Mexiko, das war immer sehr, sehr spannend, wenn er auf andere Situationen einging. Er ist ein politischer Künstler, der berühmte Satz, nicht wahr, dass alles vom Fleisch ausgeht. Er hat sich immer mit Elend und Not beschäftigt. Und das ist eigentlich die gleiche Zerreißprobe, die sein Leben auch ist, hat er in diesen Figuren dargestellt. Insofern ist eigentlich alles, was er gemacht hat, nicht nur Thema, nicht nur Politik, nicht nur ästhetische Diskussion, nicht nur Angriff, nicht nur Skandal, sondern zugleich auch immer Autobiografie, ist immer sein Leben auch selbst. Das ist der Mann, der immer den Finger auf die Wunden gelegt hat und sich mit Mördern und Prostituierten beschäftigt hat, der immer auf der Seite der Verlierer, der Loser stand und das formuliert hat über christliche Ikonografie oder über eigene Erfindungen. Und das hat natürlich die Leute aufgeregt. Als ich in Hannover im Sprengelmuseum war, habe ich eine kleine Skulptur über den Massenmörder Haarmann von Alfred Hrdlicka gekauft, und das führte dazu, dass die große deutsche Boulevardzeitung eine Titelseite machte: "Skandal! Stadt bestellt Denkmal für Massenmörder." Also egal, was Alfred machte, immer hat es zu einem Skandal geführt. Und viel später kamen dann doch die Leute und sagen, er hat eigentlich recht. Gut, dass er das gemacht hat.
Schäfer-Noske: Er selbst hat sich als Fossil bezeichnet. Gehörte er denn zu einer aussterbenden oder schon ausgestorbenen Sorte Künstler?
Ronte: So ein bisschen. Er war ja ein großer Maler, hat Malerei studiert, dann ist zur Skulptur gekommen, hat dann als Einziger und Letzter vielleicht noch wie ein Michelangelo einen Marmorblock vor sich gesehen, hat darauf gezeichnet und hat dann den Marmorblock geschlagen. Und wir wissen alle, wenn ein Marmorblock geschlagen wird, was weg ist, ist weg, es ist nicht mehr korrigierbar. Und die neuen Generationen machen ihre großen Skulpturen mit Styropor, das ist beliebig korrigierbar, und Alfred war dieser ganz intensive, verbohrte Künstler, dieser leise Berserker. Ich glaube, dass Michelangelo immer sein Vorbild war als Bildhauer. Und als solcher hat er eigentlich zu Recht gesagt: Ich bin ein Fossil. Er hat dokumentiert, er hat nicht mit sozialen oder soziologischen Strategien versucht die Welt zu verbessern, sondern ist unmittelbar an den Menschen rangegangen. Und das ist heute eine große Ausnahme.
Schäfer-Noske: Das war der Kunsthistoriker Dieter Ronte zum Tod des österreichischen Künstlers Alfred Hrdlicka.