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Die gezielte Videoaufnahme bei "Strafverdacht muss möglich sein"

Das Bundeskabinett will per Gesetz die Videoüberwachung von Arbeitnehmern verbieten. Reinhard Göhner vom Deutschen Arbeitgeberverband hält das für falsch - und weist darauf hin, dass öffentliche Verkaufsräume weiterhin überwacht werden dürften.

    Stefan Heinlein: Facebook und andere soziale Netzwerke sind eine wahre Fundgrube für Personalchefs. Aufnahmen von der wilden Studentenparty etwa im Internet bedeuten oft das frühzeitige Aus für den Bewerber. Doch auch wer bereits einen Job hat, war bisher nicht sicher vor der Überwachung durch den Arbeitgeber. Skandale beim Discounter Lidl, der Deutschen Bahn oder der Telekom sorgten für Schlagzeilen und zeigten, dass es manche Arbeitgeber mit dem Datenschutz ihrer Mitarbeiter nicht ganz so ernst nehmen. Heute nun beschließt die Bundesregierung nach langem Hin und Her ein neues Gesetz in dieser Sache.
    Am Telefon nun der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Reinhard Göhner. Guten Morgen!

    Reinhard Göhner: Guten Morgen, Herr Heinlein.

    Heinlein: Gefällt Ihnen, was heute im Kabinett beschlossen wird?

    Göhner: Ich glaube, dass der Gesetzentwurf prinzipiell ein berechtigtes Anliegen regeln will. Er ist gut gemeint in einigen Stellen, aber sehr unklar und deshalb zum Teil Steine statt Brot. Er soll mehr Rechtsklarheit für die Praxis bringen, aber es bleiben eine Reihe von Fragen durch sehr schwammige Rechtsbegriffe abgedeckt. Ihr Beitrag hat dazu gerade einige Beispiele genannt.

    Heinlein: Also gut gemeint ist nicht gut gemacht, das ist Ihre Aussage. Was ist denn noch so schwammig?

    Göhner: Bisher war es beispielsweise zulässig, dass in den Betrieben Betriebsvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zur Gestaltung des Datenschutzes möglich sind, also beispielsweise zur privaten Nutzung von Mail-Möglichkeiten und Internet. Solche Möglichkeiten, Betriebsvereinbarungen zu schließen, sieht das neue Gesetz nicht mehr vor. Wir halten das für einen grundlegenden Fehler. Es sollten Betriebsvereinbarungen möglich sein, um betriebsbezogene Regelungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vorzunehmen.

    Heinlein: Warum müssen denn die E-Mails von Mitarbeitern überwacht werden?

    Göhner: Müssen sie nicht! Aber es sollte eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat möglich sein, dass beispielsweise auch die private Nutzung für Mails möglich ist, allerdings bei Abwesenheit des Mitarbeiters dann dienstliche Mails, zum Beispiel die von Kunden, geöffnet werden können. Solche Vereinbarungen gibt es in vielen Betrieben und die sind sinnvoll und die sollten auch in Zukunft möglich sein.

    Heinlein: Die heimliche Videoüberwachung ist ja künftig untersagt. Hätten Sie auch diese Möglichkeit gerne weiter künftig gehabt?

    Göhner: Die gezielte Videoaufnahme bei einem konkreten Strafverdacht muss möglich sein. Wenn in einem Lager oder an einer Kasse immer wieder Entwendungen vorgekommen sind – das passiert leider in Einzelfällen -, dann muss zur Aufdeckung der Arbeitgeber nicht gleich auf Polizei verwiesen werden, oder die Straftaten zu ignorieren. Dann muss eine solche Aufnahme möglich sein. Im Übrigen ist es nach dem Gesetzentwurf nicht so, dass prinzipiell Videoaufnahmen untersagt sind. Es ist beispielsweise so, dass in allen öffentlichen Verkaufsräumen auch weiterhin Videos eingesetzt werden können. Die Frage ist nur: Kann das auch gezielt zum Beispiel in einem Lagerraum erfolgen, in dem immer wieder Diebstähle vorgekommen sind und konkrete Verdachte vorliegen, und da muss der Gesetzentwurf nachgebessert werden.

    Heinlein: Aber prinzipiell sind Sie in diesem Punkt mit dem Gesetzgeber, mit seinen Plänen einverstanden?

    Göhner: Wir haben eine Reihe von Einwendungen, weil Rechtsunklarheit geschaffen wird.

    Heinlein: Ich spreche über die Videoüberwachung.

    Göhner: Der Ansatz, die richtige Zielsetzung dieses Gesetzentwurfes ist ja, die Sache aus einer bisher zum Teil sehr unbestimmten Situation in sehr konkrete Regelungen zu fassen, aber dann müssen sie auch praxisgerecht und klar sein. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen wissen, woran sie sind. Prinzipiell ist der Arbeitnehmerdatenschutz natürlich auch für die Arbeitgeber genauso wie der Schutz von Unternehmensdaten ein wichtiges Anliegen.

    Heinlein: Herr Göhner, haben Sie denn Verständnis dafür, dass viele Mitarbeiter in den Betrieben es nicht gerne haben, wenn sie heimlich von ihrem Arbeitgeber gefilmt werden?

    Göhner: Natürlich! Das geschieht ja auch nicht. Eine solche Maßnahme kann nur dann zum Beispiel mit Zustimmung des Betriebsrates in Betracht kommen, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die eine solche Maßnahme notwendig machen, und deshalb sind wir eben der Meinung, dass beispielsweise Betriebsvereinbarungen möglich sein sollten, dass beispielsweise Vereinbarungen zur Korruptions- und Kriminalitätsbekämpfung im Betrieb weiter möglich sein sollten. Bei Verdacht auf Straftaten sollte der Datenschutz nicht Täterschutz sein.

    Heinlein: Ist denn die Korruptionsbekämpfung, Herr Göhner, für Sie wichtiger als der Datenschutz der Mitarbeiter?

    Göhner: Nein, beides muss möglich sein. Der Datenschutz darf nicht zum Täterschutz für Korruption werden. Deshalb begrüße ich auch sehr, dass beispielsweise klargestellt worden ist, ein automatisierter Datenabgleich bleibt weiterhin zulässig, so wie das auch in der Vergangenheit war. Der sogenannte Bahnskandal war ein vermeintlicher Skandal, der dort erfolgte Datenabgleich war im Prinzip etwas, was auch in Zukunft möglich ist.

    Heinlein: Dann reden wir über die Deutsche Bahn. Die hat ja in der Vergangenheit in der Tat über Jahre Mitarbeiter ausgespäht, private Kontakte und Telefonate überprüft, das alles, wie Sie sagen, unter dem Deckmantel der Korruptionsbekämpfung. Dieses Vorgehen ist aus Ihrer Sicht weiter notwendig und richtig?

    Göhner: Nein! Das was Sie gesagt haben ist vollkommen falsch. Das hat es bei der Deutschen Bahn nicht gegeben. Es gab einen automatisierten Datenabgleich, der nach altem Recht prinzipiell möglich ist wie auch nach künftigem. Bei der Bahn war es so, dass die Beteiligung des Betriebsrates und des Datenschutzbeauftragten nicht erfolgt ist, und das geht natürlich nicht. Das muss passieren, nach altem wie nach neuem Recht.

    Heinlein: Dann reden wir, Herr Göhner, noch über einen anderen Punkt dieses Gesetzentwurfes. Der ist sehr konkret. Es ist ja geplant, dass Personalleiter künftig nicht mehr im Internet bei Facebook oder StudiVZ, den sogenannten geschlossenen Sozialnetzwerken, unbegrenzt stöbern dürfen. Macht Ihnen das als Arbeitgeber die Personalauswahl künftig schwieriger?

    Göhner: Nein, das finde ich in Ordnung, dass geschlossene soziale Netzwerke, in denen man aus sozialen Gründen etwa in seiner Jugendzeit vielleicht auch mal unbewusst etwas einstellt, dass das nicht bei Bewerbungen berücksichtigt werden kann. Das finde ich in Ordnung. Aber etwas anderes ist wichtig. Darf ein Arbeitgeber, der Bewerbungen vorliegen hat, nach diesem Namen googlen, um frei zugängliche Informationen zu nutzen? Das ist nach diesem Gesetzentwurf mindestens unklar, das muss geklärt werden, dass so etwas natürlich zulässig bleibt. Frei zugängliche Informationen müssen auch in Zukunft genutzt werden können.

    Heinlein: Herr Göhner, im Frühjahr gab es ja bereits einen Gesetzentwurf. Dieser wurde nun – Sie haben es erwähnt, wir haben darüber gesprochen – in vielen Punkten verändert. Hoffen Sie, dass nun im Laufe des parlamentarischen Verfahrens – es geht ja noch durch den Bundestag – in diesen Punkten, in vielen Punkten noch Änderungen gibt in Ihrem Sinne?

    Göhner: Drei Punkte müssen nachgebessert werden. Erstens: viele Rechtsunklarheiten müssen beseitigt werden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen wissen, woran sie sind. Zweitens: Betriebsvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsräten zum Datenschutz müssen möglich bleiben. Und drittens: Korruptions- und Kriminalitätsbekämpfung darf nicht erschwert werden.

    Heinlein: Das hört sich so an, als ob der Gesetzgeber bisher geschlampert hat?

    Göhner: Nein! Ich glaube, dass dieser Gesetzentwurf sehr viel besser ist als beispielsweise der Entwurf, den die letzte Regierung Ende der Legislaturperiode vorgelegt hat, und ich bin auch prinzipiell der Meinung, dass die Eingliederung des Arbeitnehmerdatenschutzes in das Bundesdatenschutzgesetz richtig ist. Nur diese drei Punkte müssen nachgebessert werden, es muss rechtsklar sein, Betriebsvereinbarungen müssen zusätzlich sein und Korruptionsbekämpfung muss weiter möglich sein.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der BDA-Hauptgeschäftsführer Reinhard Göhner. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Göhner: Vielen Dank!