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Die Grünen und der Antiterror-Einsatz der Bundeswehr

    Simon: Während die Nordallianz in Afghanistan militärische Erfolge feiert, droht der Bundeskanzler mit dem Ende der Koalition, wenn die Sozialdemokraten und vor allem wenn die Grünen nicht geschlossen für den Antiterroreinsatz der Bundeswehr stimmen. Am Telefon begrüße ich jetzt Katrin Göring-Eckardt, die Parlamentarische Geschäftsführerin der Bündnis-Grünen im Bundestag. Guten Tag!

    Göring-Eckardt: Guten Tag Frau Simon.

    Simon: Frau Göring-Eckardt, der Kanzler holt die Folterinstrumente heraus. Er droht. Er lädt noch einmal Guido Westerwelle von der FDP öffentlichkeitswirksam ein. Bringt dieser Druck etwas bei Ihren grünen Abgeordnetenkollegen?

    Göring-Eckardt: Die grünen Abgeordnetenkollegen lassen sich durch Argumente überzeugen und nicht durch Druck. Das ist zunächst mal klar. Trotzdem ist auf der anderen Seite richtig, dass wir in einer sehr schwierigen Zeit auch Verantwortung übernehmen müssen. Vor dieser Entscheidung stehen wir jetzt und ich gehe davon aus, dass wir diese Entscheidung auch gemeinsam mit rot/grün treffen können, dass wir diese Verantwortung auch gemeinsam übernehmen können. Wenn man sich die aktuelle Situation in Afghanistan anschaut, dann sieht man, dass das, was uns ja besonders am Herzen liegt, nämlich die Versorgung der Bevölkerung, jetzt eine große Chance hat, dass wir hier auch aktiv werden können. Wir haben in der letzten Woche mit unseren Haushältern von rot und grün bereits 160 Millionen für den Aufbau bereitgestellt. Hier muss noch mehr dazu kommen, gerade was die Ernährungssituation angeht auch längerfristig Ich denke also, wir können angesichts der aktuellen Entwicklung der Situation auch deutlich machen: uns, rot und grün, geht es nicht allein um eine militärische Beteiligung, sondern es geht um ein Gesamtkonzept. Es geht um politische und um humanitäre Lösungen.

    Simon: Das klingt aber ein bisschen, dass Sie nicht mehr davon ausgehen, dass diejenigen in Ihrer Fraktion, die gegen den Einsatz sind, doch noch umzustimmen sind?

    Göring-Eckardt: Nein, so klingt es nicht. Es haben sich bedauerlicherweise - ich bedauere das ausdrücklich - am Wochenende acht Abgeordnete vorfestgelegt. Ich denke, dass wir weitere Gespräche führen sollen, dass wir es auch tun werden und dass die Tür hier nicht zugeschlagen ist, dass die Bedingungen, die der Parteirat zurecht gestellt hat, an eine Konkretisierung dessen, was das Kabinett beschlossen hat, gerade was die Einsatzgebiete angeht, auch was die Frage angeht, gegen wen sich militärische Aktionen richten, also gegen Bin Laden und el Kaida, dass wir hier sehr deutlich machen können, auch in der Regierungskoalition, diese Einschränkungen, diese Klarstellungen sind möglich, und dass wir die Gespräche weiter führen. Ich hoffe, dass die Vorfestlegungen auch nicht endgültige Vorfestlegungen sind, sondern dass wir hier weiter im Gespräch bleiben. Das werden wir heute tun. Darüber werden wir heute mit dem Bundeskanzler zu reden haben, auch über flankierende Maßnahmen, auch über die Frage, wie sieht es bei dem Engagement Deutschlands für die humanitäre Situation aus. Das werden wir untereinander zu diskutieren haben und dann hoffe ich, dass wir am Donnerstag auch mit einer eigenen Mehrheit für diesen Antrag stimmen können. Wir werden jedenfalls für diese eigene Mehrheit kämpfen.

    Simon: Haben Sie den Eindruck, Frau Göring-Eckardt, dass man in der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen ernst nimmt, was der Kanzler sagt, dass wirklich dieses Mal ein Ende der Koalition drohen könnte?

    Göring-Eckardt: Ich glaube hier geht es um ein Gesamtinteresse. Es geht um die Frage: sind wir handlungsfähig in einer so schwierigen Situation. Nun respektiere ich jede und jeden, die sagen, ein Kriegseinsatz ist eine Gewissensentscheidung, ein militärischer Einsatz ist eine Gewissensentscheidung. Das ist völlig richtig und hier ist jeder zu respektieren, der das anders entscheidet. Trotzdem denke ich gehört zu dieser Gewissensentscheidung auch, dass man sich die Frage stellt, was gehört noch dazu. Dazu gehört eben auch die Frage, wie stärken wir unserem Außenminister Joschka Fischer den Rücken für das, was er an politischen, an diplomatischen, an humanitären Initiativen ergriffen hat und weiter ergreifen wird, und wie machen wir deutlich, dass die deutsche Beteiligung bei der Terrorismusbekämpfung - und auch das sollten wir uns einmal vor Augen führen, worum es hier eigentlich geht; es geht darum, dass Terroristen gestellt werden müssen, dass hier klar sein muss, dass wir nie wieder zulassen, dass es rechtsfreie Räume gibt, dass klar sein muss, dass wir die humanitäre Situation verbessern wollen. Wenn wir alles das zusammennehmen dann gehe ich davon aus, dass wir es schaffen können, mit einer sehr breiten Mehrheit nicht nur des Bundestages, sondern auch innerhalb der Koalition deutlich zu machen, wir sind handlungsfähig und wir können auch in einer schwierigen Situation Verantwortung übernehmen, die wir uns nicht ausgesucht haben.

    Simon: Sie erinnern jetzt an die Verantwortung für das gesamte Regierungsprojekt. Die andere politische Meinung wird dagegenhalten mit der Frage, wie viel grün können die Bündnis-Grünen denn noch aufgeben, um weiter zu regieren, denn die Basis scheint ja in diesem Fall mehr auf der Seite der Gegner des Einsatzes zu sein?

    Göring-Eckardt: Die Tatsache, dass gerade in der Partei die Frage von militärischer Beteiligung sehr kritisch diskutiert wird, ist nachvollziehbar und sehr verständlich. Das ist ja übrigens auch in der Bevölkerung so. Dann sollten wir besprechen, was ist grün in diesem Projekt, in dieser Frage der Außenpolitik. Da denke ich, grün ist dort zunächst einmal die Frage von Aufbauhilfe, die Frage von humanitärer Hilfe und in welcher Größenordnung man das macht. Da kann es nicht sein, dass wir das so nebenbei machen, sondern das heißt wirklich, dass wir als Deutschland hier auch mit größeren Beträgen in die Verantwortung gehen. Grün ist auch - das hat der Länderrat so beschlossen -, dass man auf eine Art von Gewaltbedrohung reagiert, die völlig neu ist und die nicht allein mit präventiven und dialogischen Mitteln zu bekämpfen ist. Der Terrorismus ist eben auch teilweise nur mit militärischen Mitteln zu bekämpfen, so dass solche militärische Beteiligung auch notwendig sein wird in dem Rahmen, in dem engen Rahmen, in dem Deutschland sich beteiligen will. Dazu kommt dann natürlich auch die Frage, inwieweit man die Ursachen von Terrorismus, die Unterstützung für solchen Terrorismus beseitigen kann. Da sind wir bei dem Thema "globale Gerechtigkeit" und das ist ein Thema, was die Grünen seit 20 Jahren beschäftigt, wofür wir gekämpft haben, dass wir Gestaltung übernehmen können, innenpolitisch wie außenpolitisch. An dieser Stelle sind wir jetzt, auch an der Entscheidung, ob wir diese Gestaltung aufgeben wollen oder nicht. Ich bin überzeugt, dass weder die Fraktion noch die Partei die Gestaltung aufgeben will und den Einfluss aufgeben will.

    Simon: Noch viel Bedarf an Überzeugungsarbeit. - Das war die Parlamentarische Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt. Danke für das Gespräch!

    Link: Interview als RealAudio