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„Die gute Kinderstube ist tatsächlich eines der Hauptkriterien“

Die dicke Bewerbungsmappe ist out, die elektronische Bewerbung über das Internet "in". Doch beides will vom Bewerber gut vorbereitet sein, weiß Marc Emde, Personalberater bei KCP-Executives in Köln. Sowohl Arbeitgeber und Headhunter wie er selbst verfügten über ausgefeilte Mittel, um so gut wie alles über einen potenziellen Arbeitnehmer schon im Vorfeld zu erfahren. Ein gutes Netzwerk und soziale Kompetenz sind für Arbeitssuchende laut Emde die beste Garantie für eine erfolgreiche Bewerbung.

Moderation: Jürgen Liminski | 14.07.2008
    Jürgen Liminski: Der Konjunkturhimmel trübt sich ein. Es wird wieder schwieriger werden, einen Platz für die Ausbildung oder auch eine Arbeitsstelle zu finden. Gleichzeitig werden Fachkräfte händeringend gesucht. Insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen verschwenden dabei viel Zeit bei der Auswahl der Bewerber und der Suche geeigneter Kräfte. Eintreffende Papierberge müssen gesichtet, sortiert werden. Eingangsprüfungen müssen vorbereitet, Unterlagen archiviert oder an die Arbeitssuchenden zurückgeschickt werden. All diese Arbeit gibt man gerne an externe Personalberater (auch Headhunter genannt) ab. Einen haben wir nun hier im Studio. Es ist Marc Emde vom Personalberatungsunternehmen KCP-Executives in Köln. Guten Morgen, Herr Emde.

    Marc Emde: Guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr Emde, muss die Bewerbungspraxis so unwirtschaftlich und zeitaufwendig ablaufen? Kann man nicht alles über Internet abwickeln?

    Emde: Man kann tatsächlich einen großen Teil der Bewerbungsthemen übers Internet abwickeln. Es ist meistens auch verbunden mit der Einstellung der Personen, die dieses Bewerber-Management durchführen. Viele haben das Gefühl, nur dann wenn sie eine Bewerbungsmappe wirklich in der Hand haben, könnten sie etwas über Menschen erfahren.
    Ich selber habe als Vorstand einer großen Klinik-Gruppe einmal die Erfahrung gehabt: Als ich einen Chirurgen suchte, bekam ich über 200 Bewerbungen in die Hand und merkte plötzlich, dass ich genau dem gleichen Fehler widerfuhr, den man sonst auch machte. Man sortierte die Mappen erst einmal nach dem Aussehen, schaute sich dann die Bilder an, guckte dann aufs Anschreiben und schaute sich dann hinterher die fachlichen Qualifikationen an.
    Ich glaube, diese Zeiten sind vorbei. Fachliche Qualifikationen kann ich mir tatsächlich über die Dokumentation anschauen. Und wenn man sich anschaut, was in den Schreibwarengeschäften tatsächlich heute alles für Möglichkeiten sind, um Bewerbungsunterlagen aufzuhübschen, und wie gut ich Bilder bekomme, hat dieser Stellenwert eines ersten Eindrucks heute keine Bedeutung mehr.

    Liminski: Würden Sie den jungen Leuten raten, keine schicken dicken Bewerbungsmappen mehr vorzubereiten, alles nur noch elektronisch abzuwickeln?

    Emde: Es elektronisch abzuwickeln hängt natürlich davon ab, inwieweit tatsächlich das Unternehmen das auch anbietet. Auf der anderen Seite die dicke Bewerbungsmappe, muss ich gestehen: ich klappe sie selber auf als Personalberater und schaue mit das Anschreiben an und gucke auf den Inhalt dieses Anschreibens. Darauf kommt es mir an. Die Mappe selber hat dadurch, dass hier kein Unterscheidungsmerkmal da ist, nicht mehr den Sinn, den sie vielleicht vor einigen Jahren hatte, als es schlicht und ergreifend selten war, mit solchen Mappen zu arbeiten.

    Liminski: Wahrscheinlich suchen sich Personalberater auch ihre Informationen woanders. In Deutschland herrscht ja auch ein ausgeprägtes Bewusstsein für Datenschutz. Andererseits geben gerade Jugendliche in Foren wie SchülerVZ oder StudiVZ eine Menge über sich preis und da tauchen dann auch schon mal Bilder von feuchtfröhlichen Partys auf nach dem Motto "ist der digitale Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich völlig ungeniert". Schauen Sie, schauen sich Personalchefs solche sozialen Netzwerke im Vorfeld eigentlich an?

    Emde: Wir schauen sie uns sehr genau an. Wir differenzieren aber auch zwischen Jugendsünden und dem, was wirklich professionelles Statement bedeutet. Bei jungen Bewerbern ist es vollkommen normal, dass der eine oder andere mal ein lustiges Bild, auch vielleicht ein nicht ganz jugendfreies Bild von sich im Netz stehen hat. Das gehört zur Jugend. Das hat keine Bewertung. Das ist nicht nötig.
    Ich habe aber die Möglichkeit – und da bietet das Web mittlerweile sogar eigene Programme an -, wo man über ein einzelnes Programm tatsächlich alle bestehenden Datenbanken scannen kann. Das fängt bei Xing an, geht über StudiVZ und weitere Communities, um Informationen über Menschen zu bekommen, um im Grunde genommen ein virtuelles digitales Bild von diesen Menschen zu erhaschen.

    Liminski: Was würden Sie denn Schülern, Auszubildenden oder Studenten raten, um ihren guten digitalen Ruf zu verbessern, daran zu feilen?

    Emde: Ein Personalberater oder ein Personalchef möchte natürlich eine Lösung für sein Unternehmen finden. Er möchte einen guten Menschen finden, der fachlich kompetent ist. Also macht es Sinn, sich Communities zu suchen, wo man sich fachlich austauschen kann. Es gibt dort einige im Netz, wo Profis, auch Semiprofessionelle sich zu bestimmten Themen austauschen können. Das macht Sinn, hier tatsächlich sein Wissen, sein Interesse zu kommunizieren und sich weniger auf den, sagen wir mal, Studentenplattformen zu tummeln, die dann eher doch die Gefahr beinhalten, ein falsches Bild von einem Menschen zu bekommen.

    Liminski: Es werden ja nun immer noch viele Stellen über Zeitungen, Arbeitsagenturen und so weiter ausgeschrieben. Gehen die wirklich guten Jobs nicht doch über das so genannte Vitamin B an die Frau oder an den Mann?

    Emde: Vitamin B ist heute aus meiner Erfahrung eines der wichtigsten Instrumente, um gute Jobs zu bekommen. Lassen Sie mich einfach die Erfahrung beschreiben, auch die, die ich mit meinen Klienten teile. Eine Suchanzeige in einer Zeitung heute oder im Web hat in der Regel momentan kaum mehr Resonanz. Das heißt, ich bekomme keine guten Kandidaten mehr. Vitamin B gibt mir die Möglichkeit, auf die Menschen zuzugreifen, die Reputation haben, die Kompetenz haben. Gerade als Headhunter habe ich die Möglichkeit, durch das Instrument der Direktansprache auch die anzusprechen, die momentan noch gar nicht auf der Suche sind. Und dann bedarf es halt eben einer guten Information, einer guten Story, warum es Sinn machen kann, einen neuen Karriereschritt zu starten.

    Liminski: Sie sagen, Sie sind Headhunter, Herr Emde. Welche Köpfe jagen Sie denn? Für welche Kandidaten kommen Ihre Dienste in Frage? Wer sind Ihre Kunden? Wer ist denn Ihre Beute?

    Emde: Mittlerweile in der heutigen Zeit nahezu fast jeder. Vor drei, vier Jahren ging es im Wesentlichen um Führungskräfte. In der Regel begann das Headhunting ab einer Gehaltsklasse von 70.-, 80.000 Euro. Mittlerweile beauftragen uns Klienten auch schon da, wo es gerade um Verkaufspositionen geht, also sehr wichtige für das Unternehmen in einem wachsenden Markt - bei Positionen, die bei 40-, 45.000 Euro beginnen.

    Liminski: Was kosten denn Ihre Dienste?

    Emde: Ein Headhunter verdient in der Regel prozentual an dem Bruttoarbeitslohn eines Kandidaten, den er vermittelt. Das ist in einer range zwischen 25 und 30 Prozent des Bruttoarbeitslohnes.

    Liminski: Woran fehlt es denn den heutigen Bewerbern, Herr Emde? Was ist mit der guten Kinderstube? Das liest man immer wieder, die würde fehlen. Was leisten die Familien, was leistet der Staat?

    Emde: Die gute Kinderstube ist tatsächlich eines der Hauptkriterien. Wir schreiben oder wir sprechen hier von den so genannten sozialen Kompetenzen, die dabei eine Rolle spielen. Das heißt, die fachlichen Kompetenzen werden im Vorfeld über Dokumentationen, über Zeugnisse, über Telefon-Interviews abgeprüft und in dem Interview mit dem Personalberater geht es um die soziale Kompetenz. Anhand eines Kompetenzmodells, das entsprechend diese Kompetenzen genau beschreibt, die für den Klienten wichtig sind, bekommt der Klient auch eine Dokumentation über unsere Wahrnehmung aus diesem Gespräch.

    Liminski: Wann, Herr Emde, ist eigentlich alles zu spät? In der Wirtschaft heißt es, ab Mitte 50 braucht man gar nicht erst zu suchen. Aber die Politik redet gerne von den rüstigen erfahrenen Alten.

    Emde: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite haben sie sicherlich den Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften und ihnen bleibt gar nichts anderes übrig, als auf die Kompetenz der Menschen zuzugreifen, die diese Kompetenz besitzen. Interessant ist allerdings, dass ich wahrnehme, dass meine Klienten heute noch eher dem Jugendwahn widerfahren sind. Maximal 20 Prozent sind bereit: ja, ich möchte jemanden einstellen, der über 50 Jahre ist, der bereits diese Erfahrung hat. Für viele spielt das Alter eine große Rolle. Ich glaube heute ist offensichtlich der Engpass junger Ressourcen noch nicht so groß, dass er Schmerzen verursacht, schlicht und ergreifend in den Köpfen wirklich endlich einmal umzudenken.

    Liminski: Der Philosophenkaiser Mark Aurel hat einmal gesagt, "freue dich an den bescheidenen Kenntnissen, die du dir angeeignet hast, und finde an ihnen dein Genügen". Ist das die richtige Empfehlung an diejenigen, die einen festen Arbeitsplatz haben?

    Emde: Im Rahmen der Personalberatung gibt es mittlerweile auch das Instrument des Personal-Controllings. Ein Element des Personal-Controllings beschreibt auch für einen Personalleiter, für einen Unternehmer so genannte Signalelemente, Signalwirkungen, Signalzeichen, die mir beschreiben, ob ich hier einen Kandidaten, einen Mitarbeiter auf einer Position habe, der wechselwillig ist, oder der gegebenenfalls nicht mehr das Potenzial hat, was ich für die Entwicklung und für das Wachstum des Unternehmens brauche.
    Also ich kann nur vor dem, was Mark Aurel sagte, warnen. Stillstand ist in diesem Fall auch ein ganz, ganz wichtiges Kriterium oder eine große Gefahr, auch scheitern zu können innerhalb eines Unternehmens.

    Liminski: Wie das Internet die Bewerbungsverfahren verändert. Neue Herausforderungen an Personal, aber auch an junge Menschen, die auf der Suche nach einer Stelle sind. Das war Marc Emde, Geschäftsführer des Kölner Personalberatungsunternehmens KCP-Executives. Besten Dank für das Gespräch, Herr Emde.

    Emde: Sehr gerne, Herr Liminski.