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"Die haben in der Tat ein fast so einfaches Weltbild wie die CDU"

Vor dem Hintergrund der kritischen Äußerungen der Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth zu den Ostermärschen hat sich Jürgen Trittin dagegen gewandt, Auslandseinsätze der Bundeswehr pauschal abzulehnen. Man müsse jedes Mandat konkret überprüfen. Bundeswehreinsätze führten jedoch nicht generell zu einer Militarisierung der Außenpolitik, wie die Linkspartei behaupte, sagte der Grünen-Politiker.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Herr Trittin, teilen Sie die Kritik von Claudia Roth an der Friedensbewegung?

    Jürgen Trittin: Ich würde nicht mit "der Friedensbewegung" sprechen, aber teile insbesondere die Teile, die der Linkspartei/PDS sehr nahe stehen, die haben in der Tat ein fast so einfaches Weltbild wie die CDU. Die CDU sagt, wer nicht für jeden Auslandseinsatz ist, der ist also gegen unsere Werteordnung, so korrespondiert das mit so einer Lafontainschen Haltung, wer für irgendeinen Auslandseinsatz ist, der ist dann gleich für die Militarisierung der Außenpolitik. Beide Positionen halte ich nicht für intellektuell unbedingt überzeugend.

    Spengler: Was halten Sie denn von folgender Position, ich habe noch ein Zitat: Krieg ist die Höchstform von Terrorismus, und mit der Höchstform von Terrorismus kriegt man den Terrorismus nicht bekämpft? Das stammt von Gregor Gysi.

    Trittin: Das ist ein richtiger Satz, nur das hilft einem in der konkreten Wirklichkeit ganz wenig. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Demnächst steht an die Verlängerung des Mandates für einen UN-Einsatz im Südsudan. Dort hat es über 20 Jahre Krieg gegeben, ich erinnere mich noch, dass ich damals als Landesminister Entwicklungshelfer, die wir in den Südsudan geschickt hatten wegen dieses Bürgerkriegs vor 20 Jahren dort abziehen mussten. Dort gibt es nun seit zwei, drei Jahren ein Waffenstillstandsabkommen. Dieses Waffenstillstandsabkommen wird von den Vereinten Nationen überwacht, damit nicht wieder Krieg dort ausbricht. Die Bundesrepublik Deutschland schickt 75 Offiziere, Militärbeobachter zur Überwachung dieses Waffenstillstandes dort hin. Das ist ein Auslandseinsatz, und dieser Auslandseinsatz dient dazu, ein Wiederausbrechen des Krieges zu verhindern. Deswegen sind die Grünen für diesen Auslandseinsatz. Die Linkspartei ist gegen diesen Auslandseinsatz. Sie ist also, wenn man es ganz gemein zuspitzt, dafür, dass dieses Waffenstillstandsabkommen, die Einhaltung dieses Friedensabkommen nicht mehr überwacht wird, was zur Folge hätte, dass der Krieg dort wieder ausbricht. Und so können Sie eigentlich Mandat für Mandat durchgehen, und sie werden immer wieder zu dem Ergebnis kommen, dass mit so ganz einfachen Formeln auf einer sehr hohen Abstraktionsebene man nicht voran kommt, sondern man sich sehr konkret mit den einzelnen Situationen, verhindert man eine weitere Eskalation von Gewalt oder nicht, auseinandersetzen muss. Das ist der Grund, warum zum Beispiel die Grünen auch sagen, es ist nicht zu früh gewesen, dass zum Beispiel im Libanon die Europäische Union, Italien, übrigens von einer Links-Regierung regiert, vorne weg, aber auch mit deutscher Beteiligung in den Krieg zwischen Libanon und Israel Soldaten hingeschickt hat, um diesen Krieg entsprechend zu beenden.

    Spengler: Können Sie denn verstehen, dass Ostermarschierer sagen, ja gut, es gibt viele Mandate, aber nicht jedes Mandat, dem die Grünen zugestimmt haben, ist erfolgreich?

    Trittin: Da bin ich völlig der Auffassung, dass man das immer genau überprüfen muss. Ich habe mich nur gegen eine pauschalierende Rede von den Auslandseinsätzen gewandt, sondern man muss sehr genau differenzieren, und das ist das, was ich eigentlich von jedem, ob nun Mitglied der Friedensbewegung, Mitglied des Deutschen Bundestages oder sonst abverlange, sich darauf einzulassen, zwischen den unterschiedlichen Ansätzen, den unterschiedlichen Mandaten jeweils zu unterscheiden und dann seine Position konkret zu bestimmen.

    Spengler: Ist für die Grünen Krieg heute eine außenpolitische Option?

    Trittin: Nein, es geht darum, Krieg zu verhindern, und in vielen Fällen wird man Krieg nur verhindern können, das ist tägliches Geschäft der Vereinten Nationen.

    Spengler: Aber im Kosovo gab es Krieg.

    Trittin: Das ist das Interessante. Es gibt immer ein Beispiel, was dafür spricht, dass man sagt, hier hat es eine schwierige Entwicklung gegeben. Der Kosovo hat eine schwierige Entwicklung durchgemacht, daraus hat übrigens auch die damalige Bundesregierung Konsequenzen gezogen, zum Beispiel indem man gesagt hat, wir lassen es in Mazedonien nicht wieder so weit kommen. Dass eine solche Entwicklung nur mit solchen Mitteln verhindert werden kann, da ist frühzeitiger, übrigens völkerrechtlich auf einer sehr soliden Grundlage, in Mazedonien ist man aktiv geworden, auch unter Beteiligung von Soldaten, aber das kann man nicht als Krieg bezeichnen.

    Spengler: Ich will nur darauf hinaus, Herr Trittin: Haben Pazifisten noch Platz in den Grünen?

    Trittin: Ich glaube, dass viele Pazifisten es in unseren Reihen gibt, aber auch die Pazifisten setzen sich der täglichen Schwierigkeit aus, jeden dieser konkreten Zusammenhänge und der konkreten Konflikte tatsächlich zu überprüfen, dazu konkret Position zu beziehen, und sich nicht schlank davon zu machen, nach dem Motto "egal was passiert, Hauptsache ich bin nicht dabei".

    Spengler: Ist nicht ein Unterschied zu früher, dass die Pazifisten, die an der Basis sicher noch vorhanden sind, heute keine Repräsentanten mehr in der Führung haben, wie zum Beispiel früher die streitbare Jutta Ditfurth?

    Trittin: Also ich habe Jutta Ditfurth nie als Pazifistin erlebt. Ich glaube, da tun Sie ihr ein bisschen viel der Ehre an. Deswegen glaube ich, dass auch diese Maßstäbe nichts mehr taugen.

    Spengler: Vielleicht habe ich mich in der Person vertan, aber gibt es denn Repräsentanten, pazifistische Repräsentanten in der Grünenführung?

    Trittin: Ich würde zum Beispiel meinen verteidigungspolitischen Sprecher durchaus als einen äußerst friedensbewegten Menschen bezeichnen, und wer dass Winnie Nachtwei abspricht, ich glaube, der wird ihm nicht gerecht, um es mal so zu sagen.

    Spengler: Nun kommen bald wieder die G8-Proteste. Es sieht wieder so aus, als würde die Linkspartei Ihnen den Rang ablaufen als oberste Protestpartei.

    Trittin: Das glaube ich überhaupt nicht. Wir werden bei den G8-Demonstrationen mit dabei sein. Das scheint einige Leute so aufzuregen, dass sie eine Auseinandersetzung mit den Grünen suchen müssen. Ich glaube, dass man das ganz ruhig bestehen kann, indem man auf die Gemeinsamkeit genau dieser Proteste hinweist. Es geht darum, die G8-Staaten, also die großen Industriestaaten dazu zu bringen, endlich ihrer Verantwortung gegenüber dieser Welt gerecht zu werden, und dazu gehört zum Beispiel, dass diese Staaten die ersten sind, die aktiv werden müssen beim Klimaschutz, dass diese Staaten die ersten sind, die aktiv werden müssen zum Beispiel mit Maßnahmen zur Überwindung der Armut der Welt, dass diese Staaten die ersten sind, die beispielsweise handelsverzerrende Subventionen abzubauen haben. All dies ist ein ganz breiter Konsens derjenigen, die die Entwicklung der Globalisierung kritisch sehen, die der Globalisierung einen ökologischen und sozialen Rahmen geben wollen.

    Spengler: Gysi und Lafontaine von der Linkspartei und auch die Grüne Jugend haben den Demonstrationsaufruf unterschrieben, in dem es heißt, die G8-Staaten seien "Vorreiter einer auf Krieg gestützten Weltordnung". Unterschreiben Sie das auch?

    Trittin: Das ist eine Behauptung, die in dieser Pauschalität nicht zu halten ist. Ich muss darauf verweisen, dass beispielsweise die G8-Staaten Russland, Frankreich und Deutschland diejenigen waren, die heftig dagegen opponiert haben, dass man den Nahen Osten beispielsweise durch eine Politik des Angriffs auf den Irak so destabilisiert, dass man heute in dieser Situation ist, in der man nun mal so ist.

    Spengler: Also Sie unterschreiben das nicht?

    Trittin: Ich sage, diese Aussage in dieser Pauschalität ist einfach falsch, und ich pflege nur Dinge zu unterschreiben, die auch richtig sind oder die ich für richtig halte. Die Behauptung, dass G8 durchweg für Krieg steht, lässt sich sozusagen einst an der jüngeren Geschichte, da muss man nur fünf Jahre zurückdenken, schlicht und ergreifend nicht halten.