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Die Haltung des Bundesrates zu anstehenden zustimmungspflichtigen Gesetzen

    Durak: In dieser Bundestagsdebatte ist es deutlich geworden: nicht alles bekommt die Koalition mit eigener Kraft durch, bei den zustimmungspflichtigen Teilen der Eilgesetze kommt es eben auf die Opposition an. Welche Interessen hat die Opposition, dem unabänderlichen Reformdruck beispielsweise einen Weg ebnen oder wenn auch zähneknirschend aber doch zustimmen und mithelfen oder eben sie blockiert. Und dann sind ja noch die ureigensten Länderinteressen. Vor all dem steht der Bundesrat und dem sitzt zur Zeit Wolfgang Böhmer vor, er ist Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt und gehört der CDU an. Schönen guten Tag, Herr Böhmer.

    Böhmer: Guten Tag, Frau Durak.

    Durak: Sie haben als Bundesratspräsident entweder den Schlüssel in der Hand für diese Gesetze oder Sie können die Hand an die Bremse legen. Was werden Sie tun?

    Böhmer: Da muss ich Sie zunächst mal enttäuschen, der Bundesratspräsident leitet zwar durch die Tagung und achtet auf die Geschäftsordnung, aber ihm obliegt es nicht, auf das Abstimmungsverhältnis direkt Einfluss zu nehmen. Und mit welcher Entscheidung dann auf welche Vorlage reagiert wird, das hängt nicht von dem Bundesratspräsidenten ab. Ich habe also den Schlüssel für Mehrheiten nicht in der Hand.

    Durak: Sie haben es insofern in der Hand als Ministerpräsident eines unionsgeführten Landes. Wie entscheiden Sie sich also?

    Böhmer: Da haben wir ganz deutlich gesagt, wir werden keine Entscheidung treffen, bevor wir nicht den Inhalt der Vorlage kennen, über die entschieden werden soll. Zunächst hören wir davon, dass heute im Bundestag einige Sachen diskutiert werden. Wir kennen noch nicht einmal den Text und wer sich schon festlegt, bevor er den Text kennt, der macht sich verdächtig, dass es ihm nur um parteipolitische Taktik ginge. Wir haben uns vorgenommen, in der Sache zu entscheiden und dann nicht uns nur taktisch zu verhalten. Deswegen muss ich Ihnen ganz deutlich sagen: so lange wir nicht wissen, worüber wir entscheiden sollen, kann ich diese Frage nicht beantworten.

    Durak: Einige Teile aus dem Gesetzespaket zum Arbeitsmarkt sind ja schon bekannt geworden, also das viel zitierte und –diskutierte Hartz-Konzept. Was kommt Ihnen da entgegen?

    Böhmer: Das Hartz-Konzept ist ein Konglomerat von unterschiedlichen Absichten. Da wird die Wertung davon abhängen, wie es dann im Gesetzestext umgesetzt wird und wie eine Absicht tatsächlich realisiert werden soll. Das war wenigstens bis jetzt noch nicht klar und da sind wir schon gespannt, was die Bundesregierung in diese Gesetze hineinschreiben wird. Wir haben immer gesagt, dass das Prinzip 'Fordern und Fördern' ein richtiges ist, aber wie es denn umgesetzt wird, wollen wir erst mal abwarten. Die Tatsache mit den Ich-AGs ist ja nun keine völlig neue Erfindung, aber schließlich ist die sogenannte Scheinselbständigkeit von der jetzigen Bundesregierung nicht nur als Begriff erfunden worden sondern abgeschafft. Wenn das jetzt in der gleichen Weise wiederkommt, kann man darüber reden. Wenn das völlig anders konstruiert sein sollte, kann ich nicht sehen, dass man pauschal zustimmen sollte. Das gleiche sind die Konditionen bei der Arbeitslosenhilfe: da hören wir einige bruchstückhafte Informationen, was kommen könnte. Das ist aber nicht ausreichend, um jetzt schon eine wertende Beurteilung abgeben zu können.

    Durak: Herr Böhmer, all diese Maßnahmen, die Gesetze, ob zum Arbeitsmarkt, zur Gesundheit, zur Rente und so weiter, stehen ja unter dem riesengroßen Spardruck, unter dem die Bundesregierung steht. Nun sagen selbst grüne Finanzexperten, das, was man bisher vereinbart hat, wird nicht ausreichen. Es gibt Meldungen, wonach die Mehrwertsteuer doch ins Gespräch gebracht werden könnte. Da heißt es, die Bundesregierung würde sich erstens einem Ansinnen der unionsgeführten Länder nicht verschließen und zweitens, wenn denn die unionsgeführten Länder im Bundesrat blockieren, dann könnte die Regierung selbst zu diesem Mittel greifen. Also, Herr Böhmer, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, die Mehrwertsteuer käme Ihnen besser entgegen?

    Böhmer: Also Frau Durak, das ist eine große Schlitzohrigkeit! Wenn die Bundesregierung sagte 'wenn die Länder Geld brauchen, dann sollen sie sich mal einen Vorschlag machen, zum Beispiel die Mehrwertsteuer zu erhören', dann darüber nachzudenken, ob man das nicht machen könnte. Dazu braucht man keine Bundesregierung. Es ist Aufgabe der Bundesregierung, dafür Gesetzesvorschläge zu machen und diese danach zur Diskussion zu stellen. So sind bisher alle Steuerreformen gelaufen, aber dies umgedreht einzufädeln, ist im Grunde genommen keine überzeugende Politik. Wir brauchen auch die Länder, alle haben Finanzprobleme, aber wir sagen ganz deutlich: die Probleme der Wirtschaft, die wir haben, dadurch lösen zu wollen, dass wir die Steuern erhöhen, das kann nicht der richtige Weg sein. Wir haben an einigen Stellen Gesprächsbereitschaft signalisiert, das sind die Steuern der großen Kapitalgesellschaften, wo wir immer der Meinung waren, dass die letzte Steuerreform der Bundesregierung fehlerhaft war. Wenn sie dies jetzt auch so sieht und diesen Fehler korrigieren will, werden wir uns mit Sicherheit nicht verschließen. Aber im Grunde genommen uns so eine Art Schwarzen Peter im politischen Geschäft zuzuspielen und zu sagen: dann macht ihr doch mal einen Vorschlag, damit wir mit den Finanzproblemen fertigwerden, das kann nicht die Position einer Bundesregierung sein.

    Durak: Es sind ja nicht nur die Finanzprobleme der Bundesregierung, Herr Böhmer. Wenn die Regierung es anbieten würde, würden Sie einschlagen?

    Böhmer: Alle Steuererhöhungen, die die Wirtschaft belasten, halten wir für falsch. Ich habe bisher immer gesagt, leistungsschädigenden Steuern sollten wir auch dann nicht zustimmen, wenn wir das Geld eigentlich brauchen könnten, weil wir dann letztlich den Ast absägen, auf dem wir sitzen. Und das werden wir nicht tun.

    Durak: Also das Nein aus Magdeburg zur Erhöhung der Mehrwertsteuer?

    Böhmer: Ich sage mal, im Moment habe ich keine Entscheidung zu treffen; aber das ist nicht der Weg, das Problem zu lösen.

    Durak: Dankeschön. Das war Wolfgang Böhmer, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Bundesratspräsident, gehört der CDU an. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Böhmer: Bitteschön, Frau Durak.

    Link: Interview als RealAudio