Verheugen: Guten Morgen!
Lange: Herr Verheugen, Förderung von Demokratie und Menschenrechte, Frieden, Stabilität, Wohlstand, das sind große Worte. Was kann denn dieser Stabilitätspakt tatsächlich leisten?
Verheugen: Er ist zunächst einmal genau das, was der Name sagt. Er ist ein Instrument, um der Region in Europa, aus der seit mehr als 100 Jahren immer wieder Krisen, Konflikte und Kriege entstanden sind, anhaltende Stabilität zu geben und damit die Chance auch zu einer politischen und wirtschaftlichen Entwicklung, die diese Region nach Europa führt, ihr also eine europäische Perspektive bietet. Das ist die Idee der ganzen Sache. Dann ist der Stabilitätspakt zunächst einmal nichts anderes als ein Instrument, ein politischer Prozeß, eine Methode, mit der man diese Ziele erreichen kann. Er muß jetzt ausgefüllt werden mit praktischer Politik und mit den praktischen Instrumenten, die man dazu braucht.
Lange: Der Inhalt entspricht ja weitgehend der einstigen KSZE-Schlußakte und abgesehen von Jugoslawien sind alle Teilnehmerstaaten Mitglieder der OSZE. Hat es denn dieses Paktes wirklich bedurft, oder wäre es nicht auch im Sinne der Aufwertung der OSZE wichtig gewesen, sich explizit darauf zu beziehen?
Verheugen: Die Orientierung an der KSZE ist gewollt gewesen. Die OSZE wird auch in diesem Stabilitätspakt eine große Rolle spielen. Ich glaube doch, daß es notwendig war, für diese Region einen eigenen Prozeß ins Leben zu rufen, und er enthält ja ein Element, das die OSZE nicht bieten kann, sondern für das wir wirklich ein eigenes Instrument brauchen: die Perspektive der europäischen Integration für die Staaten dieser Region. Das ist ja der eigentliche Anreiz und auch die eigentliche Verantwortung für uns in der Europäischen Union.
Lange: Außenminister Fischer hat gesagt, die Länder der Region sollten die Erfolgsgeschichte der europäischen Einigung wiederholen. Wird da nicht die Latte doch etwas arg hochgelegt? Bosnien zeigt doch, daß es schwer genug ist, eine dauerhafte Phase, ich sage mal, des Nichtkrieges hinzubekommen, von Frieden ganz zu schweigen.
Verheugen: Man wird aus Bosnien eine ganze Menge lernen können und lernen müssen. In Bosnien sind ja zweifellos auch Fehler gemacht worden, die man jetzt vermeiden kann bei der Frage, wie wird das Kosovo verwaltet, wie wird das Zusammenleben der Menschen dort organisiert. Ich habe es in der Vergangenheit ja sehr oft kritisiert, daß in Bosnien wir zwar sehr viel Mühe uns gegeben haben in der internationalen Gemeinschaft, die äußeren Bedingungen der Sicherheit zu schaffen durch die Präsenz einer wirklich leistungsfähigen und den Frieden garantierenden Truppe, daß aber das, was innerhalb dieser Bedingungen eigentlich geschaffen werden soll, nämlich der Aufbau einer Zivilgesellschaft und die Stärkung demokratischer Strukturen, eben in Wahrheit arg vernachlässigt worden ist. Diesen Fehler wird man im Kosovo nicht wiederholen dürfen und auch in der gesamten Region nicht. Hier liegt eine Aufgabe, die weit über die Politik hinausreicht. Das ist nicht etwas, was Staaten sozusagen unter sich machen können. Hier sind auch die Zivilgesellschaften im Westen gefordert. Hier müssen Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, andere gesellschaftliche Gruppen auch bei uns ihre Aufgabe übernehmen.
Lange: Aber die Verwirklichung dieser Ziele des Stabilitätspaktes steht und fällt damit, ob und wie schnell sich der Wiederaufbau bewerkstelligen läßt, und das ist ja wohl in erster Linie eine Geldfrage. Nun hört man aus den USA Meinungen, die man grob zusammengefaßt auf den Nenner bringen kann: wir haben den Krieg finanziert, den Wiederaufbau müssen jetzt die Europäer bezahlen. Müssen wir uns auf eine solche Lastenverteilung einstellen?
Verheugen: Das ist noch nicht entschieden. Klar ist von Anfang an gewesen, daß es sich hier um einen Kriegsschauplatz in Europa gehandelt hat, daß es ein europäisches Problem ist und daß es schon ein bißchen merkwürdig wäre zu erwarten, daß die Vereinigten Staaten von Amerika die Hauptlast des Wiederaufbaus tragen. Warum sollten sie das tun. Dafür gibt es weder eine sachliche noch eine moralische noch eine rechtliche Rechtfertigung. Wir erwarten von den USA, daß sie als die führende Macht der Welt, die ein Interesse haben muß an Stabilität in dieser Ecke der Welt, ihren Beitrag leisten, aber daß die Hauptlast auf die Europäische Union zukommt, das haben wir immer gewußt und das hat auch überhaupt keinen Sinn, das zu bestreiten. Ich glaube, daß die Europäische Union auch in der Lage ist, diese Last zu tragen. Im übrigen warne ich sehr davor, jetzt irgendwelche Horrorzahlen in die Welt zu setzen, was die Kosten angeht. Wir werden zunächst einmal genau sehen müssen, was wirklich notwendig ist. Man muß deutlich unterscheiden zwischen zwei Projekten. Das eine ist die rasche Wiederaufbauhilfe, damit das Leben dort normalisiert werden kann und die Menschen sich wieder selber helfen können. Das zweite ist ein wirtschaftlicher Anstoß für die Region, das was der Bundeskanzler vor kurzem einmal einen Marshall-Plan genannt hat. Das sind ja nicht Mittel, die in Form von Zuschüssen einfach irgendwo hingepumpt werden, sondern hier handelt es sich ja vor allen Dingen um Darlehensfinanzierung.
Lange: Aber Sie haben doch auch eine Vorstellung von der Größenordnung, von der man ausgehen muß. Bewegen die sich in dem Bereich, der jetzt immer genannt wird, zwischen 25 und 57 Milliarden Mark?
Verheugen: Ich habe ja ausdrücklich gesagt: ich warne davor, jetzt irgendwelche Zahlen in die Welt zu setzen. Keiner kennt die Bedürfnisse genau. Keiner weiß auch, welche Reserven zum Beispiel die Kosovo-Albaner selber haben, wie weit sie in der Lage sind, sich selbst zu helfen. Es gibt ja einen großen Unterschied zwischen Kosovo und Bosnien. Weshalb das in Bosnien so quählend langsam geht hängt ja schlicht und einfach damit zusammen, daß die drei Ethnien, die dort leben, in Wahrheit nicht zusammenleben wollen. In Bosnien haben wir es ja bei fast über 90 Prozent mit kompakten Siedlungen zu tun, von Kosovo-Albanern bewohnt, so daß hier nicht das Problem auftreten wird, daß zunächst einmal geklärt werden muß, wo gehören die Leute eigentlich hin, wo wollen sie hin, mit wem können sie noch leben. Von daher ist die Aufgabe etwas leichter. Was ich nicht beurteilen kann ist der Zerstörungsgrad, ob der größer ist als in Bosnien oder nicht. Deshalb muß ich mich auch strikt weigern, irgendwelche Zahlen im Augenblick zu nennen. Ich kann nur sagen, es wird teuer. Das haben wir aber immer gewußt, und wer das kritisiert, der wird die Frage beantworten müssen, was mittelfristig teuerer ist: ein Palästinenser-Problem mitten in Europa zu haben, was wir ohne die Lösung dieses Problems mit Garantie bekommen hätten, oder aber dafür zu sorgen, daß die Menschen in ihrer Heimat in Ruhe und Frieden leben können.
Lange: Was passiert mit Serbien? Sie selbst haben erklärt, daß nur ein demokratisiertes Serbien in die Finanzhilfe einbezogen werden soll. Im Klartext: erst muß Milosevic abtreten. Verständliche Position, aber läßt sich das auf Dauer auch politisch durchhalten.
Verheugen: Das muß durchgehalten werden. Wenn wir aus diesem Krieg etwas gelernt haben, dann ja doch wohl das, daß er nicht die Folge eines historischen Unfalls ist, sondern das Ergebnis einer kalkulierten brutalen und im heutigen Europa nicht mehr akzeptablen Politik. Für diesen Krieg gibt es eine unzweideutige politische Verantwortung. Der Stabilitätspakt bekennt sich zu den Werten, die in Europa gelten, zu den Standards in Bezug auf Demokratie und Menschenrechte und will sie stärken und fördern. Er wäre nun geradezu widersinnig, wenn er dazu dienen sollte, ein Regime zu stabilisieren, dem wir das ganze Unheil verdanken. Der Stabilitätspakt ist offen für die Bundesrepublik Jugoslawien. Ja wir wollen sogar, daß die Bundesrepublik so schnell wie möglich dazu kommt. Es muß aber deutlich sein, daß dieses Land sich an die europäischen Normen und Standards hält, und das ist nach meiner festen Überzeugung mit dem jetzigen Regime in Belgrad nicht möglich.
Lange: Aber die Ausklammerung Serbiens begünstigt doch im Grunde diese Wagenburg-Mentalität der Serben und dieses alte Unterlegenheitsgefühl, von dem gerade Milosevic immer profitiert hat. Müßte man da nicht auch Konsequenzen aus den Erfahrungen ziehen, die man im Irak gemacht hat?
Verheugen: Wenn Sie mir bitte die Frage beantworten würden, wie Sie es der deutschen und europäischen Öffentlichkeit erklären wollen, ein Regime Milosevic zu finanzieren, dann wäre ich gerne bereit, darüber zu diskutieren. Solange mir diese Frage niemand beantworten kann, denke ich, ist der Weg, den ich beschrieben habe, schon der bessere. Im übrigen ist Serbien nicht der Irak. Das Land ist nicht isoliert. Die Menschen sind dort nicht so unwissend und können dort nicht so unwissend gehalten werden wie im Irak. Die Parallele ist ja ganz interessant. Auch hier lassen sich ja Lehren ziehen. Zum Beispiel glaube ich nicht, daß es klug wäre, Serbien zu isolieren, sondern es kommt gerade darauf an, das Land zu öffnen, möglichst viele demokratische Einflüsse über Medien und über Kontakte auf das Land einwirken zu lassen.
Lange: Über den Stabilitätspakt für Südosteuropa sprachen wir mit Staatsminister Günter Verheugen vom Auswärtigen Amt. Vielen Dank Herr Verheugen!
Lange: Herr Verheugen, Förderung von Demokratie und Menschenrechte, Frieden, Stabilität, Wohlstand, das sind große Worte. Was kann denn dieser Stabilitätspakt tatsächlich leisten?
Verheugen: Er ist zunächst einmal genau das, was der Name sagt. Er ist ein Instrument, um der Region in Europa, aus der seit mehr als 100 Jahren immer wieder Krisen, Konflikte und Kriege entstanden sind, anhaltende Stabilität zu geben und damit die Chance auch zu einer politischen und wirtschaftlichen Entwicklung, die diese Region nach Europa führt, ihr also eine europäische Perspektive bietet. Das ist die Idee der ganzen Sache. Dann ist der Stabilitätspakt zunächst einmal nichts anderes als ein Instrument, ein politischer Prozeß, eine Methode, mit der man diese Ziele erreichen kann. Er muß jetzt ausgefüllt werden mit praktischer Politik und mit den praktischen Instrumenten, die man dazu braucht.
Lange: Der Inhalt entspricht ja weitgehend der einstigen KSZE-Schlußakte und abgesehen von Jugoslawien sind alle Teilnehmerstaaten Mitglieder der OSZE. Hat es denn dieses Paktes wirklich bedurft, oder wäre es nicht auch im Sinne der Aufwertung der OSZE wichtig gewesen, sich explizit darauf zu beziehen?
Verheugen: Die Orientierung an der KSZE ist gewollt gewesen. Die OSZE wird auch in diesem Stabilitätspakt eine große Rolle spielen. Ich glaube doch, daß es notwendig war, für diese Region einen eigenen Prozeß ins Leben zu rufen, und er enthält ja ein Element, das die OSZE nicht bieten kann, sondern für das wir wirklich ein eigenes Instrument brauchen: die Perspektive der europäischen Integration für die Staaten dieser Region. Das ist ja der eigentliche Anreiz und auch die eigentliche Verantwortung für uns in der Europäischen Union.
Lange: Außenminister Fischer hat gesagt, die Länder der Region sollten die Erfolgsgeschichte der europäischen Einigung wiederholen. Wird da nicht die Latte doch etwas arg hochgelegt? Bosnien zeigt doch, daß es schwer genug ist, eine dauerhafte Phase, ich sage mal, des Nichtkrieges hinzubekommen, von Frieden ganz zu schweigen.
Verheugen: Man wird aus Bosnien eine ganze Menge lernen können und lernen müssen. In Bosnien sind ja zweifellos auch Fehler gemacht worden, die man jetzt vermeiden kann bei der Frage, wie wird das Kosovo verwaltet, wie wird das Zusammenleben der Menschen dort organisiert. Ich habe es in der Vergangenheit ja sehr oft kritisiert, daß in Bosnien wir zwar sehr viel Mühe uns gegeben haben in der internationalen Gemeinschaft, die äußeren Bedingungen der Sicherheit zu schaffen durch die Präsenz einer wirklich leistungsfähigen und den Frieden garantierenden Truppe, daß aber das, was innerhalb dieser Bedingungen eigentlich geschaffen werden soll, nämlich der Aufbau einer Zivilgesellschaft und die Stärkung demokratischer Strukturen, eben in Wahrheit arg vernachlässigt worden ist. Diesen Fehler wird man im Kosovo nicht wiederholen dürfen und auch in der gesamten Region nicht. Hier liegt eine Aufgabe, die weit über die Politik hinausreicht. Das ist nicht etwas, was Staaten sozusagen unter sich machen können. Hier sind auch die Zivilgesellschaften im Westen gefordert. Hier müssen Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, andere gesellschaftliche Gruppen auch bei uns ihre Aufgabe übernehmen.
Lange: Aber die Verwirklichung dieser Ziele des Stabilitätspaktes steht und fällt damit, ob und wie schnell sich der Wiederaufbau bewerkstelligen läßt, und das ist ja wohl in erster Linie eine Geldfrage. Nun hört man aus den USA Meinungen, die man grob zusammengefaßt auf den Nenner bringen kann: wir haben den Krieg finanziert, den Wiederaufbau müssen jetzt die Europäer bezahlen. Müssen wir uns auf eine solche Lastenverteilung einstellen?
Verheugen: Das ist noch nicht entschieden. Klar ist von Anfang an gewesen, daß es sich hier um einen Kriegsschauplatz in Europa gehandelt hat, daß es ein europäisches Problem ist und daß es schon ein bißchen merkwürdig wäre zu erwarten, daß die Vereinigten Staaten von Amerika die Hauptlast des Wiederaufbaus tragen. Warum sollten sie das tun. Dafür gibt es weder eine sachliche noch eine moralische noch eine rechtliche Rechtfertigung. Wir erwarten von den USA, daß sie als die führende Macht der Welt, die ein Interesse haben muß an Stabilität in dieser Ecke der Welt, ihren Beitrag leisten, aber daß die Hauptlast auf die Europäische Union zukommt, das haben wir immer gewußt und das hat auch überhaupt keinen Sinn, das zu bestreiten. Ich glaube, daß die Europäische Union auch in der Lage ist, diese Last zu tragen. Im übrigen warne ich sehr davor, jetzt irgendwelche Horrorzahlen in die Welt zu setzen, was die Kosten angeht. Wir werden zunächst einmal genau sehen müssen, was wirklich notwendig ist. Man muß deutlich unterscheiden zwischen zwei Projekten. Das eine ist die rasche Wiederaufbauhilfe, damit das Leben dort normalisiert werden kann und die Menschen sich wieder selber helfen können. Das zweite ist ein wirtschaftlicher Anstoß für die Region, das was der Bundeskanzler vor kurzem einmal einen Marshall-Plan genannt hat. Das sind ja nicht Mittel, die in Form von Zuschüssen einfach irgendwo hingepumpt werden, sondern hier handelt es sich ja vor allen Dingen um Darlehensfinanzierung.
Lange: Aber Sie haben doch auch eine Vorstellung von der Größenordnung, von der man ausgehen muß. Bewegen die sich in dem Bereich, der jetzt immer genannt wird, zwischen 25 und 57 Milliarden Mark?
Verheugen: Ich habe ja ausdrücklich gesagt: ich warne davor, jetzt irgendwelche Zahlen in die Welt zu setzen. Keiner kennt die Bedürfnisse genau. Keiner weiß auch, welche Reserven zum Beispiel die Kosovo-Albaner selber haben, wie weit sie in der Lage sind, sich selbst zu helfen. Es gibt ja einen großen Unterschied zwischen Kosovo und Bosnien. Weshalb das in Bosnien so quählend langsam geht hängt ja schlicht und einfach damit zusammen, daß die drei Ethnien, die dort leben, in Wahrheit nicht zusammenleben wollen. In Bosnien haben wir es ja bei fast über 90 Prozent mit kompakten Siedlungen zu tun, von Kosovo-Albanern bewohnt, so daß hier nicht das Problem auftreten wird, daß zunächst einmal geklärt werden muß, wo gehören die Leute eigentlich hin, wo wollen sie hin, mit wem können sie noch leben. Von daher ist die Aufgabe etwas leichter. Was ich nicht beurteilen kann ist der Zerstörungsgrad, ob der größer ist als in Bosnien oder nicht. Deshalb muß ich mich auch strikt weigern, irgendwelche Zahlen im Augenblick zu nennen. Ich kann nur sagen, es wird teuer. Das haben wir aber immer gewußt, und wer das kritisiert, der wird die Frage beantworten müssen, was mittelfristig teuerer ist: ein Palästinenser-Problem mitten in Europa zu haben, was wir ohne die Lösung dieses Problems mit Garantie bekommen hätten, oder aber dafür zu sorgen, daß die Menschen in ihrer Heimat in Ruhe und Frieden leben können.
Lange: Was passiert mit Serbien? Sie selbst haben erklärt, daß nur ein demokratisiertes Serbien in die Finanzhilfe einbezogen werden soll. Im Klartext: erst muß Milosevic abtreten. Verständliche Position, aber läßt sich das auf Dauer auch politisch durchhalten.
Verheugen: Das muß durchgehalten werden. Wenn wir aus diesem Krieg etwas gelernt haben, dann ja doch wohl das, daß er nicht die Folge eines historischen Unfalls ist, sondern das Ergebnis einer kalkulierten brutalen und im heutigen Europa nicht mehr akzeptablen Politik. Für diesen Krieg gibt es eine unzweideutige politische Verantwortung. Der Stabilitätspakt bekennt sich zu den Werten, die in Europa gelten, zu den Standards in Bezug auf Demokratie und Menschenrechte und will sie stärken und fördern. Er wäre nun geradezu widersinnig, wenn er dazu dienen sollte, ein Regime zu stabilisieren, dem wir das ganze Unheil verdanken. Der Stabilitätspakt ist offen für die Bundesrepublik Jugoslawien. Ja wir wollen sogar, daß die Bundesrepublik so schnell wie möglich dazu kommt. Es muß aber deutlich sein, daß dieses Land sich an die europäischen Normen und Standards hält, und das ist nach meiner festen Überzeugung mit dem jetzigen Regime in Belgrad nicht möglich.
Lange: Aber die Ausklammerung Serbiens begünstigt doch im Grunde diese Wagenburg-Mentalität der Serben und dieses alte Unterlegenheitsgefühl, von dem gerade Milosevic immer profitiert hat. Müßte man da nicht auch Konsequenzen aus den Erfahrungen ziehen, die man im Irak gemacht hat?
Verheugen: Wenn Sie mir bitte die Frage beantworten würden, wie Sie es der deutschen und europäischen Öffentlichkeit erklären wollen, ein Regime Milosevic zu finanzieren, dann wäre ich gerne bereit, darüber zu diskutieren. Solange mir diese Frage niemand beantworten kann, denke ich, ist der Weg, den ich beschrieben habe, schon der bessere. Im übrigen ist Serbien nicht der Irak. Das Land ist nicht isoliert. Die Menschen sind dort nicht so unwissend und können dort nicht so unwissend gehalten werden wie im Irak. Die Parallele ist ja ganz interessant. Auch hier lassen sich ja Lehren ziehen. Zum Beispiel glaube ich nicht, daß es klug wäre, Serbien zu isolieren, sondern es kommt gerade darauf an, das Land zu öffnen, möglichst viele demokratische Einflüsse über Medien und über Kontakte auf das Land einwirken zu lassen.
Lange: Über den Stabilitätspakt für Südosteuropa sprachen wir mit Staatsminister Günter Verheugen vom Auswärtigen Amt. Vielen Dank Herr Verheugen!