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Die Hip-Hopper Young Fathers
"Wir kritisieren die Regierung Israels – und Antisemitismus"

Das neue Album der Young Fathers ist voller doppelbödiger christlicher Bezüge. 2017 gerieten die drei Briten in die Kritik. Denn mit ihrer Absage auf dem Berliner Pop-Kultur Festival folgten sie einem Aufruf der BDS-Bewegung – um die Politik Israels zu kritisieren, sagten sie jetzt im Dlf.

Young Fathers im Corsogespräch mit Christoph Reimann |
    (v.l.n.r.) Kayus Bankole, Alloysious Massaquoi und G. Hastings
    Hip-Hop mit Bibelmetaphern: die Young Fathers aus Schottland (verstärker / Julia Noni)
    Young Fathers heißt eine Hip-Hop-Combo aus dem schottischen Edinburgh. Die drei Musiker bringen ganz klug Elemente aus verschiedenen Stilen zusammen: Gospel, Rap, Popmelodien – all das findet man auf dem neuen Album "Cocoa Sugar". Aber es lohnt auch, auf die Texte zu achten. Die Young Fathers möchten sich einmischen. "Fee Fi" heißt ein Song auf der neuen Platte, angelehnt an das Märchen "Jack and the Beanstalk", zu deutsch "Hans und die Bohnenranke". Es geht um einen armen Jungen, der eine gewaltige Bohnenranke hinaufklettert. Hoch oben im Himmel angekommen, wird er von einem gefährlichen Riesen erschnüffelt. Letztlich gelingt es dem jungen Protagonisten, etwas vom Schatz des Riesen zu stibitzen.
    Warum haben die Young Fathers diese Geschichte von Macht und Reichtum aufgegriffen? Das habe ich drei Musiker, Graham Hastings, Alloysious Massaqoui und Kayus Bankole im Corsogespräch gefragt. Bankole hat zuerst geantwortet.
    Kayus Bankole: Im Song "Fee Fi" steht der Riese für einen Menschen mit Macht. Die erscheinen uns ja oft größer, als sie eigentlich sind.
    Christoph Reimann: Waren es Politiker, an die Sie bei den Machtmenschen denken mussten?
    Alloysious Massaquoi: Nein. Im Grunde geht es um jeden, der eine Machtposition innehat. Es geht darum, wie wir Macht einsetzen, wie sie sich auf schwächere Menschen auswirkt. Denn meistens ist das doch gerade Menschen mit Macht ganz egal. Warum sollte es sie auch interessieren? Sie haben hart gearbeitet, um dahin zu kommen, wo sie sind, oder sie konnten irgendeinen Vorteil für sich nutzen. Zurzeit interessiert sich ja jeder nur für sich selbst. Das wollten wir mit dem Titel "Fee Fi" ansprechen. Nur kann man an dieser Situation kaum etwas ändern. Das ist unser Gefühl.
    Songs mit verschiedenen Bedeutungsebenen
    Reimann: Sie sprechen in dem Song vom "Sinner Man", also vom Sünder. Natürlich denkt man da sofort an den gleichnamigen Song von Nina Simone, der auf einem afroamerikanischen Gospel beruht. Indem Sie also eine farbige Person einführen, geben Sie dem alten Märchen noch einmal einen neuen Dreh, oder?
    Massaquoi: Ich denke, das richtige Wort in diesem Zusammenhang ist Doppeldeutigkeit. Man kann den Begriff wortwörtlich nehmen und an jemanden denken, der eine Sünde begangen hat, aber eben auch an den Nina-Simone-Song und die Art, wie sie das Wort verstanden hat. Ich finde es wichtig, die Songs mit verschiedenen Bedeutungsebenen anzureichern. Sie verleihen einem Lied mehr Substanz. Es wirkt dann authentischer.
    Reimann: Zusammen mit dem Cover, auf dem ein stereotyper Schwarzer abgebildet ist, der einen Cowboy-Hut trägt, wirkt es so, als sei Hautfarbe das zentrale Thema des Albums.
    Massaquoi: Ich verstehe, was Sie meinen. Aber wir wollen uns da nicht festlegen. Wir fanden einfach, dass das ein starkes Bild war. Wir alle haben unsere Erfahrungen, die wir in die Band einbringen. Zwei Mitglieder unserer Band sind schwarz, die haben noch einmal ganz andere Erfahrungen gesammelt, und das ist eine gute Sache.
    Graham "G" Hastings: Wir haben den ganzen Tag über schon Interviews gegeben, und alle verliefen sie anders. Interessant, dass Sie Hautfarbe für das große Thema halten. Die anderen sehen das komplett anders.
    "Mit Bibelmetaphern lässt sich in wenigen Worten viel sagen"
    Reimann: Andere Journalisten haben wahrscheinlich nach den religiösen Bezügen auf dem Album gefragt.
    Hastings: Genau. Die haben sich darauf bezogen. Wir finden einfach, dass man mit diesen Bibelmetaphern in wenigen Worten viel sagen kann.
    Reimann: Haben Sie dafür ein Beispiel?
    Bankole: Jedes Mal, wenn wir "Lord" sagen.
    Hastings: Nun, es handelt sich nicht unbedingt um echte Bibelverse. Aber es ist schon diese christliche Sprache, die uns unbewusst eingepflanzt wurde, als wir noch zur Schule gegangen sind. Ich bin nicht religiös, für mich hat diese Sprache einen poetischen Wert. Es stecken so viele Bedeutungsebenen in ihr.
    Massaquoi: Hier ist ein Beispiel aus einem alten Song, "Way Down On The Hole": (rappt auf English) Man kann sich einen Pfarrer vorstellen, wie er das sagt, aber wir denken beim Garten Eden eher an die vielen Gesetze, die unsere Gesellschaft hat.
    Reimann: Es könnte aber passieren, dass die Leute Sie missverstehen, eben weil Sie sich nicht festlegen wollen.
    Bankole: Und das ist okay. Das meinen wir, wenn wir sagen, dass alles Interpretationssache ist.
    Reimann: Für Sie ist es also in Ordnung, wenn man sie für überzeugte Christen hält, ähnlich wie Kanye West oder Kendrick Lamar?
    Hastings: Ja, wenn man uns da in eine Reihe stellen will, gerne. Wenn man uns im selben Atemzug wie diese Schwergewichte erwähnt, ist das doch super. Eine Win-win-Situation.
    Mit dem Kirchenchor Konventionen unterwandern
    Reimann: Auch beim Sound ließen Sie sich von der Kirche inspirieren. In vielen Songs hört man einen Gospel-Chor. Wollten Sie es mit christlichen Bezügen auf die Spitze treiben, oder weshalb haben Sie sich für den Chor entschieden?
    Massaquoi: Wir wollen einfach verschiedene Genres reinbringen und mit ihnen spielen. Ich glaube, dieses Call-and-response-Prinzip, das auch auf der Platte zu hören ist, entspricht einfach der menschlichen Natur. Und ein Chor hört sich häufig besser an als eine einzelne Stimme. Durch den Chor wirkt alles größer und epischer. Das hat uns interessiert. Wenn wir diesen Quasi-Kirchenchor dann Dinge singen lassen, die eigentlich nicht zu ihm passen, unterwandern wir gewisse Konventionen. Das macht die Sache interessant für uns.
    Reimann: Ihre Texte sind oft rätselhaft, für Ihre Musik selbst gilt das auch. Was wollen Sie denn mit diesem Album erreichen? Ist es dieses Unterwandern der Eindeutigkeit, oder wollen Sie zum Nachdenken über bestimmte soziale Themen anregen?
    Hastings: Beides, denke ich. Vor allen Dingen wollen wir, dass unser Album gehört wird. Und das reicht uns. Sie können dann daraus mitnehmen, was sie wollen. Wichtig ist, dass sie uns einen Platz in ihrem Leben geschenkt haben, dass sie offen genug waren, überhaupt auf Play zu drücken.
    "Wir kritisieren die Regierung Israels"
    Reimann: Wir müssen noch über das Festival Popkultur im vergangenen Sommer sprechen. Mit dem Berliner Festival war auf einmal die BDS-Bewegung sehr präsent in Deutschland, also eine gesichtslose Gruppierung, die zum Boykott Israels aufruft. Die israelische Botschaft hatte das Festival mit ein paar 100 Euro unterstützt, um die Reisekosten einer Künstlerin zu finanzieren. Als Sie das erfahren haben, sagten Sie Ihren Auftritt ab. Dafür wurden Sie hier in Deutschland stark kritisiert. Was waren Ihre Beweggründe?
    Hastings: Wir haben uns damit nicht gegen die Künstlerin gerichtet, die von der Botschaft unterstützt wurde. Es ging uns auch nicht um die Höhe des Zuschusses. Womit wir nicht einverstanden sind, ist die Art und Weise, wie sich die israelische Regierung darzustellen versucht. Wir haben das Gefühl, dass sie sich an Kulturveranstaltungen beteiligt, um darüber ihren Umgang mit Palästinensern zu übertünchen. Mit unserer Konzertabsage und der Unterstützung des Boykotts wollen wir zeigen, dass wir der Regierung kritisch gegenüberstehen. Es ist uns aber wichtig zu sagen, dass sich diese Kritik nicht gegen eine Religion oder gegen die Bevölkerung dort richtet. Wir kritisieren die Regierung.
    Reimann: Warum der Weg des Boykotts?
    Graham: Weshalb sich ein Boykott in dieser Situation richtig anfühlte? Nun, diese Bewegung gibt es eben schon, und die Palästinenser haben uns dazu aufgerufen. Es fühlte sich nach dem einzig richtigen Weg an. Die Festivalmacher haben ja davon gesprochen, dass man eine Diskussion starten sollte.
    Reimann: Ja, das hätten Sie tun können.
    Hastings: Ich denke, das haben wir. Allein die Tatsache, dass wir jetzt hier sitzen und darüber sprechen, heißt doch, dass wir zu einem Dialog bereit sind. Indem wir vor Ort weder gespielt noch gesprochen haben, haben wir einen weitaus größeren Dialog angeregt.
    Massaquoi: Uns fällt auf, dass bei Kulturveranstaltungen oft bestimmte Schlagworte fallen, "Dialog" ist eines davon. Aber wo hätte dieser Dialog stattgefunden? Direkt beim Festival? In einem Zelt? Gibt es da Panels? Wollen die Leute wirklich diskutieren oder damit nur ihre Veranstaltung verkaufen? Das war uns nicht klar.
    Reimann: Würden Sie sich als Unterstützer der BDS-Kampagne bezeichnen?
    Bankole: Wir unterstützen den Boykott. Es handelt sich bei der BDS-Bewegung nicht um eine Gruppe, der man sich anschließt. Es geht um die Handlungen, die man trifft. Wir kritisieren die Regierung Israels. Wir kritisieren aber auch Menschen, die sich antisemitisch äußern. Antisemitismus unterstützen wir nicht im Geringsten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.