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"Die Idee ist in gewisser Weise eine Selbstverständlichkeit"

Der mögliche SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat ein Arbeitspapier zur Bankenregulierung vorgelegt, in dem er einen separaten Banken-Rettungsschirm fordert. Dies sei zwar keine neue Idee, aber es sei richtig, sie als Thema des Bundestagswahlkampfs in die Öffentlichkeit zu tragen, meint Rudolf Hickel, lange Jahre Finanzwissenschaftler an der Universität Bremen.

Rudolf Hickel im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Jedes Jahr veranstaltet der Bundesverband der Deutschen Industrie, BDI, in Berlin eine Konferenz. Dort können sich Verbandsvertreter, Unternehmer und Politiker über Stand und Perspektiven der Wirtschaftspolitik austauschen. Auch in diesem Jahr steht einmal mehr der Stand der Eurokrise auf der Agenda, wie sollte es anders sein. Für den Verband ist es jedenfalls eine Gelegenheit, um einmal Klartext zu reden, und zum Auftakt sprach dann auch BDI-Präsident Keitel.

    Das Thema-Euro-Rettung beschäftigt heute auch die SPD, allerdings mit einer anderen Fassette. Der frühere Finanzminister und mögliche Kanzlerkandidat Peer Steinbrück stellt seiner Bundestagsfraktion ein SPD, Steinbrück und die Banken (MP3-Audio) Konzept vor, wie er die Finanzwelt künftig besser regulieren will, um künftigen Krisen entgegenzuwirken.

    Am Telefon ist nun Rudolf Hickel, lange Jahre war er Finanzwissenschaftler an der Universität Bremen. Guten Tag, Herr Hickel.

    Rudolf Hickel: Guten Tag, Frau Engels.

    Engels: Beginnen wir doch mit dem, was wir gerade gehört haben im Beitrag rund um den Vorschlag, den Peer Steinbrück da für die SPD in Sachen Finanzmarktregulierung machen will. Gefällt Ihnen die Idee, die Banken aufzuspalten in das Kundengeschäft und das Investmentbanking?

    Hickel: Ich finde vor allem richtig, dass dies ein Thema wird des Bundestagswahlkampfs. Wir wissen, dass unter der Finanzmarktkrise große Systemrisiken entstanden sind und dass wir die Lehren daraus ziehen müssen, und die Vorschläge, die jetzt Steinbrück macht, die ja nicht so ganz unbekannt sind, die sind wirklich geeignet, wirklich im Wahlkampf auch in der breiten Bevölkerung eine Auseinandersetzung dazu zu führen. Ich selber habe mein Buch ja genannt "Zerschlagt die Banken", da sind genau solche Ideen mit drin. Ich muss übrigens sagen, dass das übrigens gar nicht mehr so aktuell ist beziehungsweise Novität hat, wenn ich daran denke, dass der Vorstandsvorsitzende der Rückversicherung in München auch diese Zerschlagung gefordert hat.

    Es geht darum, im Kern nicht das ganze Bankensystem abzuschaffen, sondern, so wie ich das formuliert habe, das Bankensystem wieder zu bändigen, so sagt Steinbrück, und ich sage, zurückzuführen auf seine dienende Funktion. Und dass die Spekulationsgeschäfte, die beispielsweise die Deutsche Bank im Rahmen ihres Investmentbankings macht, ohne Kundenauftrag, mit hohen Risiken, dass die Risiken künftig nicht mehr übertragen werden können, wenn es schief geht an die anderen Kunden im Geschäftsbankgeschäft, das ist doch eine völlig vernünftige Idee. Ich kann nur daran erinnern, dass interessanterweise eine Kommission des Präsidenten in England, in Großbritannien, genau auch diese Vorschläge macht. Man muss die im Detail durchdiskutieren.

    Ich finde, ein zweites muss hinzukommen, da habe ich jetzt bisher zu wenig gehört von Steinbrück: Wir müssen auch überprüfen, welche Finanzmarktinstrumente wir bändigen wollen, welche wir auch abschaffen wollen, weil sie im Grunde genommen in der Krise als Brandbeschleuniger genutzt wurden. Aber über die Produkte selbst müssen wir auch reden.

    Engels: Aber zwei Gegenargumente gibt es von Seiten der Banken. Zum einen sagen sie, auch die Geschäftskunden wollen zum Teil in Finanzprodukte investieren, die im Investmentbereich liegen, das dürfe man nicht unterbinden. Und zum zweiten heißt es, ein Bereich könne dann den anderen stützen, wenn es in einem mal schlecht liefe, und würde der Bank helfen.

    Hickel: Aber genau das ist ja die Erfahrung, dass wir hier eine Trennung haben, eine Auseinanderentwicklung. Dass die normale Geschäftskundenarbeit, dass die natürlich auch hohe Risiken hat, beispielsweise wenn Kredite vergeben werden, die mit hohen Risiken ausgestattet sind, das ist doch völlig klar. Wir haben da immer auch ein Risikomanagement in den normalen Geschäftsfeldern. Da sind die deutschen Banken ja auch recht gut. Aber auf der anderen Seite ist durch das spekulative Investmentbanking – ich rede nicht jetzt von anderen Bereichen des Investmentbankings, beispielsweise die Möglichkeit oder die Aufgabe, Unternehmen an die Börse zu führen; das gehört ja auch zum Investmentbanking -, darüber rede ich nicht, sondern ich rede über reine Spekulationsinstrumente.

    Beispielsweise wenn die Deutsche Bank ein Produkt entwickelt mit Zinsdifferenzen und das den Kommunen anbietet, wo nachher Gerichte, deutsche Gerichte sagen, das Produkt sei unsauber, sei unfair, sei nicht transparent, dann ist doch klar, dass es richtig ist, diesen Bereich, diesen exzessiven Bereich einzuschränken. Ich glaube, das ist übrigens auch ganz gut für die dauerhafte Stabilität der deutschen Banken, übrigens auch der Deutschen Bank selber.

    Engels: Die SPD beziehungsweise Peer Steinbrück bringt die Idee hinzu, dass die Banken in eine Art eigenen ESM, einen eigenen Rettungsschirm einzahlen sollen, um sich europaweit künftig mittelfristig besser gegen Krisen abzusichern. Das trifft bestimmt auch auf Ihre Zustimmung?

    Hickel: Ja das überrascht mich als allererstes. Ich glaube, dass in beiden Kommentierungen, von Herrn Schneider und auch von Herrn Steinbrück, vergessen worden ist, das gebietet sozusagen jetzt die Wahrhaftigkeit. Wir haben ja in Deutschland ein Restrukturierungsgesetz, das gar nicht so schlecht ist. Das ist gemacht worden vor allem nach der Hypo Real Estate Krise. Da ist es möglich, dass künftig man etwa die Soffin, die zuständige Behörde, direkt eingreifen kann in die Geschäftspraxis, übrigens auch in gewisser Weise die Aktionäre, um zu einer Lösung zu kommen, enteignen kann.

    Wir haben auf der anderen Seite einen Restrukturierungsfonds, der ist angelegt auf irgendwie 70 Milliarden. Also die Idee ist richtig, und die Idee wird ja auch verfolgt von der Europäischen Union. Michel Barnier hat ja in seinem Papier, das ich übrigens ganz gut finde, nämlich einer grundlegenden Bankenaufsicht im Rahmen des Euro-Landes, die wir dringend brauchen, die auch vor allem Einlagenschutz bedeutet, vorgeschlagen einen solchen Restrukturierungsfonds.

    Also die Idee ist in gewisser Weise eine Selbstverständlichkeit. Mich überrascht nur, dass sie jetzt mit so großem Neuigkeitswert angepriesen wird. Wir brauchen das. Das ist die Idee, dass künftig die Banken einen Fonds gründen und dass, wenn sie Pleite gehen, wenn sie in die Insolvenz gehen, die Folgen der Insolvenz nicht abgewälzt werden auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, sondern dass dies im Bankensystem selber finanziert wird. Das ist aber eine Idee, die steht auch schon im deutschen Gesetz.

    Engels: Aber, Herr Hickel, ist das nicht Wunschdenken? Auf der einen Seite sollen die Banken einzahlen, auf der anderen Seite sollen sie aufgespalten werden, und das, wo viele Banken schon jetzt Probleme haben, ihre Liquidität überhaupt zu halten. Fordern Sie da nicht zu viel?

    Hickel: Das glaube ich nicht, dass wir zu viel fordern, weil das schafft ja den Anreiz, das ist der Sinn des Fonds. Der hat ja eine ganz bestimmte Anreizwirkung, nämlich den Banken künftig zu signalisieren – das hat Herr Schneider von der SPD zurecht ausgeführt -, passt mal auf: Wenn es schief geht, dann sind wir nicht mehr bereit, vom Staat euch zu retten, dann müsst ihr das insgesamt selber vornehmen. Das hat eine gewisse positive Anreizfunktion.

    Und ich muss mal sagen, die Realität sieht ja auch schon ganz anders aus. Wenn wir sehen, dass beispielsweise die Deutsche Bank derzeit ihr Kapitalrenditeziel von 25 Prozent zurückgeschraubt hat auf 15 Prozent, eine vernünftige Aktion, wenn wir andererseits sehen, dass im Investmentbanking massiver Abbau stattfindet, dann ist das auch eine richtige Korrektur gegenüber dem, was vorab als Krise ausgelöst worden ist.

    Engels: Rudolf Hickel, lange Jahre Finanzwissenschaftler an der Universität Bremen. Vielen Dank für dieses Gespräch.


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