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"Die Industrie ist Teil der Lösung"

Die deutsche Industrie setze sich für verbindliche und überprüfbare Regelungen zum Klimaschutz ein, sagt Werner Schnappauf, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Industrie. Entscheidend sei aber, dass ein weltweit verbindliches Abkommen zustande komme.

Werner Schnappauf im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: 15.000 Teilnehmer aus über 190 Ländern, Kopenhagen ist der bislang größte UN-Gipfel aller Zeiten. Nicht nur Politiker und Forscher sind in die dänische Hauptstadt gereist, auch die Industrie zeigt Flagge. Aus Deutschland hat eine ganze Reihe von DAX-Vorständen ihr Kommen angesagt. Während manche das große Geschäft mit der grünen Technologie wittern, sorgen sich andere um den Standort Deutschland. Strenge Klimaauflagen im Alleingang sind ein Wettbewerbsnachteil im globalen Markt, so die deutliche Warnung im Vorfeld. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat genaue Vorstellungen, was unter dem Strich in Kopenhagen erreicht werden soll. Und nun wie angekündigt am Telefon der BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf, früher Umweltminister im Freistaat Bayern. Guten Morgen, Herr Schnappauf.

    Werner Schnappauf: Guten Morgen!

    Heinlein: Panikmache oder Bedrohung? Glauben Sie eigentlich an den Klimawandel?

    Schnappauf: Die deutsche Industrie stellt sich auf den Boden der wissenschaftlich ermittelten Tatsachen. Das heißt, für uns sind genauso wie für die Politik die Erkenntnisse maßgebend, die IPCC, also dieses International Panel on Climate Change, ermittelt hat. Die Entscheidung muss die Politik treffen, das ist der Primat der Politik, aber die Basis ist die Wissenschaft und die Wirtschaft, die Industrie ist Teil der Lösung, denn gerade die deutsche Industrie hat die Technologien, die dazu helfen können, den Klimawandel, die Erwärmung zu begrenzen.

    Heinlein: Welchen Teil der Lösung können Sie denn aktuell anbieten?

    Schnappauf: Die deutsche Industrie ist weltweit führend beim Anbieten von klimaschonenden Technologien. Wenn Sie sehen, dass wir etwa ein Prozent der Weltbevölkerung haben, zehn Prozent des Welthandels stellen, aber bei den grünen Technologien 16 Prozent des Welthandels stellen, dann macht das deutlich, wie engagiert, wie fortschrittlich die deutsche Industrie ist. Maßgeblich und ganz entscheidend ist für uns - und darauf drängen wir mit aller Kraft -, dass es in Kopenhagen ein verbindliches Abkommen gibt, denn nur wenn es ein Abkommen gibt, was die Industrieländer, aber auch die Schwellenländer und letztlich auch die Entwicklungsländer einbindet und für alle letzten Endes den Weg zur Begrenzung der Klimagase aufzeigt und verbindlich macht, nur dann ist der Rahmen gesetzt und nur dann werden wir mit unseren Technologien auch die entsprechenden Märkte finden.

    Heinlein: Also die grüne Technologie ein deutscher Exportschlager. Dann müssen Sie ja eigentlich die Daumen drücken, dass es in Kopenhagen zu möglichst strengen Auflagen für die Industrie, für die Unternehmen kommen wird?

    Schnappauf: Wir setzen uns ein für verbindliche und überprüfbare Regelungen. Das heißt, wir wollen ein Abkommen, in dem es geregelt ist, und nicht ein Abkommen, das jetzt zum Beispiel nur Europa binden würde. Das macht keinen Sinn. Die deutschen Emissionen sind weltweit etwa drei Prozent der CO2-Emissionen, die europäischen 15 Prozent, aber beim Klimaschutz haben wir es mit dem Phänomen zu tun und zum ersten Mal mit dem Phänomen in der Welt zu tun, dass es völlig egal ist, wo eine Quelle für CO2 steht. Letzten Endes werden die CO2-Emissionen in der weltweiten Atmosphäre abgelagert. Deshalb brauchen wir ein "level playing field", wie es auf Englisch heißt, also ein Spielfeld, das gleichermaßen für alle gilt, denn es zeigt sich am Beispiel von Aluminiumhütten, dass es überhaupt keinen Sinn macht, wenn wir in Deutschland oder Europa mit allerstrengsten Vorgaben vorauseilen würden, mit der Folge, dass die Arbeitsplätze hier verloren gehen, aber die Aluminiumhütten in anderen Teilen der Erde dann Standortbedingungen finden, um wie bisher weiterzuproduzieren. Das entscheidende ist ein verbindliches Abkommen, das für die ganze Welt gilt.

    Heinlein: Aber dennoch, Herr Schnappauf, ist es langfristig nicht teuerer, nichts zu unternehmen, auch wenn die anderen nicht sofort mitmachen?

    Schnappauf: Wir sind in den letzten Jahren vorausgeeilt in Deutschland, auch in Europa. Das hat teilweise zu tun mit der Verantwortung, dass wir als eine der frühest industrialisierten Regionen der Erde auch zeigen, dass wir mit unseren Technologien ein klimaschonendes Verhalten möglich machen, eine klimaschonende Produktion möglich machen, aber es macht überhaupt keinen Sinn, allein vorauszueilen, wenn niemand folgt. Deshalb hat die USA eine Schlüsselfunktion. Wenn die USA sich bewegen, dann kommt insgesamt Bewegung ins Spiel. Dann wird auch der weltgrößte Emittent China eher bereit sein, mitzumachen als ein Schwellenland, wenn die USA als ein großes Industrieland wie bisher geschehen auf der Bremse war. Deshalb setzen wir sehr darauf und fordern auch, dass die Vereinigten Staaten hier ihren Beitrag, auch ihren Vorbildbeitrag mit einbringen.

    Heinlein: Herr Schnappauf, Sie kennen beide Seiten, die Interessen der Politik als ehemaliger Umweltminister und die Interessen der Industrie. Wie arbeiten denn aktuell Politik und Wirtschaft in dieser Frage Klimaschutz miteinander, oder ist das eher ein schwieriges Verhältnis? Was sind Ihre Erfahrungen von beiden Seiten?

    Schnappauf: Ich denke, dass dieser ehemalige Widerspruch zwischen Ökonomie und Ökologie, zwischen Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz im Grunde vorbei ist. Es sind zwei Seiten ein und der gleichen Medaille und wir als deutsche Industrie, wir wollen, dass Klimaschutz und Wachstum, Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit miteinander verbunden werden. Deshalb macht auch letzten Endes nur ein Klimaschutz Sinn, der Voraussetzungen schafft für Wachstum, der Voraussetzungen schafft für Wettbewerbsfähigkeit umweltschonender Technologien, der auch einen vernünftigen Übergang in die low carbon economy sicherstellt. Es macht überhaupt keinen Sinn, wenn wir jetzt mit überzogenen Regularien in Teilen der Welt hier Industrie, Wirtschaft kaputt machen würden und in anderen Teilen der Welt würde Business as usual weitergeführt werden. Das heißt, wir brauchen vernünftige Regeln global, und deshalb setzen wir uns ein für ein starkes Klimaschutzabkommen, das auch die Vorleistungen Deutschlands, Europas berücksichtigt, denn wir haben schließlich seit 1990 unsere CO2-Emissionen in Deutschland um rund 23 Prozent schon erniedrigt, und zwar nicht nur durch den Zusammenbruch der Wirtschaft in der damaligen DDR, sondern durch ganz konkrete Leistungen gerade aus dem Bereich der Industrie, und es kann und darf nicht sein, dass derjenige, der mit gutem Beispiel vorangeht, am Ende der begossene Pudel ist, so dass wir also eine Regelung wollen, die alle mitnimmt und die für Wirtschaft und Klima, für Umwelt und Ökonomie einen Rahmen setzt, der uns hineinführt in eine neue Zeit einer "low carbon society".

    Heinlein: Also, Herr Schnappauf, die deutsche Industrie macht gerne mit, aber nur, wenn es ein gutes Geschäft ist und sie eben nicht begossener Pudel sind, weil zu strenge Auflagen einseitig für Deutschland oder Europa dann ein Wettbewerbsnachteil ist? Habe ich Sie da richtig zusammengefasst?

    Schnappauf: Die deutsche Industrie macht im Klimaschutz gerne mit, geht auch gerne mit gutem Beispiel, mit neuen Technologien voran, aber es kann dem Klimaschutz nur geholfen werden, wenn er global ausgestaltet ist, weil allein ein Beitrag Deutschlands oder allein ein Beitrag Europas das Problem überhaupt nicht lösen würde. Wenn wir CO2 sparen und zum Beispiel aus China, zum Beispiel aus den USA mehr CO2 als zuvor freigesetzt wird, dann wird unsere Einsparleistung kompensiert. Das bringt weder dem Klimaschutz etwas, noch dem Industriestandort Europa. Hier gehen Jobs verloren, anderswo wird "Business as usual" weitergemacht. Deshalb ist Klimaschutz eine weltweite Herausforderung und die gilt es jetzt durch die Politik in Kopenhagen auch weltweit zu regeln.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören, Herr Schnappauf.

    Schnappauf: Bitte sehr. Auf Wiederhören!