Freitag, 26. April 2024

06. Mai 2023
Die internationale Presseschau

Viele Zeitungen kommentieren die Krönung von Charles III. und befassen sich mit der Frage, ob die Monarchie in Großbritannien noch eine Zukunft hat. Weiteres Thema ist die Ankündigung des Chefs der russischen Söldnergruppe, Wagner, seine Kämpfer aus der ukrainischen Stadt Bachmut abzuziehen.

06.05.2023
Flaggen mit dem Union Jack, dem Symbol Großbritanniens und einem Porträt des neuen englischen Königs Charles III.
Flaggen aus Anlass der Krönung von König Charles III. zum Verkauf (IMAGO / ZUMA Wire / Vuk Valcic)
Die britische TIMES weist auf den Wandel in Großbritannien hin: "Seit der letzten Krönung in Westminster Abbey vor fast 70 Jahren hat sich viel verändert. Großbritannien - das einzige europäische Land, das diese Zeremonie beibehalten hat - hat sich völlig gewandelt: Sein Empire ist verschwunden, sein Wohlstand ist unermesslich gestiegen, seine Gesellschaft hat Ehrerbietung und klassenbedingte Verkrustungen überwunden. Die ethnische Zusammensetzung Großbritanniens umfasst heute Millionen von Muslimen, Hindus, Sikhs und Menschen aus Afrika und der Karibik. Ohnehin wird sich das Königreich von Charles III. wahrscheinlich erheblich verkleinern. Australien, Neuseeland, Kanada und die meisten Karibikinseln haben angedeutet, dass diese Verbindung wohl bald gelöst und Republiken gegründet werden. Dort ist der britische Monarch noch immer das Staatsoberhaupt", analysiert die Londoner TIMES.
Die chinesische JIEFANG RIBAO konstatiert: "Seit Tagen ist die britische Hauptstadt London in Feierlaune. Offenbar ist der neue König doch recht beliebt in der Bevölkerung. Die Zeremonie wird nach der Jahrtausende langen Tradition des Könighauses abgehalten mit dem ganzen Pomp. Laut Umfragen ist das Ansehen des 73-jährigen Thronfolgers seit der offiziellen Amtsübernahme im September 2022 ständig gestiegen. Doch die Öffentlichkeit interessiert sich ebenfalls dafür, ob das Königshaus unter dem neuen Herrn weiterhin ein Stabilitätssymbol für die Nation sein kann", unterstreicht JIEFANG RIBAO aus Shanghai.
Charles' Aufgabe muss es auch sein, einiges zurechtzurücken, schreibt die KLEINE ZEITUNG aus Klagenfurt in Österreich: "Die royale Rolle in der Geschichte der kolonialen Sklaverei ist fragwürdig. Das Commonwealth wurde porös und zeigt Abstoßungsreaktionen. Vor allem aber gilt es, dem europäischen Kontinent praktisch klarzumachen, dass auch Post-Brexit-Großbritannien noch ein Teil Europas ist. Dass der König auch Michelle O’Neill, Erste Ministerin von Nordirland und Sinn-Feín-Politikerin, einlud und sie nach London kam, ist ein wichtiges Signal."
Die kanadische Zeitung THE GLOBE AND MAIL aus Ontario hält fest: "König Charles wird sicherlich mit einigen Krisen und Herausforderungen konfrontiert und sowohl Medien als auch Kritiker und Unterstützer werden aufmerksam verfolgen, wie er damit umgehen wird. Es gibt mehr als genug Beweise, dass Charles die neuen Aufgaben gut bewältigen wird. Charles ist ein intelligenter, großzügiger und großherziger Mensch, diese Eigenschaften werden dem König besser nützen als eine diamantbesetzte Krone oder ein goldener Reichsapfel."
Die brasilianische Zeitung O GLOBO weist auf die großen Herausforderungen für Charles hin: "Großbritannien kämpft mit den verheerenden Brexit-Folgen, die Wirtschaftsleistung gehr zurück. Charles steht nun dem am meisten gefeierten Königshaus der Welt voran – aber er hat keine großen Machtbefugnisse, und das Land steckt in der Krise. Er hat nicht so viel Zeit wie seine Mutter, um die Dinge in Angriff zu nehmen. Heute mag er Glanz und Gloria erleben, aber schon bald wird es nicht mehr viel zu feiern geben", prophezeit O GLOBO aus Rio de Janeiro.
Die norwegische Zeitung VERDENS GANG notiert: "Es ist lange her, dass Großbritannien die führende Weltmacht war und über dem Imperium die Sonne nie unterging. Aber etwas ist geblieben: Die Briten sind Weltmeister darin, Traditionen und Rituale zu bewahren. In Großbritannien herrscht Krisenstimmung. Die Armut nimmt zu. Wie kann sich ein Land in einer solchen wirtschaftlichen Lage so teure Feierlichkeiten leisten?" fragt VERDENS GANG aus Oslo.
Die polnische RZECZPOSPOLITA rechnet vor, dass die heutige Zeremonie 100 Millionen Pfund gekostet hat: "Das Spektakel wäre gar nicht nötig: Charles ist bereits seit dem 8. September vergangenen Jahres König, eine Krönungszeremonie ist dafür nicht zwingend notwendig. Spanien, neben den Briten die bedeutendste Monarchie Europas, erlebte 1555 zum letzten Mal ähnliche Feierlichkeiten. Die Königsfamilien von Schweden, Dänemark und Norwegen entschieden 1906, auf ein solches Spektakel zu verzichten. Doch Charles will zeigen, dass er in einer anderen Liga spielt, in einer über eintausend Jahre alten", betont die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die französische Zeitung LIBERATION weist darauf hin, dass die Monarchie für England auch aus finanziellen Gründen durchaus lohnenswert ist: "Als Herrscher von 15 Staaten ist Charles III. für Millionen von Touristen, die sich vor dem Buckingham Palace drängen, eine Quelle der Faszination, die nicht versiegt, während alle anderen Symbole der Macht des Vereinigten Königreichs längst verschwunden sind. Charles III. ist nicht nur ein König, sondern eine globale Marke. Wer in dem weltweiten Ereignis der Krönung nur veraltete Folklore sieht, tut gut daran, sich diese Zahlen anzusehen: Der Nettobeitrag der Königsfamilie zum Tourismus beträgt nach Angaben des britischen Finanzministeriums jährlich rumgerechnet 1,9 Milliarden Euro. Die Krönungszeremonie ist also eine sehr vernünftige und sicherlich farbenfrohe Investition", argumentiert LIBERATION aus Paris.
Nun in die Ukraine. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG sieht die Ankündigung des Chefs der Wagner-Truppen, Prigoschin, skeptisch, sich aus Bachmut zurückzuziehen: "Unklar bleibt, ob Prigoschin seine Drohung wirklich wahrmachen will – oder ob es sich dabei um einen weiteren Erpressungsversuch gegenüber der Militärführung handelt, um die Kampfkraft seiner Truppe zu erhalten. Nicht zuletzt könnten die kolportierten Rückzugspläne auch eine Finte sein, um den Ukrainern Schwäche vorzugaukeln. Dies ist eher unwahrscheinlich – die Lage der Wagner-Truppen in Bachmut scheint tatsächlich prekär zu sein. Welche militärischen Konsequenzen ein Rückzug hätte, ist ebenfalls offen. Tatsache ist, dass es in erster Linie Prigoschins Kämpfer waren, die in den letzten Monaten des Krieges größere Geländegewinne erzielen konnten, während die regulären Einheiten der russischen Armee weitgehend erfolglos blieben", erläutert die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN notiert: "Prigoschin kann sich solch ein Benehmen erlauben, weil er glaubt, dass Präsident Putin dies verzeiht. Auch in der Vergangenheit haben Wagner-Söldner in Syrien oder Afrika Drecksarbeiten übernommen. Allerdings sind Paramilitärs in Russland illegale Organisationen. Sie sollten besser im Hintergrund agieren. Diese öffentliche Kritik am russischen Militär dürfte deshalb auch Putin nicht gefallen haben. Prigoschin scheint sich langsam zu einem Ungeheuer verwandeln, das völlig außer Rand und Band ist", glaubt ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
In der türkischen Zeitung EKONOMI aus Istanbul ist zu lesen: "Im Krieg gegen die Ukraine läuft es für Moskau derzeit nicht so gut. Ein konkreter Beweis dafür ist die Rebellion des Chefs der Wagner-Söldner, Prigoschin. Dieser kritisiert scharf die russische Armeeführung wegen fehlender Munition. Weil Verteidigungsminister Shoigu und Armeechef Gerassimow die Schlüsselfiguren des Putin-Kabinetts sind, wäre es nicht falsch zu behaupten, dass innerhalb des Kremls ein Machtkampf stattfindet."
Abschließend ein Blick in die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER: "Prigoschins Drohungen sind nicht neu. Bemerkenswert ist, dass er mit dieser Kritik durchkommt. Das bedeutet entweder, dass der Kreml Angst vor ihm hat oder ihn gewähren lässt: Selbst Putin hat es nie gewagt, Prigoschin zu kritisieren. Was Putin betrifft, wagen es nicht einmal seine Untergebenen, ihn über Misserfolge auf dem Schlachtfeld zu informieren. Es ist aber schwierig, Krieg zu führen, wenn man nicht offen mit dem Chef sprechen kann. Hinzu kommt die Schwächung der Armee durch die weit verbreitete Korruption", hebt DAGENS NYHETER aus Stockholm hervor.