Donnerstag, 02. Mai 2024

11. März 2024
Die internationale Presseschau

Mit Kommentaren zu den Äußerungen des Papstes über den Krieg in der Ukraine und zur Wahl in Portugal. Zunächst aber geht es um den Krieg im Gazastreifen.

11.03.2024
Eine Luftaufnahme zeigt behelfsmäßige Zeltlager in Rafah im südlichen Gazastreifen, in denen Palästinenser untergebracht sind. Sie kochen gemeinsam auf einem Feuer.
Palästinenser in einem behelfsmäßigen Zeltlager in Rafah im südlichen Gazastreifen (imago / abaca / Middle East Images )
Die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN nennt die Situation desparat: "Das Schlimme dabei ist, dass die Zeit für die Hamas arbeitet. Die Terrororganisation ist dabei, die öffentliche Aufmerksamkeit in die gewünschte Richtung zu lenken. Der Fokus soll auf dem Leid des palästinensischen Volkes liegen, nicht auf der eigenen Verantwortung für die Entwicklung. Wenn ein US-Präsident Worte wie 'herzzerreißend' zur Beschreibung der Lage nutzt, kann sich die Hamas beruhigt zurücklehnen. Die Opfer des Terrors vom 7. Oktober sind begraben, die Geiseln aus Israel von der Hamas versteckt. Die Terrororganisation kann täglich neue Bilder von Zerstörungen, neue Opferzahlen und Berichte von Betroffenen vorlegen. Die zynische Frage ist, wie lange dieses Spiel noch weitergehen soll. Beide Seiten haben ein Druckmittel, auf das sie auf keinen Fall verzichten wollen: Die Hamas hat die Geiseln, Israel die Kontrolle über die humanitäre Hilfe", gibt die Zeitung JYLLANDS-POSTEN aus Århus zu bedenken.
"Wie es momentan aussieht, macht der Krieg auch vor dem Ramadan keinen Halt", schreibt die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO. "Die Verhandlungsrunde im ägyptischen Kairo über eine Waffenruhe wurde bereits für gescheitert erklärt. Daran trägt auch die US-Regierung eine Mitschuld, indem sie einerseits Öl ins Feuer gießt und andererseits versucht, den Brand zu löschen. US-Präsident Biden hat den Druck auf seinen Amtskollegen Netanjahu erhöht - vielleicht nur wegen des bevorstehenden Wahlkampfes in seinem Land. Trotzdem ist zu hoffen, dass die Botschaft bei der Regierung in Tel Aviv angekommen ist", notiert JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Auch die türkische Zeitung DUVAR geht auf die Rolle der USA ein. US-Präsident Biden sei einer der entschiedensten Befürworter des harten Vorgehens Israels im Gazastreifen: "Gleichzeitig hat er erkannt, dass ihn eine uneingeschränkte Unterstützung Israels während der Wahlperiode Stimmen kosten wird. Aus Sorge um seine eigene politische Karriere versucht Biden, Israel eine Richtung vorzugeben. Er will die Situation im Gazastreifen verändern und hofft, auf diese Weise den Rückhalt der USA in der Welt und das erschütterte Vertrauen der regionalen Partner wiederherzustellen", vermutet DUVAR aus Istanbul.
Ähnlich sieht es auch die arabische Zeitung AL QUDS, die in London erscheint: "Wenn Biden das israelische Vorgehen in Gaza kritisiert, dann vor allem deshalb, weil sich dieser Krieg aufgrund seiner moralischen und humanitären Folgen auf den Präsidentschaftswahlkampf auswirkt. Dieser Umstand könnte Bidens Siegchancen ernsthaft mindern, da in einzelnen US-Bundesstaaten auch viele arabische und muslimische Wähler leben, die seine bisherige Position in dem Krieg ablehnen. Auch innerhalb der Demokratischen Partei gibt es einen progressiv-liberalen Flügel, der ebenso gegen den Krieg ist wie viele andere Amerikaner, insbesondere Aktivisten und Studierende. Deren Kritik an dem Krieg und ihre Forderungen, ihn zu beenden, werden immer lauter. Dass Biden es bislang nicht geschafft hat, den Krieg zu beenden, verstärkt ihren Unmut", schreibt AL QUDS aus London.
Scharfe Kritik an der US-Regierung kommt von der israelischen Zeitung HAARETZ: "Trotz der Lehren des 7. Oktober kehrt das Weiße Haus zu dem Slogan 'zwei Staaten für zwei Völker' zurück. Als wäre das nicht genug, diktiert es Israel auch noch, wie es seine militärischen Operationen in Gaza und im Libanon auf taktischer Ebene zu führen hat. Negative Äußerungen sind an der Tagesordnung im Weißen Haus und offenbaren die tiefe Einmischung Amerikas in Israels grundlegendes nationales Sicherheitsbedürfnis", schreibt HAARETZ aus Tel Aviv.
Die italienische Zeitung LA REPUBBLICA befasst sich mit den Aussagen von Papst Franziskus über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine: "Die Ukraine und ihre Verbündeten protestieren, Russland applaudiert und sieht in den Worten des Papstes eine Warnung an den Westen. Der 'Mut zur weißen Fahne', der Mut 'zu verhandeln', zu dem der Papst Kiew geraten hat, ruft heftige Reaktionen hervor. Seit Kriegsbeginn hat sich Franziskus stets für eine Verhandlungslösung als einzig gangbare Alternative zur Fortsetzung eines Kriegs ausgesprochen, doch die Ergebnisse sind bisher gering", betont LA REPUBBLICA aus Rom.
THE TELEGRAPH aus Großbritannien überlegt: "Spricht der Papst vielleicht nur aus, was viele weltliche Führungskräfte in Europa, Amerika und anderswo denken: dass die Ukraine nicht gewinnen kann und versuchen sollte, weiteres Blutvergießen zu vermeiden? Bislang hat die NATO erklärt, sie werde der Ukraine 'so lange wie nötig' helfen. Doch diese Zusage wird durch schleppende Waffenlieferungen an Kiew widerlegt. Auch nach zwei Jahren des Gemetzels will die Ukraine weiterkämpfen - vorausgesetzt, man gibt ihr die Mittel dazu. Falls sie dem Land allerdings verweigert werden, könnten sich die Worte des Papstes als bedrückend prophetisch erweisen", warnt THE TELEGRAPH aus London.
"Verhandlungen würden die Niederlage der Ukraine bedeuten und käme einem Verlust des östlichen Teils des Landes gleich", vermerkt die polnische GAZETA WYBORCZA. "Sie würden den Krieg nicht beenden, sondern Russland nur mehr Zeit geben, seine Arsenale wieder aufzufüllen. Es muss klar gesagt werden: Der Vatikan hat sich nicht der Koalition angeschlossen, die die größten Mächte des Bösen bekämpft. Anstatt Unterstützung zu zeigen, treibt der Papst die Ukraine ins Grab. Das ist kein Fehler, sondern ein diplomatisches und moralisches Versagen des Papstes, der seit zwei Jahren die bedingungslose Unterstützung der Opfer verweigert und nicht klar sagen kann, dass Wladimir Putin ein Mörder ist", kritisiert die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
"Will der Papst, dass die Ukraine kapituliert?", fragt der TAGES-ANZEIGER aus Zürich: "Das wäre, bei allem Leiden an der Gewalt in diesem Angriffskrieg, eine ungeheuerliche Parteinahme. In Kenntnis vieler Reden des Papstes darf man wohl sagen: Nein, eine Kapitulation fordert Franziskus nicht. Wohl aber Verhandlungen über das Ende des Krieges, mindestens einen Waffenstillstand – heftig genug für ein überfallenes und in der Existenz bedrohtes Volk", kommentiert der TAGES-ANZEIGER aus der Schweiz.
Abschließend noch zwei Kommentare zur vorgezogenen Parlamentswahl in Portugal. Die Zeitung JORNAL DE NEGOCIOS aus Lissabon schreibt: "Portugal hat gewählt und der Politik die rote Karte gezeigt. Das konservative Bündnis AD liegt in etwa gleichauf mit den bislang regierenden Sozialisten und ist damit weit von einem überzeugenden Sieg entfernt. Auch ist das Land durch den Aufstieg der ultrarechten Chega mittlerweile in drei Blöcke gespalten, denn zu den traditionellen Gegenpolen Rechts und Links gesellt sich jetzt noch das Anti-System-Lager hinzu. Das erschwert eine Regierungsbildung. Chega-Chef André Ventura ist der große Sieger der Wahlnacht. Aber wie relevant seine Partei bleibt, hängt von den anderen Parteien und vom Staatspräsidenten ab. De Sousa hat bereits erklärt, dass er alles tun wird, um eine Beteiligung der Chega an einer künftigen Regierung zu verhindern, und er wird sich an diesem Versprechen messen lassen müssen", meint die Zeitung JORNAL DE NEGOCIOS aus Lissabon.
JORNAL DE NOTICIAS aus Porto bemerkt: "Anders als bei den letzten Wahlen lag die Beteiligung diesmal deutlich höher, und das ist erst einmal eine gute Nachricht für die Demokratie. Aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es andere bedenkliche Signale gibt. Die Menschen sind desillusioniert, weil es an Lösungen für ihre Probleme fehlt, und es ist der Protest, der sie mobilisiert hat. Der enorme Zuwachs für die Chega ist daher keine Überraschung, er hatte sich bereits in Umfragen angekündigt – aber es wird jetzt umso schwieriger zu verhindern, dass sie künftig eine entscheidende Rolle spielt", erwartet die portugiesische Zeitung JORNAL DE NOTICIAS.