Mittwoch, 15. Mai 2024

19. März 2024
Die internationale Presseschau

Diesmal mit einem Blick auf die politische Lage in Argentinien und die EU-Politik im Gaza-Krieg. Wir beginnen aber mit Einordnungen zum Ergebnis der Abstimmung über den russischen Präsidenten Putin. Dazu hält die norwegische Zeitung DAGBLADET aus Oslo fest:

19.03.2024
Russlands Präsident Putin sitzt an einem Schreibtisch.
Was hat der wiedergewählte Präsident Russlands, Wladimir Putin, mit seinem erneuerten Mandat vor? Das fragt sich unter anderem die norwegische Zeitung DAGBLADET. (Sergei Ilyin / Kremlin Pool / Planet / Sergei Ilyin / Kremlin Pool)
"Bei früheren Wahlen waren die Ergebnisse noch halbwegs glaubwürdig, aber in diesem Jahr hat Putin einen großen Schritt ins Absurde gemacht. Das Wahlergebnis ist eine offensichtliche Lüge, die dem Volk seine eigene Machtlosigkeit vor Augen führen soll. Niemand vermag abzuschätzen, wozu Putin sein erneuertes und erweitertes Mandat nutzen will – außer natürlich, den Krieg in der Ukraine fortzusetzen. Dieser Krieg ist bereits zur Existenzberechtigung für den Putin-Staat geworden, zum Sauerstoffballon für Putin. Jetzt, wo die Wahlen vorbei sind, verheißt das nichts Gutes für die Zukunft", befürchtet die Osloer Zeitung DAGBLADET.
Die in Schanghai erscheinende JIEFANG RIBAO beleuchtet die Zustimmung der Russinnen und Russen zu Putin näher: "Die Mehrheit hat nicht nur Präsident Putin im Amt bestätigt, sondern sich damit auch für die Fortsetzung der Militäroperation gegen die Ukraine ausgesprochen. Ein Grund dafür ist, dass sich die Lage an der Front zugunsten der russischen Streitkräfte verschiebt. Ein zweiter, dass sich die russische Wirtschaft als viel widerstandsfähiger gegen die westlichen Sanktionen erwiesen hat, als erwartet. Mit Putins Erdrutschsieg ist Russland gut gerüstet, die Herausforderungen weiterhin zu meistern", findet die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO.
In der japanischen Zeitung ASAHI SHIMBUN nimmt eine Gastkommentatorin die Protestaktionen der russischen Opposition in den Blick. Auch in Tokio hatte sich um die Mittagszeit vor der russischen Botschaft eine lange Schlange gebildet. In der Zeitung heißt es dazu: "Viele Bürgerinnen und Bürger haben gezeigt, dass sie nicht mit dem russischen Invasionskrieg und dem Regime in Moskau einverstanden sind. Für ihre Protestaktionen haben diese mutigen Menschen ihr Leben riskiert. Sie hätten weltweit großes Lob verdient. Die internationale Gemeinschaft sollte endlich und ernsthaft darüber nachdenken, wie man mit ihnen zusammenarbeitet", rät die Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
Die polnische RZECZPOSPOLITA stellt die Frage, ob Putin angesichts der Repressionen weiterhin als "Präsident" bezeichnet werden sollte: "Wie lange erkennen wir ihm diesen Titel noch zu? Das Tribunal in Den Haag stellte schließlich einen Haftbefehl gegen Putin aus. Wir können ihn also einen Kriegsverbrecher nennen. Wir können auch die Bezeichnung 'Diktator' verwenden, denn die russische Regierung unterliegt keiner öffentlichen Kontrolle, sie verletzt die Menschenrechte und bedient sich des Instruments der Gesetzlosigkeit. Zumindest wir Kolumnisten können den Begriff 'Präsident' konsequent vermeiden und vom 'russischen Diktator' oder direkt vom 'Verbrecher' sprechen", schlägt RZECZPOSPOLITA aus Warschau vor.
Die italienische Zeitung LA STAMPA erkennt selbst in der manipulierten Wahl eine gute Nachricht, nämlich - Zitat: "Die Tatsache, dass sie überhaupt stattgefunden hat. Die Idee der Demokratie ist so stark, dass selbst ein Autokrat sich ihr stellen muss - wenn auch nur zum Schein. Aber die entscheidende Lehre aus der Wahl ist eine andere: Die Gefahr für die Demokratie geht nicht von Putin aus. Die wirkliche Bedrohung kommt vielmehr aus dem Herzen unserer Demokratien: Wenn nur die Hälfte der Berechtigten ihre Stimme abgibt, bleibt zwar die Legitimität erhalten, aber das reale politische Gewicht halbiert sich. Putin weiß das und stellt auf Biegen und Brechen Rekorde bei der Wahlbeteiligung auf. Wir haben das leider vergessen und lassen zu, dass die Politik eine immer kleinere Rolle spielt", gibt LA STAMPA aus Turin zu Bedenken.
Themenwechsel: Die Europäische Union will Sanktionen gegen extremistische jüdische Siedler im Westjordanland verhängen, wie schon die USA. Ein Gastkommentator der JERUSALEM POST schreibt dazu: "Das ist eine falsche moralische Gleichsetzung zwischen Palästinensern, die Kinder vergewaltigen und enthaupten, und wenigen extremen Siedlern, die sehr selten Brandstiftung begehen oder Steine werfen. Der 7. Oktober hat viele Missverständnisse offengelegt, unter anderem den Irrglauben, dass die Siedlerbewegung die alleinige Ursache für die Probleme des Staates Israel sei. Jetzt stehen alle Israelis geschlossen hinter dem Krieg gegen die Hamas und wir können stolz erklären, dass wir sozusagen alle im Westjordanland leben. Das macht uns alle zu Siedlern", argumentiert ein Gastautor der JERUSALEM POST.
Die ARAB NEWS untersuchen die EU-Politik in dem Konflikt grundsätzlich: "In den letzten fünf Monaten waren die vermeintlich mächtigsten internationalen Akteure im Gaza-Konflikt politisch gelähmt. In der EU kann man nicht einen einzigen Staat wirklich als Unterstützer der Palästinenser bezeichnen. Das richtet langfristigen Schaden an, möglicherweise sogar irreparablen. Auch hat die EU wieder einmal eine inhärente Schwäche offenbart: 27 Mitgliedstaaten, von denen einige fest im rechtsextremen Lager verankert sind, müssen sich einstimmig auf außenpolitische Positionen einigen. Israel ist nicht der erste und wird auch nicht der letzte Akteur sein, der hiervon profitiert", heißt es in einem Gastbeitrag für die ARAB NEWS.
Die englischsprachige Zeitung BUSINESS STANDARD aus Indien nimmt die Rolle der USA im Gaza-Krieg näher unter die Lupe und überlegt: "Warum unterstützen die Amerikaner einerseits den israelischen Militäreinsatz und helfen gleichzeitig den Menschen, die Israel angreift? Warum hat die Regierung Biden ihre Waffenlieferungen nicht dazu genutzt, um Israel zu mehr Schutz für die palästinensische Zivilbevölkerung zu bewegen? Das fragen sich mittlerweile auch jüdische Amerikaner. Das Vorgehen erscheint widersprüchlich und könnte für alle wichtigen Akteure schädigend sein". warnt der indische BUSINESS STANDARD.
Nach Argentinien: Dort ist Präsident Milei jetzt seit 100 Tagen im Amt. Für die mexikanische Zeitung LA RAZON ein Anlass, Bilanz zu ziehen: "Bei Milei ist das alles andere als einfach, denn er hat sich vorgenommen, den ganzen Staat auf den Kopf zu stellen. Die Kürzung staatlicher Mittel und Subventionen hat zu einem Anstieg der Inflation und der Arbeitslosigkeit geführt. Trotzdem will Milei nicht auf die immer lauteren Proteste hören. Allerdings verfügt er über keine klare Mehrheit im Parlament. Deshalb muss er verhandeln. Es wäre gefährlich, wenn mit ihm eine weitere Regierung scheiterte. Denn egal, was man von Mileis Ideen hält: Noch schlimmer als ihre Umsetzung wäre, wenn sie auf halber Strecke stehen blieben und damit lediglich zu noch mehr Inflation führen würden", unterstreicht LA RAZON aus Mexiko-Stadt.
Für die kanadische GLOBE AND MAIL sendet Milei überall Schockwellen aus: "Die ersten Monate verbrachte der neue Präsident damit, sich mit allen anzulegen. Er wetterte in Reden vor dem Kongress, den Mächtigen der Welt, aber auch vor Gymnasiasten gegen die sogenannte sozialistische Agenda, die Gesellschaften seiner Meinung nach von innen heraus verrotten lassen. So avanciert Milei zum neuen Liebling der weltweit aufstrebenden extremen Rechten", beobachtet THE GLOBE AND MAIL, die in Toronto erscheint.
Die französische Zeitung LIBÉRATION geht näher auf die Spaltung der argentinischen Gesellschaft ein: "Jeder Zweite in Argentinien nimmt Mileis messianische Hybris und die Willkür seiner Maßnahmen in Kauf. Gleichzeitig befeuert er das Gefühl vieler Menschen, dass die Politik zum wiederholten Male versagt. Ein Schlüsselmoment werden die Zwischenwahlen im kommenden Jahr sein. Einige Parteien sehen die Effizienz des Staates als politische Überlebensfrage. Das System Milei hat in Argentinien bereits tiefe Spuren hinterlassen. Spuren, die mehr und mehr unvereinbar erscheinen mit den Werten der 1983 wiederhergestellten Demokratie." So lautet das Urteil der Zeitung LIBÉRATION aus Paris.