Dienstag, 30. April 2024

09. April 2024
Die internationale Presseschau

Die uns vorliegenden ausländischen Zeitungen kommentieren eine Vielzahl an Themen: die Kommunalwahl in Polen und das Verhältnis zwischen China und Russland. Außerdem geht es um den Rückzug der israelischen Armee aus dem südlichen Gaza-Streifen.

09.04.2024
Israelische Truppen haben sich am 7. April aus Teilen von Khan Yunis im südlichen Gaza zurückgezogen. Palästinensische Familien kehren in das Gebiet zurück.
Israelische Truppen haben sich am 7. April aus Teilen von Khan Yunis im südlichen Gaza zurückgezogen. Palästinensische Familien kehren in das Gebiet zurück. (picture alliance / Anadolu / Yasser Qudaih)
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG spricht von einem Wendepunkt in dem Konflikt: "Der Rückzug bietet nun die Chance, eine Form von Ordnung wiederherzustellen. Indem Israel den militärischen Druck in Süd-Gaza verringert, kann es seinen Handlungsspielraum sowohl militärisch als auch politisch vergrößern. Natürlich besteht das Risiko, dass sich die Hamas nun wieder stärker im südlichen Gazastreifen breitmacht. Doch je mehr sich die Terroristen aus der Deckung wagen, desto angreifbarer sind sie. Gleichzeitig hat Israel nun die Möglichkeit, eine angemessene Versorgung der palästinensischen Bevölkerung sicherzustellen und die Zerwürfnisse mit seinen Verbündeten zu kitten", heißt es in der Schweizer NZZ.
Die Frage, ob der Krieg im Gazastreifen mit dem Abzug beendet sei, könne nicht eindeutig beantwortet werden, schreibt die israelische Zeitung HAARETZ: "Obwohl sich der Krieg von einer Luft-Land-Operation zu einem Zermürbungskrieg entwickelt hat, gibt es keinen offiziellen Waffenstillstand. Besonders kritisch ist, dass es keine Pläne für eine Regierung im Gazastreifen gibt. Andererseits ist der Krieg de facto beendet. In absehbarer Zukunft wird es keine Invasion von Rafah an der Südspitze des Gazastreifens geben, was jedoch eine größere Operation in einigen Wochen oder Monaten nicht ausschließt. Humanitäre Hilfe wird nun in viel größerem Umfang nach Gaza fließen", prognostiziert HAARETZ aus Tel Aviv.
Die panarabische Zeitung SHARQ AL-AWSAT aus London kommt zu folgender Einschätzung: "Der Rückzug der israelischen Armee aus Chan Junis dürfte nicht zuletzt auf Druck aus Washington zurückgehen. Er deutet darauf hin, dass die Beziehungen zwischen den USA und Israel an einem Scheideweg stehen. Das israelisch-amerikanische Verhältnis steht vor einer Bewährungsprobe, deren Auswirkungen die gesamte politische und sicherheitspolitische Situation des Nahen Osten betreffen könnten."
Die französische Zeitung LE FIGARO beklagt: "In Europa gibt es oft Beschwerden darüber, dass die regierenden Politiker keine Visionen haben. Aber was sollen die Israelis sagen? Die von Netanjahu betriebene Zerschlagung der Hamas hat sich vor allem in einem Raketenhagel auf die Zivilbevölkerung in Gaza niedergeschlagen. Die Bilanz ist katastrophal: In humanitärer Hinsicht mit der Vertreibung der gesamten palästinenischen Bevölkerung und mehr als 33.000 Toten. In militärischer Hinsicht ist die Hamas trotz schwerer Verluste nicht zerschlagen", analysiert der Pariser FIGARO.
Die palästinensische Zeitung AL QUDS aus Jerusalem notiert: "Offenbar befindet sich die israelische Regierung in einer Sackgasse und muss nun diverse Krisen militärischer, politischer, wirtschaftlicher und sozialer Art lösen. Zudem wächst in der internationalen Öffentlichkeit der Unmut nach dem Tod der sieben Mitarbeiter einer Hilfsorganisation. Der Vorfall hat Israels politische und wirtschaftliche Isolation verschärft. Erstmals wurde auch ein Stopp von Waffenexporten nach Israel beschlossen."
Themenwechsel: Die Spannungen zwischen Ecuador und Mexiko beschäftigen die Kommentatoren in Lateinamerika. So schreibt die honduranische Zeitung LA TRIBUNA aus Tegucigalpa: "Was für ein diplomatischer Skandal: Die ecuadorianische Polizei dringt in die mexikanische Botschaft ein, um den ehemaligen Vizepräsidenten Glas festzunehmen, der von der ecuadorianischen Justiz wegen Korruption verurteilt wurde. Es ist dies der jüngste Verstoß Ecuadors gegen internationales Recht, wobei die polemischen Äußerungen von Mexikos Präsident López Obrador für eine weitere Eskalation gesorgt haben."
Die kolumbianische Zeitung EL ESPECTADOR aus Bogotá gibt zu bedenken: "Man mag die Frage stellen, ob Mexiko Glas Zuflucht gewähren durfte und damit gegen ecuadorianisches Gesetz verstoßen hat. Aber die Bedeutung der Unverletzlichkeit von Botschaften ist weit größer als mögliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Mexiko und Ecuador. Ausländische Vertretungen waren auch immer wieder ein Zufluchtsort für die Verfolgten autoritärer Regimes."
Nun nach Polen und dem Ausgang Kommunalwahlen. In der RZECZPOSPOLITA aus Warschau heißt es: "Die Mitte-Links-Koalition von Regierungschef Tusk sollte nicht ruhig schlafen. Die Rechte hat etwas, worauf sie aufbauen kann, und das Gespenst einer Herrschaft der nationalkonservativen PiS schwebt immer noch über Polen. Die größte Oppositionspartei ist nach acht Jahren Herrschaft, Machtwechsel und internen Streitigkeiten immer noch sehr stark. Noch nie hat es in Polen eine Situation gegeben, in der eine Partei, die in die Opposition gewechselt ist, so große Unterstützung bekam", unterstreicht die RZECZPOSPOLITA.
Entmachtete Populisten kehren gern zurück, warnt die polnische Zeitung GAZETA WYBORCZA, die ebenfalls in Warschau erscheint. "Auch in Polen könnte es zu einer Katastrophe kommen, wenn die Parteien der demokratischen Koalition ihre Wahlversprechen weiterhin auf die leichte Schulter nehmen und untereinander streiten. Wenn es um Reformen und die Abrechnung mit der Ära PiS geht, ist eine deutliche Beschleunigung erforderlich. Sich weiter am historischen Erfolg des 15. Oktober zu erfreuen, wird nur schaden. Das ist inzwischen Geschichte. Der Prozess der Heilung der Gesellschaft nach acht Jahren der Vergiftung ist langwierig und muss nicht unbedingt erfolgreich sein“, notiert die GAZETA WYBORCZA.
Die dänische Zeitung INFORMATION kommentiert das Verhältnis zwischen China und Russland: "Ist Peking dabei, eine rote Linie zu überschreiten, indem es Moskau militärisch in seinem Krieg gegen die Ukraine unterstützt? In der vergangenen Woche haben die USA begonnen, vor einem wachsenden technologischen Beistand Chinas für den russischen Krieg zu warnen. Washington droht damit, dass dies ernste Konsequenzen haben könnte. Bislang hat China Russland rhetorisch, diplomatisch und wirtschaftlich unterstützt, aber anscheinend nicht mit Waffen oder direkter Förderung der russischen Rüstungsindustrie. Wenn China jetzt aber auch diese Grenze überschreitet, könnte das seinem Verhältnis zu Europa einen unwiderruflichen Schaden zufügen", warnt die Kopenhagener Zeitung INFORMATION.
Der Ukraine laufe die Zeit davon, beklagt die WASHINGTON POST. "Obwohl Russland den bemerkenswerten Kampfgeist der ukrainischen Bevölkerung nicht brechen kann, könnte dies ein Jahr sein, in dem Russland die immer dünner werdenden Frontlinien der Ukraine durchbricht. Sicherlich setzt der russische Präsident Putin darauf sowie auf monatelange Verzögerungen in den USA und hofft auf die Rückkehr des ehemaligen Präsidenten Trump ins Amt. Dieser hat die republikanischen Mitglieder des Repräsentantenhauses dazu gedrängt, die Hilfen für die Ukraine zurückzuhalten. Jeder Tag, den das Repräsentantenhaus die Hilfe hinauszögert, macht den Kampf der Ukraine schwieriger und verringert die Chancen auf einen positiven Ausgang des Konflikts - selbst dann, wenn die US-Hilfe endlich ankommt", prophezeit die WASHINGTON POST aus den USA.
Zum Besuch des russischen Außenministers Lawrow in Peking schreibt die in Schanghai erscheinende Zeitung JIEFANG RIBAO: "Mit dem zweitägigen Besuch soll das gegenseitige politische Vertrauen weiter vertieft und die bilaterale Kooperation gefördert werden. Es werden aber auch heiße Themen angesprochen, und möglicherweise wird im Mai der russische Präsident Putin sogar nach Peking kommen. Beide Länder arbeiten auf der internationalen Bühne nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch in vielen anderen Formaten wie etwa den BRICS-Staaten zusammen. Was die Ukraine anbelangt, so hat Lawrow das Positionspapier der chinesischen Regierung als den bisher vernünftigsten Vorschlag zur Lösung der Krise bezeichnet", erläutert die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO, mit der die internationale Presseschau endet.