Dienstag, 30. April 2024

16. April 2024
Die internationale Presseschau

Der iranische Angriff auf Israel ist auch heute das dominierende Thema in den Kommentarspalten vieler Zeitungen. Man beschäftigt sich aber ebenfalls mit dem Beginn des Strafprozesses gegen den früheren US-Präsidenten Trump in New York.

16.04.2024
Fahnen von Israel und dem Iran
Fahnen von Israel und dem Iran (IMAGO / Christian Ohde)
Zunächst zur Lage im Nahen Osten. "In einem entscheidenden Moment wie diesem muss Israel seine Stärke bekräftigen, indem es zurückschlägt", verlangt die JERUSALEM POST. "Die Risiken einer Eskalation sind real. Die ausgefeilte iranische Luftabwehr und die Möglichkeit von Vergeltungsmaßnahmen machen deutlich, mit was für einer Gefahr ein Militärschlag verbunden ist. Aber: Angesichts der anhaltenden Aggression des Irans und der Fortschritte in seinem Atomprogramm könnten die Kosten der Untätigkeit höher sein. Die Antwort Israels sollte robust und mehrdimensional ausfallen."
Der GUARDIAN aus London warnt dagegen vor einer Eskalation des Konflikts: "Es besteht die Gefahr, dass jede Seite die andere falsch einschätzt und ein Krieg dadurch unvermeidlich wird. Die tödliche Rivalität zwischen dem Iran und Israel hat einen ideologischen Aspekt, der üblicherweise das Urteilsvermögen trübt. Die beiden Nationen müssen davon abgehalten werden, einen Flächenbrand zu entfachen, der die gesamte Region verschlingt".
Ein Aufruf zur Mäßigung kommt auch von der japanischen Zeitung YOMIURI SHIMBUN aus Tokio: "Der Vergeltungsschlag des Iran war zwar eine Provokation - man sollte aber nicht ignorieren, dass etwa Großstädte wie Tel Aviv nicht zum Angriffsziel wurden. Außerdem wurden benachbarte Staaten im Vorfeld über den Plan informiert. Der Iran hat seinen Vergeltungsschlag also bewusst klein gehalten. Israel sollte dies nun besonnen analysieren und auf zusätzliche militärische Aktionen verzichten."
"War das alles nur Theater?" fragt die türkische Zeitung KARAR. "Schließlich hat der Iran laut US-Medien Saudi-Arabien, Jordanien und den Irak im Vorfeld informiert - und wird auch gewusst haben, dass diese Warnung die Vereinigten Staaten erreicht. Teheran wollte also offenbar nur den Anschein erwecken, Israel zu bestrafen, und gleichzeitig eine harte Reaktion vermeiden. Trotzdem war es kein 'Theater', sondern eher eine 'Gesichtswahrung'. Denn: Der Iran hat gezeigt, dass seine Raketen Israel erreichen könnten, wenn sie nicht abgefangen würden." konstatiert KARAR aus Istanbul.
HAARETZ aus Tel Aviv analysiert den iranischen Angriff so: "Die Islamische Republik ist kein selbstmörderisches Regime, sondern nur mit ihrem eigenen Überleben beschäftigt. Weil es sich nämlich keineswegs um einen Überraschungsangriff handelte, hatte die andere Seite ausreichend Zeit, um ihre Abwehrmaßnahmen vorzubereiten. Für die Führung in Teheran scheint die Mission, eine gesichtswahrende Machtdemonstration, damit abgeschlossen zu sein. Auch das gegnerische Lager kann aber einen Sieg für sich beanspruchen: Israel für seine erfolgreiche Verteidigung und die USA und ihre Verbündeten für das wirksame Reagieren. Eine solche Win-Win-Konstellation könnte eine Deeskalation ermöglichen - ob es aber dazu kommt, hängt auch von der Reaktion Israels ab." Das war HAARETZ aus Tel Aviv.
"Die Beteiligten haben in Wahrheit gar kein Interesse an einer weiteren Eskalation", glaubt EL ESPECTADOR aus Kolumbien. "US-Präsident Biden hat wiederholt seine Unterstützung für Israel geäußert, aber auch deutlich gemacht, dass dies nicht für einen Gegenschlag gilt. Großbritannien und die EU sehen das ähnlich. Die große Frage ist, ob die Regierung Netanjahu jetzt impulsiv reagiert und sich zu einem Racheakt hinreißen lässt."
Auch DE STANDAARD aus Brüssel blickt auf die israelische Regierung und übt Kritik: "Netanjahu pokert rücksichtslos mit Loyalitäten. Der israelische Ministerpräsident weiß, dass seine Nachbarn einen regionalen Krieg vermeiden wollen. Er weiß auch, dass Europa und sicherlich auch die USA Israel niemals die militärischen Mittel zur Selbstverteidigung verweigern werden. US-Präsident Biden hat schließlich oft genug gesagt, wie 'unerschütterlich' seine Unterstützung Israels ist. Zwar warnt Biden vor einem Gegenangriff auf den Iran. Aber was würde er tun, wenn Israel doch Bomber nach Teheran schickt? Die Unterstützung aufgeben? Er kann ja nicht einmal einen Waffenstillstand in Gaza erzwingen", moniert DE STANDAARD aus Belgien.
Die norwegische Zeitung DAGBLADET ordnet die Vorkommnisse vom Wochenende in einen historischen Kontext ein: "Jahrzehntelang waren Israel und der Iran Partner, aber Chomeneis Islamische Revolution 1979 veränderte alles. Über Nacht wurde Israel zum Todfeind erklärt. Es gab ein Einreiseverbot, Flugverbindungen wurden gestrichen, die israelische Botschaft im Iran geschlossen und zur palästinensischen Botschaft umgewandelt. Chomeini wollte den Kampf der Palästinenser zu einem islamischen Kampf machen, in dem er als der Anführer dastehen sollte. Der iranische Drohnen- und Raketenangriff auf Israel am letzten Wochenende ist eine direkte Folge dieses Konflikts zwischen den beiden Staaten", analysiert DAGBLADET aus Oslo.
Die schwedische Zeitung GÖTEBORGS-POSTEN merkt an: "Der Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 auf die israelische Zivilbevölkerung wurde teilweise im Iran geplant. Der Krieg zwischen Iran und Israel findet also längst statt. Die Hamas operiert eigenständig, aber nicht strategisch unabhängig vom Mullah-Regime in Teheran. Zwar vertreten die beiden Gruppen unterschiedliche konfessionelle Strömungen, aber beide verfolgen das Ziel einer Vernichtung Israels."
Themenwechsel. In New York hat der Strafprozess gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump begonnen. Die NEW YORK TIMES kommentiert: "Donald Trump kandidiert zwar für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten, aber er hat nicht die amerikanischen Wähler im Sinn. Man muss stattdessen zu der gleichermaßen surrealen wie inspirierenden Schlussfolgerung kommen, dass dieser sehr mächtige Mann von 'bösen' Frauen vereinnahmt wird. Frauen wie E. Jean Caroll, ihre Anwältin Roberta Kaplan und natürlich Stormy Daniels. Frauen, die ihn endlich zur Rechenschaft ziehen und die in diesen Tagen mietfrei in seinem Kopf leben. Trump hätte wohl nie gedacht, dass es einmal Frauen sein würden, die ihn in die Enge treiben und ihm sein feiges und möglicherweise kriminelles Verhalten vorhalten würden. Er behandelt sie seit langem als Objekte, Zielscheiben und Bittstellerinnen. Er umwirbt sie, er begrapscht sie, er verachtet sie, er beschimpft sie. Aber er hat sie nie als Bedrohung empfunden. Bis jetzt", heißt es in der NEW YORK TIMES.
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA ist sich sicher: "Wer bei der Wahl im November für Donald Trump stimmt, weiß ganz genau, wem er die Regierung der mächtigsten Nation der Welt anvertrauen wird. Im Jahr 2016 mag es Zweifel an seinen Fähigkeiten und vor allem an seiner Ehrlichkeit gegeben haben, aber jetzt, im Jahr 2024, ist der republikanische Kandidat in insgesamt vier Verfahren mit 91 Anklagepunkten konfrontiert. Bei dem Prozess in New York droht Trump eine 20-jährige Haftstrafe, die ihn jedoch nicht daran hindern würde, bei der Präsidentschaftswahl anzutreten und diese zu gewinnen. Genau das ist der springende Punkt: Millionen von US-Bürgern werden für Trump stimmen, trotz der 91 Vorwürfe gegen ihn. Es ist ihnen egal, was er getan hat oder was er in Zukunft tun könnte", meint LA VANGUARDIA aus Barcelona.
Die französische Zeitung LES DERNIÈRES NOUVELLES D'ALSACE hält dagegen: "Die Verteidigungslinie Trumps ist bekannt und immer dieselbe: Er spricht von einer politischen Intrige, einem Angriff auf Amerika. Aber auch wenn diese Rhetorik bei den fanatischsten Teilen seiner Basis immer noch ankommt, hat sie auch ihre Grenzen. Vor allem wird sie ihm vor Gericht nicht helfen. Eine Verurteilung hätte einen verheerenden Effekt auf einen Großteil der republikanischen Wählerschaft. Auf den Teil nämlich, der noch an die Justiz des Landes glaubt." Und mit dieser Stimme aus der Zeitung LES DERNIERES NOUVELLES DALSACE aus Straßburg endet die internationale Presseschau.