Mittwoch, 01. Mai 2024

18. April 2024
Die internationale Presseschau

Sowohl der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine als auch der Krieg im Nahen Osten bleiben die beherrschenden Themen in den Kommentarspalten der internationalen Presse.

18.04.2024
Flammen von Explosionen sind am Himmel über Tel Aviv zu sehen, während Israels Raketenabwehrsystem Raketen und Drohnen aus dem Iran abfängt.
Der Iran hat erstmals Israel direkt angegriffen - das Raketenabwehrsystem fing wie hier in Tel Aviv zahlreiche Drohnen und Raketen ab. (JINI / XinHua / dpa / Tomer Neuberg)
Die österreichische Zeitung DER STANDARD schreibt in einem Gastkommentar zum Vorgehen Israels im Gazastreifen: "Mit Ausnahme der israelischen extremen Rechten will niemand, dass Israel im Gazastreifen feststeckt, die Verantwortung für 2,4 Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser trägt und möglicherweise mit einem Aufstand rechnen muss. Nachdem man den Gazastreifen entmilitarisiert und die Voraussetzungen für eine Alternative zur Hamas geschaffen hat, kann Israel diesen Krieg bald beenden und die noch lebenden Geiseln retten. Und das ist auch notwendig. Schlimm genug, dass Israels Vorgehen in Gaza international zunehmend missbilligt wird. Noch schlimmer ist, dass dieser Krieg zu einem Prüfstein dafür wird, wie die nächste Generation über Israel denkt", gibt DER STANDARD aus Wien zu bedenken.
Zahlreiche Zeitungen kommentieren die Lage im Nahen Osten nach dem iranischen Angriff auf Israel. Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA führt aus: "Die Fähigkeit des Iran, über weite Distanzen angreifen zu können, muss noch beurteilt werden. Doch die Bereitschaft Teherans, sich von Stellvertreterkriegstaktiken zu lösen, hat eine neue Richtung des Konflikts eröffnet. Jetzt testen die Iraner direkt die Stärke des Flugabwehrschirms ihres Feindes Israel. Die Dynamik des Konflikts bietet für große Akteure der Region, wie etwa Russland, die Möglichkeit, als Vermittler aufzutreten. Vielleicht ist der Beginn der offenen Konfrontation eine Gelegenheit, die Prinzipien neuer Verhandlungen zu entwickeln, die alle für den Iran und Israel sensiblen Themen umfassen. Der Vermittlungsauftrag erfordert von den globalen Akteuren eine wohlüberlegte und gleichmäßig distanzierte Haltung ohne Solidarität mit einer der Parteien", analysiert die Moskauer NESAWISSIMAJA GASETA.
Die arabischsprachige Zeitung AL QUDS AL-ARABY notiert: "Der Iran hat durch seinen Angriff auf Israel am Ende nur verloren. Dies gilt zum einen mit Blick auf die Raketen und Drohnen, die letztlich in der Luft verpufften. Und es gilt politisch, mit Blick auf die westlichen Staaten. In Europa werden schon Stimmen laut, die weitere Sanktionen gegen den Iran fordern. Darüber hinaus zeigte die Aktion, dass Israels Verbündete bereit sind, das Land gegen jeden größeren Angriff zu verteidigen. Vor allem aber ist absehbar, das Israel unter diesem Schutz militärisch reagieren wird", ist sich AL QUDS AL-ARABY aus London sicher.
Die türkische Zeitung EKONOMI erläutert: "Der iranische Angriff hat einmal mehr gezeigt, dass die arabischen Länder der palästinensischen Sache wenig Beachtung schenken. Die rechtsextreme israelische Regierung von Ministerpräsident Netanjahu hat vom Handelns Teherans profitiert. So ist die Kritik in den westlichen Ländern am Vorgehen Israels in Gaza vorerst verstummt."
Die taiwanische Zeitung ZHONGGUO SHIBAO ist folgender Meinung: "Auch wenn die israelische Luft- und Raketenabwehr die Drohnen und Raketen aus Teheran erfolgreich abgefangen hat, ist der iranische beispiellose Direktangriff ein herber Schlag für Israel. Um die militärische Überlegenheit in der Region weiterhin zu demonstrieren, wird die israelische Regierung auf den Angriff aus dem Iran reagieren müssen. Aber wie kann eine Reaktion aussehen? Klar ist: Ohne amerikanische Unterstützung wäre eine militärische Antwort riskant. Und im Wahljahr wird US-Präsident Biden sicher keinen Krieg führen wollen. Bereits jetzt wird sein Wahlkampf wegen seiner Nahostpolitik von Protesten begleitet. Biden wird wohl Israels Premier Netanjahu zu einer Aktion drängen, die nicht zu einem Flächenbrand führt", vermutet ZHONGGUO SHIBAO aus Taipeh.
Bundesaußenministerin Baerbock ist nach Israel gereist, um das Land zu einer gemäßigten Reaktion auf den iranischen Großangriff zu bewegen. Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN merkt dazu an: "Nach dem Treffen mit der deutschen Außenministerin Baerbock und deren britischen Amtskollegen Cameron sagte der israelische Premierminister Netanjahu, Israel treffe seine Entscheidungen selbst. Netanjahus Methode, fürs eigene politische Überleben immer wieder neue Krisen zu provozieren, ist zweifelhaft. Weil seine Popularität sinkt, will er sein Land absichtlich im Kriegsmodus halten. Damit fügt er Israels Demokratie schweren Schaden zu. Netanjahu wäre die Einsicht zu wünschen, Neuwahlen abzuhalten und auf die Stimme des Volkes zu hören", unterstreicht NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Themenwechsel. Angesichts der bedrohlichen Lage für die Ukraine kommt Bewegung in die seit Monaten festgefahrene westliche Planung neuer Waffenlieferungen. In den USA wird das Repräsentantenhaus voraussichtlich am Samstag über ein dringend benötigtes Hilfspaket abstimmen. Die norwegische Zeitung VERDENS GANG hält fest: "Anfang des Monats warnte der ukrainische Präsident Selenskyj auf einer Videokonferenz, die Ukraine werde den Krieg verlieren, wenn das Hilfspaket nicht endlich den US-Kongress passiert. Auch NATO-Generalsekretär Stoltenberg charakterisierte gestern die Lage als enorm schwierig. Nach dem russischen Angriff gab es in den USA eine breite Mehrheit für eine Unterstützung der Ukraine. Zwei Jahre später ist aus dem Thema ein politisches Spiel geworden. Dafür verantwortlich ist die Republikanische Partei. Die Freigabe der Mittel hätte längst erfolgen müssen, aber noch kann der US-Kongress den Knoten lösen. Tut er es nicht, lassen die Republikaner die Ukraine in einem kritischen Augenblick im Stich", stellt VERDENS GANG aus Oslo klar.
"Was die Republikaner gerade im Repräsentantenhaus aufführen, ähnelt einem Totentanz", ist in der dänischen Zeitung POLITIKEN aus Kopenhagen zu lesen: "Täglich sterben ukrainische Soldaten, weil es ihnen an Munition und Material fehlt und die Hilfe aus den USA ausbleibt. Längst nehmen die Warnungen zu, dass sich an der Front jede Verspätung sofort in der Form eines russischen Vormarschs bemerkbar macht. Die vollständige Blockadehaltung der Republikaner in allen Themen bringt ihre Politiker immer öfter in Erklärungsnot. Bislang kann sich die Partei nicht einmal darauf einigen, ob die Ukraine-Hilfe Teil eines Gesamtpakets werden soll oder nicht."
Die lettische Zeitung NEATKARĪGĀ RĪTA AVĪZE bemerkt: "Russland hat mit Raketen das Zentrum der ukrainischen Stadt Tschernihiw angegriffen, als die Menschen gerade zur Arbeit gingen. Es gab viele Tote und Verletzte, aber so sieht der Alltag aus. An der Front herrscht akuter Mangel an Munition und Anlagen zur Flugabwehr, weshalb sich die russische Luftwaffe im Himmel über der Ukraine immer sicherer fühlt. Auch die Raketen, die die Energieinfrastruktur zerstören sollen, finden immer öfter ihr Ziel. Der Grund für diese Schwierigkeiten ist einfach: Im US-Kongress blockieren die Republikaner seit Monaten ein Hilfspaket für die Ukraine. Damit verfolgen sie das Ziel, US-Präsident Biden als schwach und handlungsunfähig darzustellen, während die USA immer tiefer im Chaos versinken. Ihr Motto ist: Je schlimmer die Lage innerhalb und außerhalb der USA ist, desto besser." So weit NEATKARĪGĀ RĪTA AVĪZE aus Riga.
Das WALL STREET JOURNAL aus den USA sieht es so: "Repräsentantenhaus-Sprecher Johnson von den Republikanern setzt sich für die Verabschiedung eines Gesetzes zur Unterstützung der Ukraine, Israels und Taiwans ein - trotz der Drohungen aus dem rechten Lager seiner Partei, ihn zu stürzen. Johnson liegt mit seiner Politik richtig und verdient die Unterstützung von Abgeordneten beider Parteien, denn die ukrainischen Defizite in ihrer Verteidigung lassen das russische Militär zum ersten Mal seit zwei Jahren den Luftraum beherrschen. Bei der derzeitigen Lage wird der Kreml den Krieg letztendlich gewinnen. Doch Russlands Präsident Putin wird sich nicht mit dem Osten der Ukraine zufriedengeben." Das war zum Ende der internationalen Presseschau das WALL STREET JOURNAL aus New York.