Freitag, 03. Mai 2024

20. April 2024
Die internationale Presseschau

Die Zeitungen blicken hauptsächllich auf die gestrigen Explosionen im Iran, die unter anderem von US-Medien Israel zugeschrieben werden.

20.04.2024
Ein Kreisverkehr in einer Stadt. Dahinter ist ein Gebirge zu sehen.
In der Nähe der iranischen Stadt Isfahan waren iranischen Staatsmedien zufolge Explosionen zu hören. (AFP PHOTO / HO / IRIB)
"Der Nahe Osten versinkt im Chaos", titelt die polnische GAZETA WYBORCZA und schreibt: "Die Eskalation zwischen Israel und dem Iran geht weiter. Wenn beide Seiten nicht einen kühlen Kopf bewahren, droht eine Destabilisierung des Nahen Ostens und ein Konflikt, der weit über regionale Dimensionen hinausgeht. In der Nacht vom 18. auf den 19. April schickte Israel offenbar Drohnen in die iranische Region Isfahan – als Vergeltung für die Ereignisse vom vergangenen Wochenende, als die Ajatollahs Hunderte Drohnen und Raketen auf Israel abfeuerten. Die Iraner geben sich alle Mühe, den Angriff als klein und unwichtig darzustellen. Beide Seiten schweigen ansonsten – aus Angst. Sie wissen, dass viel auf dem Spiel steht", notiert die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE aus Wien führt aus: "Israel und der Iran führen ihren Konflikt fort. Israels Militär versucht, Teherans Einfluss mit Luftangriffen im Libanon und in Syrien zurückzudrängen – so wie bei der folgenreichen Attacke auf Anführer der Revolutionsgarden auf dem Gelände des iranischen Konsulats in Damaskus. Und je näher der Iran an den Bau einer Atombombe heranrückt, desto wahrscheinlicher wird, dass auch seine Nuklearanlagen ins Visier geraten. Mag sein, dass die gefährliche Spirale aus Schlägen und Gegenschlägen vorerst durchbrochen wurde. Doch die nächste Eskalation ist nur eine Frage der Zeit."
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN merkt in einem Gastkommentar an: "Der mutmaßlich israelische Angriff auf den Iran war begrenzt und fiel kleiner aus als erwartet, hatte doch Ministerpräsident Netanjahu angekündigt, Israel werde alles tun, um sich zu verteidigen. Israel dürfte den starken Druck aus den USA gespürt haben, die nach Zurückhaltung verlangten. Durch den Gaza-Krieg hatte sich der Graben zwischen Washington und Jerusalem vertieft. Aber das gemäßigte Signal aus Israel könnte nun dazu beitragen, das Vertrauen zwischen Netanjahu und US-Präsident Biden wiederherzustellen", hofft ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT ist folgender Meinung: "Sollte Israel es dabei belassen und die Iraner ansonsten verschonen, ergibt sich für beide Länder ein willkommener Ausweg aus der Eskalation der Gewalt. Die Beziehungen zwischen Israel und dem Iran könnten dann wieder zum Status vor dem 1. April zurückkehren, als Israel den iranischen Botschaftskomplex in Damaskus beschoss und damit die 'Spielregeln' der Kriegsführung durcheinanderbrachte. Der iranische Vergeltungsschlag von letzter Woche könnte als Warnung und Aufforderung zugleich verstanden werden. Frei übersetzt: Ihr spielt mit dem Feuer, lasst uns zu den alten Spielregeln zurückkehren. Dieses Angebot scheint angenommen worden zu sein", meint DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Die Turiner Zeitung LA STAMPA sieht es so: "Israel stand vor einem dreifachen Problem: die iranische Aggression fünf Tage zuvor nicht ungestraft durchgehen zu lassen, nicht in eine wachsende Kriegsspirale mit Teheran einzutreten und zudem Washington nicht herauszufordern. Der Angriff auf Isfahan erfüllte praktisch alle Bedingungen. Er hat gezeigt, dass man in der Lage ist, innerhalb des Irans zuzuschlagen, und zwar in der Nähe von Atomkraftwerken, ohne sie zu zerstören. Und dass man sich nicht an die Anweisungen aus Washington halten muss."
Die britische Zeitung THE GUARDIAN erklärt: "Seit dem entsetzlichen Angriff der Hamas am 7. Oktober sowie Israels Reaktion darauf in Form seines tödlichen Angriffs auf den Gazastreifen steht die Gefahr eines regionalen Flächenbrands im Vordergrund der internationalen Besorgnis. Eine Eskalation ist keine drohende Gefahr mehr, sondern bereits eingetreten. Der Konflikt hat sich auf mehrere Fronten ausgeweitet: zunehmende Gewalt im Westjordanland, fast tägliche Feuergefechte mit der Hisbollah an der libanesischen Grenze, wodurch Zehntausende im Südlibanon und im Norden Israels vertrieben wurden, und die nun offene Konfrontation zwischen Israel und dem Iran nach Jahren des Schattenkriegs", analysiert THE GUARDIAN aus London.
"Es wurde mit Erleichterung aufgenommen, dass Israel bei seiner mutmaßlichen Vergeltungsaktion gegenüber dem Iran Zurückhaltung an den Tag gelegt hat", heißt es in der dänischen Zeitung POLITIKEN aus Kopenhagen: "Aber der Nahe Osten ist in einer gefährlichen Logik gefangen, sodass die Gefahr eines Großkriegs längst nicht gebannt ist. Israel hat keine größeren Zerstörungen angerichtet, sondern nur gezeigt, dass es in der Lage ist, in den iranischen Luftraum einzudringen. Im Augenblick haben die Seiten aus unterschiedlichen Gründen kein Interesse daran, dass es zu einer weiteren Eskalation kommt. Das bedeutet allerdings auch nicht, dass die Spannungen nachlassen."
Die norwegische Zeitung VERDENS GANG erläutert: "Der Iran weiß, dass Israel viel härter hätte reagieren können. Das israelische Kriegskabinett sah die Notwendigkeit zu handeln, aber ohne zu viel Getöse zu veranstalten. Es gilt weiterhin der Appell der USA zur Mäßigung. Die ersten Reaktionen deuten darauf hin, dass auch der Iran zu diesem Zeitpunkt an keiner weiteren Eskalation interessiert ist. Das bedeutet nicht, dass die Gefahr vorüber ist. Iran und Israel haben eine rote Linie überschritten, indem sie sich gegenseitig direkt angegriffen haben. Das bedeutet, dass das erneut passieren kann – mit katastrophalen Konsequenzen", warnt VERDENS GANG aus Oslo.
In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG ist zu lesen: "Israel muss mit der Gefahr iranischer Atombomben leben. Erpressbar ist es nicht, denn sein eigenes Atomarsenal dient als wirksame Abschreckung. Ein erfolgversprechender Weg für Israel und den Westen besteht deshalb nicht in einer militärischen Konfrontation. Vielmehr sollte es darum gehen, Irans strategische Lage systematisch zu schwächen. Auch Israel hätte Möglichkeiten, den Iran auf dem Schachbrett der Machtpolitik wirksamer entgegenzutreten. Die mit Teheran verbündete Hamas muss entscheidend geschwächt werden, aber die Verelendung der Bevölkerung im Gazastreifen führt den Terroristen zwangsläufig neue Kräfte zu. Der Übergang von der jetzigen massiven Kriegführung zu gezielteren Einzelaktionen gegen Hamas-Kaderleute wäre im besten Interesse Israels," vermutet die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Im Weltsicherheitsrat ist eine Resolution für eine UNO-Vollmitgliedschaft eines palästinensischen Staates am Veto der USA gescheitert. Die türkische Zeitung HABERTÜRK hält fest: "Der US-Vertreter im UNO-Sicherheitsrat erklärte nach der Abstimmung, die USA unterstützten weiterhin nachdrücklich die Zweistaatenlösung. Diese könne aber nur durch direkte Verhandlungen zwischen den Parteien erreicht werden. Doch wo wird ein palästinensischer Staat Gestalt annehmen können? Der Gazastreifen ist zerstört, die Westbank wird Schritt für Schritt besetzt. Israel wird den Siedlungsprozess in der Westbank noch beschleunigen. Die größte Herausforderung besteht darin, ein Gebiet zu finden, in dem das palästinensische Volk in einem echten und dauerhaften Frieden leben kann", gibt HABERTÜRK aus Istanbul zu bedenken.
Die chinesische, staatsnahe Zeitung HUANQIU SHIBAO wirft ein: "Washingtons Veto zeigt die Ignoranz der USA internationalen Gesetzen gegenüber. Die Vereinigten Staaten denken nur geostrategisch. Die Zukunft und das Leben der Palästinenser sind ihnen egal. Die vollumfängliche UNO-Mitgliedschaft für Palästina wäre ein wichtiger Schritt zur Umsetzung der Zweistaatenlösung mit Israel gewesen. Dadurch würde Palästina nicht nur mehr Anerkennung in der Welt gewinnen. Ferner könnte er zur Stabilität der Region beitragen. Seit der Antragstellung Palästinas sind nunmehr 13 Jahre vergangen. Und angesichts aktueller humanitären Katastrophen im Gazastreifen bleibt eigentlich keine Zeit mehr, die Angelegenheit im Ungewissen zu belassen." Das war zum Ende der internationalen Presseschau HUANQIU SHIBAO aus Peking.