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Die Irak-Politik der Bundesregierung

    Müller: Viel Verwirrung, Chaos, Fehleinschätzungen, außenpolitische Isolierung, dies die Vorwürfe der Opposition an die Adresse der Bundesregierung in der Irak-Politik. Wie verhält sich die Koalition im Sicherheitsrat? Muss der Bundestag für die geplanten Aktionen deutscher Soldaten noch einmal ausdrücklich zustimmen? - Dies ist heftig umstritten, denn das Schröder-Kabinett will neben den Awacs-Einsätzen auch bei der Überwachung des Luftraumes im Rahmen der UN-Waffeninspektionen Bundeswehrsoldaten einsetzen. Gerhard Schröder hat sich gestern Abend bei der ersten Frage immerhin auf dieses festgelegt: "Deutschland stimmt im Sicherheitsrat nicht mit ja". Im niedersächsischen Wahlkampf befindet sich auch SPD-Generalsekretär Olaf Scholz. Er ist jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen!

    Scholz: Guten Morgen!

    Müller: Herr Scholz, freuen Sie sich schon auf den nächsten Besuch Gerhard Schröders in Washington?

    Scholz: Sicher. Das sind unsere Verbündeten und Freunde und der Bundeskanzler spielt dort eine wichtige Rolle.

    Müller: Hat es aus Washington Signale gegeben, dass diese Beziehungen nun durch die Haltung der Bundesregierung ernsthaft belastet sind?

    Scholz: Sie sind nicht belastet. Das wird hier von der Opposition gerne beschrieben. Man muss und darf unter Freunden auch einen Dissens haben und was ja niemand übersehen darf: Deutschland steht mit seinen Soldaten zum Beispiel in Afghanistan gemeinsam mit den Amerikanern bei der Bekämpfung des Terrorismus. Das weiß auch in Washington jeder.

    Müller: Es geht ja auch um die Awacs-Einsätze. Es geht auch um den sogenannten Drohnen-Einsatz im Luftraum im Nachbarland des Irak, in der Türkei. Ist das keine Beteiligung?

    Scholz: Was die Vereinten Nationen machen ist etwas, das sich überhaupt nicht mit Krieg und auch nicht mit einer Beteiligung daran beschäftigt. Dabei geht es darum, durch Inspektionen dafür zu sorgen, dass eben aufgedeckt werden kann, was für Waffen im Irak existieren, die zu identifizieren und dann kontrolliert mit den Vereinten Nationen zu vernichten. Wir haben sehr früh gesagt, dass wir dieser Kriegsverhinderungsmaßnahme, die es ja auch ist, gerne unterstützend beiseite stehen. Etwas anderes sind alle anderen Dinge. Die dürfen gerne diskutiert werden. Da kann man sich aber sicher sein: wir werden nichts machen, was die Beteiligung Deutschlands an einem Irak-Krieg zur Folge hätte.

    Müller: Alles andere Drumherum - noch einmal die Frage - ist also keine deutsche Beteiligung?

    Scholz: Es wird keine deutsche Beteiligung geben, auch nicht beim Drumherum.

    Müller: Herr Scholz, Sie haben eben gesagt, was die Vereinten Nationen beschließen beziehungsweise wie sie nun vor Ort agieren, das ist legitim, das unterstützen wir. Das heißt aber, ein Sicherheitsratsbeschluss der Vereinten Nationen möglicherweise für eine Intervention ist nicht legitim?

    Scholz: Wir sind da anderer Meinung. Deshalb haben wir sehr früh Position bezogen. Die Menschen in Deutschland sind dort ja mit dem Bundeskanzler völlig einig. Was sich jetzt immer mehr herausstellt ist, dass sich vor allem eine Gruppe isoliert, nämlich die deutsche Opposition. Der französische Regierungschef, die französische Regierung, die europäischen Regierungschefs arbeiten Hand in Hand mit der deutschen Regierung daran, einen Krieg zu verhindern, und ich glaube, das ist auch die richtige Strategie.

    Müller: Und das gilt auch noch nach dem 2. Februar?

    Scholz: Das gilt allemal auch noch nach dem 2. Februar, weil das für uns eine sehr grundsätzliche Position ist. Wir haben das ja nicht einfach so gesagt, sondern die Position der Bundesregierung ist davon bestimmt, dass wir sagen, das was wir im Kosovo gemacht haben war etwas, das darum ging, einen Völkermord zu verhindern. Das was die Bundesrepublik Deutschland in Mazedonien tut und getan hat war etwas, um einen Bürgerkrieg und seinen Ausbruch zu verhindern. Das was wir in Afghanistan tun ist etwas, wo wir mit unseren amerikanischen Verbündeten gegen einen Anschlag auf die freie Welt kämpfen, der mit dem World Trade Center und der großen Katastrophe verbunden war. In der Irak-Frage liegt es aber anders. Da ist ein schlimmer Diktator und man kann dem irakischen Volk nur wünschen, dass er nicht mehr lange im Amt sein wird. Aber die Entwaffnung einer Regierung und die Entwaffnung eines Landes muss mit anderen Mitteln als durch einen Krieg erfolgen.

    Müller: Sie wissen bestimmt mit welchen Mitteln?

    Scholz: Es gibt viele Möglichkeiten. Jetzt sind die Vereinten Nationen im Gange und wir wissen aus der Situation des ersten Einsatzes der Vereinten Nationen bis 1998, dass dort sehr viele Waffen identifiziert und auch vernichtet wurden, und wir wünschen, dass auch jetzt diese Mission der Vereinten Nationen diesen Erfolg hat. Das unterstützen wir mit allen Möglichkeiten.

    Müller: Herr Scholz, kommen wir noch einmal auf den gestrigen Auftritt des Bundeskanzlers zurück. Er hat gesagt, im Sicherheitsrat wird die Bundesregierung nicht mit ja stimmen. Heißt das, sie wird mit nein stimmen?

    Scholz: Er hat gesagt, die Bundesregierung wird nicht mit ja stimmen, und das ist eine ausreichende Auskunft. Überhaupt finde ich, dass hier doch sehr viel immer hin- und hergeredet wird. Die ganze Zeit lang hat die Opposition behauptet, wir würden uns nicht so verhalten wie wir gesagt haben und das würde man auch im Sicherheitsrat sehen. Wo nun jetzt der Außenminister im Sicherheitsrat klar gesagt hat, Deutschland ist gegen einen Krieg im Irak, wo jetzt der Bundeskanzler sich festlegt, da dreht sich das dann plötzlich und da ist die Festlegung, die wir die ganze Zeit gemacht haben, nun auch wieder nicht recht. Ich glaube man muss sich schon entscheiden.

    Müller: Herr Scholz, Sie sind doch für Klarheit in der Politik, auch mit Blick auf die kommenden Wahlen. Wird Deutschland im Sicherheitsrat mit nein stimmen?

    Scholz: Deutschland wird nicht mit ja stimmen, hat der Bundeskanzler gesagt, und ich glaube das ist schon etwas, worauf sich alle verlassen können. Wir werden alles das zu bewerten haben, was dort kommt, und das wichtigste, was wir miteinander betrachten können, ist ja, dass wir gemeinsam mit anderen versuchen, einen Krieg zu verhindern.

    Müller: Denken Sie da an ein weiches nein, also an Enthaltung?

    Scholz: Wir haben überhaupt gar keine Festlegung für das weitere getroffen. Der Bundeskanzler hat jetzt ja mehr als bisher gesagt, nämlich dass sich jeder darauf verlassen kann, dass unser Abstimmungsverhalten in internationalen Gremien unserer grundsätzlichen Position entsprechen wird, und so wird es auch sein.

    Müller: Herr Scholz, die geplanten Aktionen deutscher Soldaten - wir haben das eben kurz benannt. Es ist umstritten, inwieweit der Bundestag da noch einmal zustimmen muss. Wie sehen Sie das?

    Scholz: Wir halten da gar nichts für umstritten, denn wir werden klar die Grenze beachten, die für die Frage einer Zustimmung des deutschen Bundestages beachtlich ist, nämlich es wird keine Beteiligung an einer militärischen Operation geben, weder direkt noch indirekt. Soweit diese Grenze nicht überschritten ist, braucht es auch keine zusätzliche Bundestagszustimmung, denn gewissermaßen ist die Grenze ja, wo man letztlich in einen Krieg verwickelt ist. Deshalb halte ich das ganze für ein rhetorisches Manöver der Opposition, um ihrer Dauerverdächtigung nachzugehen, dass wir es nicht ernst meinten mit unserer Position. Aber jede Minute sieht man jetzt, wie sehr das nichts weiter als aufgeregte Meldungen von Oppositionspolitikern waren. Wir bleiben bei der Haltung: Deutschland wird sich an einem Krieg im Irak nicht beteiligen, auf keine Weise.

    Müller: Es gibt die Opposition. Es gibt aber auch den Koalitionspartner, die Grünen. Da gibt es auch rhetorische Manöver, beispielsweise durch Hans-Christian Ströbele, der da sagt: wenn die ABC-Einheiten aus Kuwait im Falle eines Krieges nicht abgezogen werden, dann muss es ebenfalls eine Bundestagsresolution beziehungsweise eine Abstimmung geben.

    Scholz: Das ist eine juristische Position, die mir nicht erklärlich ist. Das was in dieser Frage ganz klar ist ist, dass es keine Beteiligung der Soldaten geben wird. Das wird auch so sein für die wenigen Soldaten, die in Kuwait stationiert sind. Es ist doch ganz offensichtlich, dass gegenwärtig diskutiert wird über einen Krieg im Irak und nicht über einen Krieg in Kuwait.

    Müller: Mitte der 90er Jahre, Herr Scholz, hat das Bundesverfassungsgericht ja festgelegt, auf Betreiben der SPD hin, dass sämtliche Militäreinsätze oder Militäreinsätze der Bundeswehr grundsätzlich vom Bundestag abgesegnet werden müssen. Gilt das nicht mehr?

    Scholz: Es ist so, dass selbstverständlich der deutsche Bundestag gefragt ist, wenn Deutschland militärisch sich beteiligt an kriegerischen Handlungen. Um die geht es aber bei all dem, was hier diskutiert wird, nicht.

    Müller: Olaf Scholz war das, SPD-Generalsekretär. - Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Link: Interview als RealAudio