Archiv


"Die Kiep-Affäre ist nicht hilfreich für die Partei."

Meurer: Der frühere Schatzmeister der CDU, Walter Leisler-Kiep, ist von der Augsburger Staatsanwaltschaft am Mittwoch vernommen worden. Was er gesagt hat wissen wir nicht, weil Leisler-Kiep sich auf das Steuergeheimnis berufen hat. - Am Telefon begrüße ich nun den CDU-Parteivorsitzenden, Unionsfraktionschef Wolfgang Schäuble. Guten Morgen Herr Schäuble!

    Schäuble: Guten Morgen Herr Meurer.

    Meurer: Sind Sie in den letzten Tagen etwas schlauer geworden, seitdem Walter Leisler-Kiep wieder im Lande ist?

    Schäuble: Nein, ich weiß von dem, was da in der Vernehmung am Mittwoch gewesen ist, auch nur das, was öffentlich mitgeteilt worden ist.

    Meurer: Wenn Sie mit ihm selbst reden würden - Sie haben es ja, glaube ich, noch nicht getan -, was würden Sie denn gerne von ihm wissen wollen?

    Schäuble: Ich habe mit Walter Leisler-Kiep nicht gesprochen, wobei der Anwalt, den wir ja eingeschaltet haben, damit wir auch nichts falsch machen, uns geraten hat, wir sollten uns mit den Beteiligten zum Gegenstand des Ermittlungsverfahrens möglichst gar nicht unterhalten. Deswegen habe ich auch gar kein Bedürfnis. Ich bin ja nicht Staatsanwalt. Wir wollen, dass dieses Ermittlungsverfahren möglichst rasch zum Abschluss gebracht werden kann. Wir sind ja politisch betroffen; das ist gar keine Frage. Wir wollen aber jeden Eindruck vermeiden, als wollten wir die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen behindern.

    Meurer: Wie sehr schadet es Ihnen, wenn wir jetzt nichts von dem erfahren, was Kiep gesagt oder was der CDU-Steuerberater Horst Weyrauch sagt? Wie schädlich ist das für Ihre Partei?

    Schäuble: Nun gut, das weiß ich nicht. Das ist immer ein bisschen schwierig. Es wird ja jetzt von allen möglichen versucht, alles mögliche zusammenzurühren und so eine allgemeine Parteispenden-Affäre zu konstruieren oder weiß der Himmel was, nach dem Motto: es bleibt immer etwas hängen. Das ist für die Partei natürlich alles andere als hilfreich. Daran gibt es gar keinen Zweifel. Das muss man ertragen. Die Sache ist: Die Staatsanwaltschaft führt ein Ermittlungsverfahren mit den bekannten Tatverdächten. Die CDU ist unmittelbar nicht betroffen von diesem Ermittlungsverfahren, aber wir haben natürlich jedes Interesse daran, dass rasch zu einem Abschluss kommt. Ich sage noch einmal: Was immer wir tun können, um dazu beizutragen, tun wir auch, aber das ist sehr begrenzt. Wir vermeiden aber peinlich jeden Eindruck, jedes Missverständnis, als würden wir es verhindern. Das ganze spielt ja auch einige Jahre zurück, aber es ändert nichts daran: diese allgemeine Debatte, diese ständigen Berichterstattungen, das alles erzeugt einen Eindruck von Zwielicht.

    Meurer: Da könnte doch Kiep für Klarheit sorgen. Warum tut er es nicht?

    Schäuble: Ja gut, in einem solchen Ermittlungsverfahren ist die Stellung eines Beschuldigten immer eine schwierige. Er muss ja nun darauf achten, dass er seine Rechte als Beschuldigter auch wahrnimmt. Im übrigen muss man ja auch hinzufügen: Ich habe mir am Anfang der öffentlichen Geschichte schon einen Moment überlegt, wie es einem Menschen ergehen mag, wo plötzlich über Agenturmeldungen der Eindruck erweckt wird, er sei quasi untergetaucht, er sei flüchtig. Es klang ja so, als habe sich Walter Leisler-Kiep aus dem Staub gemacht. Dabei war er zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichungen über diesen Haftbefehl mitten in öffentlichen Veranstaltungen, die, wenn ich es richtig weiß, sogar von der Polizei geschützt worden sind: die Buchvorstellung in Stuttgart. Das ist ja etwas, was auch einen Beschuldigten schon in seinen Persönlichkeitsrechten erheblich belastet und beeinträchtigt. Deswegen muss man dort auch ein Stück weit Rücksicht und Verständnis haben.

    Meurer: Um zu den Fakten zu kommen, wie sie bisher bekannt sind: Wie viel Verständnis haben Sie denn dafür, dass hier eine Parteispende - und der Unternehmer und Waffenhändler Karl-Heinz Schreiber hat es gestern in der Zeitung "Die Welt" noch einmal gesagt; es ist eine Parteispende von einer Million Mark an die CDU gewesen - nicht in die Parteikasse geflossen ist, sondern auf einem Treuhand-Konto geparkt wurde?

    Schäuble: Herr Meurer, jetzt wollen Sie mich in die Versuchung führen, mich zu dem Gegenstand dieses Ermittlungsverfahrens in irgendeiner Weise zu äußern. Das mache ich nicht! Ich weiß noch nicht einmal, ob es nun wirklich eine Parteispende war. Ich habe in der Zeitung auch gelesen, dass Herr Schreiber das so gemeint haben will. Tatsache ist ja nun - und das hat ja Leisler-Kiep selbst ausgesagt -, dass dieser Betrag nicht in die Konten und Bücher der CDU geflossen ist, dass niemand davon unterrichtet worden ist außer den Beteiligten, die öffentlich genannt worden sind. Deswegen kann ich noch nicht einmal die Frage beantworten, war es denn nun wirklich eine Parteispende. Wir haben sie jedenfalls nicht bekommen!

    Meurer: Es ist aber immerhin bekannt, dass im August 1991 der damals amtierende Schatzmeister der CDU in der Schweiz war, mit dem Steuerberater der CDU zusammen, und einen Koffer voll Geld unter konspirativ anmutenden Umständen mit nach Hause geholt hat?

    Schäuble: Das ist der Sachverhalt, wie er öffentlich bekannt ist. Der genau ist nun Gegenstand des Ermittlungsverfahrens. Jedermann hat so seine Gefühle bei einem solchen Sachverhalt, aber da nun genau dieses Gegenstand jenes Ermittlungsverfahrens ist werden Sie verstehen, dass ich als jemand, der damals nun mit der Parteiführung nichts zu tun hatte, mich in Kommentaren wirklich zurückhalte, sondern sage: das muss die Staatsanwaltschaft aufklären. Wir haben zunächst einmal das getan, was wir tun können, nämlich in den uns zugänglichen Unterlagen der CDU Deutschlands zu schauen. Dort haben wir nichts davon gefunden. Deswegen sind wir jetzt darauf angewiesen, was das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ist. Im übrigen haben wir ja versucht, Akteneinsicht zu bekommen. Die ist uns bisher nicht gewährt worden wegen des Steuergeheimnisses, das ja ein schützenswertes Geheimnis ist. Das will ich auch nicht kritisieren. So sind wir eben auf Agenturmeldungen angewiesen.

    Meurer: Zum einen sagen Sie, Sie sind damals nicht in der Führung gewesen; zum anderen müssen Sie es jetzt ausbaden als heutiger Parteivorsitzender, was vor acht Jahren passiert ist.

    Schäuble: Nun gut, ich meine, es ist klar: Walter Leisler-Kiep war Schatzmeister über viele Jahre. Er hat vieles an Belastungen für die CDU Deutschlands getragen. Auch daran kann gar kein Zweifel sein. Natürlich muss sich jede Organisation und eine Partei das Verhalten ihres Schatzmeisters in jedem Fall auch zurechnen lassen. Das ist auch klar. Sie wollen mich jetzt nach Sachverhalten fragen beziehungsweise Wertungen von Sachverhalten von mir hören für eine Zeit, wo mir über das, was öffentlich bekannt ist, hinaus auch keine eigenen Erkenntnisse zugänglich sind, ich keine eigenen Erkenntnisse habe. Das wird auch Jedermann so verstehen. Wenn ich aber als jetziger Parteivorsitzender Wertungen abgebe, dann wird denen eine andere Qualität beigemessen als Wertungen von jedem anderen Menschen. Es beteiligen sich im Moment ja viele an Spekulationen, was damals gewesen sein mag.

    Meurer: Ja, aber ich gehe einmal davon aus, Herr Schäuble, dass Sie sich natürlich in den letzten Tagen und Wochen versucht haben, darüber ein Bild zu machen. Jeder stellt sich zum Beispiel die Frage, wie kommt es, dass die CDU bis 1989 tief in der Kreide war, im Minus, und wenige Jahre später so viel im Plus. Haben Sie dafür eine Erklärung?

    Schäuble: Die Frage habe ich dieser Tage schon einmal beantwortet. Nein! Mir war allerdings gar nicht so richtig bekannt, wie sehr die CDU damals, Ende der 80er Jahre, im Minus gewesen sein soll oder nicht. Das auf und ab der finanziellen Situation von Parteien ist ja auch in dem Rhythmus von Wahljahren immer ein wenig unterschiedlich. Man muss ein bisschen daran denken. Auch die staatliche Wahlkampfkostenerstattung, auch der Spendeneingang ist in Wahljahren besser als in anderen Jahren. 1990 waren Bundestagswahlen. Es waren übrigens Bundestagswahlen unter ganz besonderen Vor-weichen, zum erstenmal im wiedervereinten Deutschland. Aber über das hinaus, was in den Rechenschaftsberichten der Partei veröffentlicht ist, habe ich keine zusätzlichen Erkenntnisse. Ich sagte ja schon, Herr Meurer, die Generalsekretäre, der Schatzmeister, der Parteivorsitzende, der Bundesgeschäftsführer, wir haben natürlich alles angestellt, um in den uns zugänglichen Unterlagen der Partei zusätzliche Erkenntnisse zu finden. Wir haben keine gefunden!

    Meurer: Fazit: Sie können überhaupt nichts tun, als nur nach Augsburg zu blicken und abzuwarten?

    Schäuble: Wir haben das getan, was wir tun konnten. Wenn wir Anhaltspunkte haben für weitere Untersuchungen in den Unterlagen der Partei, werden wir es natürlich tun. Wir haben ja Rechnungsprüfer eingeschaltet, wir haben ein Anwaltsbüro eingeschaltet, um unsererseits zur Aufklärung alles beizutragen was irgend möglich ist. Das ist der Stand der Erkenntnisse. Im übrigen sage ich noch einmal. Dazu bin ich auch zu lange Anwalt und Jurist. Man muss sich während eines schwebenden Ermittlungsverfahrens auch jeden Anschein vermeiden, als wolle man etwa die Arbeit der Staatsanwaltschaft behindern. Das tun wir auch nicht!

    Meurer: Eine andere Frage ist die nach Konsequenzen. Beispielsweise ist es so üblich, dass die führenden CDU-Mitarbeiter über das Büro des Steuerberaters Horst Wer-Rauch bezahlt werden. Wird das in Zukunft anders gemacht werden?

    Schäuble: Wir werden uns, wenn das Verfahren abgeschlossen ist, natürlich im Lichte aller Erkenntnisse, die wir daraus sammeln, das alles noch einmal gut überlegen. An sich ist es ja nichts Ungewöhnliches. Da können Sie viele mittelständische Betriebe finden.

    Meurer: Aber nicht Parteien?

    Schäuble: Weiß ich nicht, wie das bei den anderen Parteien ist. Mir hat das ein-geleuchtet, als ich bei der Übernahme des Parteivorsitzes davon unterrichtet worden bin, dass man die Gehälter der leitenden Angestellten, auch die steuerrechtlichen, sozialvers-sicherungsrechtlichen Dinge über ein Wirtschaftsprüferbüro abwickelt. Mein Vater ist selber Steuerberater gewesen; der hat auch für viele Mandanten quasi die Lohnbuchhaltung gemacht.

    Meurer: Und leuchtet es Ihnen auch ein, dass Einnahmen über dieses Konto ablaufen?

    Schäuble: Ja. Auch dieses, finde ich, hat mir eigentlich sehr eingeleuchtet, weil ich denke, es ist doch so: Angesichts der strengen Vorschriften, was die Rechenschaftslegung über Parteispenden und so weiter betrifft, ist es doch eigentlich auch sinnvoll zu sagen, man schaltet für die Spendeneinnahmen der Bundespartei ein Wirtschaftsprüfer-büro- ein, damit sichergestellt ist, dass alles den gesetzlichen Vorschriften genauestens entspricht.

    Meurer: Der Vorsitzende der CDU, Wolfgang Schäuble, bei uns im Deutschlandfunk. - Vielen Dank Herr Schäuble und auf Wiederhören!