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Die kommende Wahl in Sachsen-Anhalt

Heinlein: Am Sonntag wird in Sachsen-Anhalt gewählt. In den Umfragen ist Ministerpräsident Höppner weit abgeschlagen. Was bedeutet dieses mögliche Ergebnis mit Blick auf die Bundestagswahl? Der letzte Urnengang vor der Bundestagswahl, er verspricht spannend zu werden. Darüber wollen wir jetzt reden mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck. Guten Morgen!

    Struck: Guten Morgen Herr Heinlein.

    Heinlein: Herr Struck, zunächst zu den Ereignissen dieser Nacht. Die Metall-Tarifverhandlungen sind gescheitert. Hätten Sie sich eine Einigung gewünscht?

    Struck: Ich sehe schon noch Chancen für eine Einigung, nachdem die beiden Spitzenleute Klaus Zwickel und Herr Kannegiesser ja offenbar verabredet haben, die Gespräche noch einmal fortzusetzen. Es wäre für unsere Volkswirtschaft vernünftig, wenn es ohne ein Schlichtungsverfahren zu einer Einigung auf einer vernünftigen Basis käme. Ich denke, die Aussichten dafür sind gar nicht so schlecht.

    Heinlein: Haben Sie Verständnis für die Forderung der IG Metall? Sie wollen ja unbedingt eine 4 vor dem Komma.

    Struck: Ich habe Verständnis für die Forderungen der IG Metall, die ja gegenübergestellt werden muss dem Angebot der Arbeitgeber. Es wäre falsch nun zu sagen, die IG Metall müsste genauso abschließen wie die IG BCE. Es sind immer unterschiedliche Branchen. Es gibt auch unterschiedliche Gewinnsituationen in den Branchen. Ich denke aber, dass jedem klar war, dass weder 6,5 Prozent noch 2 Prozent dabei herauskommen würden. Ich will mich auch sonst nicht einmischen in diese Gespräche.

    Heinlein: Die 6,5 Prozent sind ja vom Tisch, genauso wie die 2 Prozent der Arbeitgeber. Nun haben die Arbeitgeber 3,3 Prozent ähnlich wie bei der Chemiebranche angeboten. Könnte sich in diesem Rahmen ein Kompromiss abspielen, der heute dann vielleicht bei diesem Spitzengespräch in wenigen Stunden erreicht werden könnte?

    Struck: Lassen Sie uns das doch abwarten, Herr Heinlein. Es wäre wirklich falsch, wenn ein Politiker sagte, nun einigt euch mal bei der und der Größenordnung. Die Beteiligten wissen viel besser, was für die jeweilige Wirtschaft verantwortbar ist. Beide gehen ganz offensichtlich davon aus, dass es besser wäre, ohne ein langwieriges Schlichtungsverfahren oder ohne gar weitere Streiks zu einer Einigung zu kommen. Ich glaube, das wird klappen.

    Heinlein: Dann blicken wir voraus auf den Sonntag, Herr Struck. 25 Prozent geben Ihnen die Meinungsforscher, klar hinter der CDU und fast gleich mit dem bisherigen Partner PDS. Welche Erklärung haben Sie für das Stimmungstief Ihrer Partei in Sachsen-Anhalt?

    Struck: Das ist zunächst einmal eine jetzige Beschreibung der Stimmungslage. Kein Mensch weiß, wie es wirklich in zwei Tagen sein wird. Wir haben in den letzten Wahlen nicht nur im Osten, sondern auch in westlichen Ländern bei Landtagswahlen die Erfahrung gemacht, dass die Zahl derjenigen, die heute noch nicht wissen, wie sie sich am Sonntag entscheiden, oder die vielleicht auch noch nicht wissen, ob sie am Sonntag zur Wahl gehen, immer höher wird. Von daher gibt es noch gute Chancen, dass die SPD ihre Position verbessern kann. Offenbar ist es der CDU gelungen, aus der Oppositionsposition heraus die schwierige Lage in Sachsen-Anhalt, die aber auch in Sachsen oder anderswo ja zu verzeichnen ist, was den Arbeitsmarkt angeht, dem Ministerpräsidenten oder der Landesregierung anzulasten. Von daher haben die Sozialdemokraten dort wirklich eine ganz schwierige Ausgangsposition, aber es ist noch nicht ausgeschlossen, dass die SPD auch weiter in Regierungsverantwortung bleibt.

    Heinlein: Dennoch zeichnet sich ja ab, Herr Struck, dass sich das Magdeburger Modell unter dem Strich für die Sozialdemokraten nicht ausgezahlt hat. Haben Sie eine Erklärung warum?

    Struck: Eine Minderheitsregierung, so wie wir sie jetzt acht Jahre lang in Sachsen-Anhalt gehabt haben, ist natürlich eine ganz schwierige Konstellation. Man ist wie wir jetzt in Sachsen-Anhalt in der alleinigen Regierungsverantwortung, ist aber immer doch wieder angewiesen auf die Unterstützung anderer im Landtag, wenn es um die Durchsetzung von Gesetzen oder beispielsweise um die Verabschiedung eines Haushaltsplanes geht. Wir werden mit Sicherheit in der nächsten Legislaturperiode in Sachsen-Anhalt ein solches Modell nicht mehr haben. Ich bin dafür, dass man stabile Regierungsverhältnisse in Sachsen-Anhalt hat. Dieses Land hat eine ganz schwierige Strukturkrise zu bestehen. Viele wichtige Branchen sind weggebrochen. Es geht jetzt darum, dass man auch über eine stabile Mehrheit dann die Investitionsentscheidungen für das Land insbesondere zur Bewältigung dieser Strukturkrise auch vernünftig durchsetzen kann.

    Heinlein: Stabile Regierungskonstellation sagen Sie. Heißt das große Koalition?

    Struck: Das muss es nicht unbedingt heißen. Man muss immer Mehrheiten in einem Parlament haben. Ich bin dafür, dass man jedenfalls nicht mehr mit dem Modell der Minderheitsregierung arbeitet. Es sieht ja auch nicht so aus nach den Meinungsumfragen, dass das noch realistisch wäre. Es kommt aber darauf an, dass man im Landtag vier, fünf Mandate mehr hat als die Opposition. Dann kann man auch die Gesetze vernünftig durchsetzen.

    Heinlein: Die PDS-Chefin Gabi Zimmer hat nun gestern angedeutet, der SPD vielleicht auch den Ministerpräsidentenposten zu überlassen, auch wenn ihre Partei bei den Wahlen am Sonntag mehr Stimmen als die SPD sammelt. Sollte Höppner auf ein solches Angebot eingehen?

    Struck: Das ist zunächst mal seine Entscheidung, aber da ich weiß, dass er ein solches Angebot ablehnen wird, kann ich das auch hier sagen. Ich wäre auch nicht dafür, aber das ist durchgängige Meinung aller Sozialdemokraten, auch in Sachsen-Anhalt, dass es eine solche Konstellation nicht geben wird. Es wird keine von der PDS als größerer Partei angeführte Koalition mit der SPD geben.

    Heinlein: Also rot-rot nur dann, wenn die SPD die stärkere Partei ist, der stärkere Partner?

    Struck: Ich mische mich da nicht ein. Die SPD in Sachsen-Anhalt hat beschlossen, dass sie eine Woche nach der Landtagswahl auf einem Landesparteitag die Entscheidung treffen wird im Lichte des Wahlergebnisses und das muss man abwarten.

    Heinlein: Wie stark beeinflusst denn die aktuelle SPD-Spendenaffäre die Stimmung im Lande zu Lasten Ihrer Partei?

    Struck: Nach meinen Erfahrungen sehr gering. Ich bin in Sachsen-Anhalt unterwegs gewesen, zuletzt vorgestern. Das Thema hat keine Rolle gespielt. Das wichtigste Thema im Landtagswahlkampf ist ganz eindeutig die Arbeitsmarktsituation in Sachsen-Anhalt und die Programme, die die Landesregierung dazu aufgelegt hat, und natürlich auch die Bewertung der Arbeit der bisherigen Landesregierung, wobei ich die Erfahrung gemacht habe, dass jeder einzelne Minister, auch der Ministerpräsident entgegen dem Eindruck, der hier vermittelt wird, dass er eine blasse Figur sei, durchaus Anerkennung fand.

    Heinlein: Frage zum Schluss, Herr

    Struck: Welche Signalwirkung hat denn diese Wahl für die Bundestagswahlen im September?

    Struck: Sie hat keine besondere Signalwirkung. Wir wählen erst in fünf Monaten für den deutschen Bundestag. Da spielt die Bundespolitik eine Rolle. Eine Landtagswahl ist immer eine Landtagswahl!

    Heinlein: Aber nach einer Steilvorlage für Berlin sieht es ja derzeit nicht aus, sondern eher nach einem Kurzpass ins Abseits für die SPD?

    Struck: Warten wir erst mal ab, Herr Heinlein, aber man muss noch mal deutlich sagen: es geht hier vor allen Dingen um Landespolitik. Es geht auch um die Bewertung der einzelnen Spitzenkandidaten oder der Mannschaften, die dort vorgestellt worden sind. Insofern kann man daraus überhaupt keine großen Schlüsse auf das Ergebnis vom 22. September ziehen.

    Heinlein: Am Sonntag die Wahlen in Sachsen-Anhalt. Dazu heute Morgen hier im Deutschlandfunk SPD-Fraktionschef Peter Struck. - Herr Struck, ich danke Ihnen für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Link: Interview als RealAudio