Christoph Heinemann: Angesichts ungelöster Probleme bei der Integration der Muslime soll die Islamkonferenz auch nach der Bundestagswahl fortgesetzt werden. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble wertete die von ihm ins Leben gerufene Konferenz zum Abschluss nach drei Jahren als Erfolg. "Wir waren uns einig, dieser Ansatz muss in den kommenden Jahren wie auch immer fortgesetzt werden", sagte Schäuble. Mein Kollege Mario Dobovisek hat die SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün gefragt, ob die Muslime in Deutschland inzwischen einig, das heißt einer Meinung sind.
Lale Akgün: Nein. Ich glaube, der Islam ist ja ganz anders organisiert als zum Beispiel die Katholische Kirche, und ich glaube, dass die im Moment existierenden Verbände auch nur ein Bruchteil der muslimischen Welt in Deutschland wiedergeben, wobei man sagen muss, 80 Prozent natürlich völlig säkular. Deswegen ist es auch ganz schwer, den sogenannten, den einen Ansprechpartner für die Politik zu finden.
Mario Dobovisek: Wie kann dann überhaupt ein Dialog zwischen Staat und den muslimischen Bürgern stattfinden?
Akgün: Ich glaube, vielleicht müssen wir eine Sache noch mal klären. Wenn man immer von den muslimischen Bürgern spricht, entsteht leicht der Eindruck, als hätten muslimische Bürger andere Probleme oder andere Wünsche als normale Bürger, und ich glaube, man muss sehen, dass die muslimischen Bürger eigentlich ganz ähnliche Vorstellungen und Sorgen und Nöte haben wie die anderen Bürger auch. Es gibt ein, zwei Dingen, vielleicht drei, wobei man sagen muss, die müssten gelöst werden, damit man auch in Deutschland bei den muslimischen Bürgern die Dinge anders richten kann.
Dobovisek: Welche Dinge wären das, Frau Akgün?
Akgün: Zum Beispiel fände ich ganz wichtig, dass wir Fakultäten für islamische Theologie in Deutschland bekommen, damit nicht aus dem Ausland Imame nach Deutschland geholt werden müssen, die zum Teil auch eine andere Vorstellung vom Zusammenleben, von Gleichberechtigung von Mann und Frau und so weiter haben. Das heißt, wir müssen unsere islamischen Geistlichen und Theologen selber ausbilden. Wir brauchen weiterhin natürlich auch islamischen Religionsunterricht, dafür brauchen wir Religionslehrer. Wir brauchen zum Beispiel auch auf kommunaler Ebene die Frage des Moscheebaus zu lösen und wir brauchen islamische Friedhöfe. Das sind zum Beispiel Probleme, wo wirklich man sagen muss, das sind ganz spezifisch islamische Probleme – alles andere nicht.
Dobovisek: Aber über Punkte wie zum Beispiel den Islamunterricht wurde ja auf der Islamkonferenz gesprochen. War die Konferenz denn ein Erfolg?
Akgün: Gesprochen wurde bestimmt über den Islamunterricht, nur der Bund hat gar keine Kompetenzen in dieser Frage. Diese Frage muss auf Länderebene gelöst werden, das heißt man muss auf Länderebene schauen, wie man sich an diese Probleme zum Teil ranrobbt, weil die jetzigen islamischen Verbände sind nicht als Glaubensgemeinschaft anerkannt. Also muss man darüber nachdenken, wie man trotzdem bestimmte muslimische Gruppierungen ins Gespräch einbindet.
Dobovisek: Also sagen Sie, die Konferenz war kein Erfolg?
Akgün: Die Konferenz war überhaupt kein Erfolg! Die Konferenz war wirklich eine Konferenz, man ist zusammengekommen, hat miteinander geredet, und man ist auseinandergegangen, also vier Mal zusammenkommen, labern und auseinander.
Dobovisek: Aber ist das nicht zumindest ein Anfang, zumindest mit den Muslimen zu reden und nicht mehr bloß über sie?
Akgün: Die Frage ist natürlich für mich, was kommt dabei herum, mit den Muslimen zu reden, und mit welchen Muslimen auch zu reden. Das ist ja genau die Schwierigkeit. Ich glaube, es kann ja sein, dass die Intention von Herrn Schäuble wirklich nett und gut war, aber erstens hat er sich Verbände an den Tisch geholt, die sehr orthodox und sehr konservativ sind. Das heißt, er hat den Verbandsislam in Deutschland aufgewertet, wobei ich zum Teil Bauchschmerzen habe, weil Leute, die er an seinen Tisch geholt hat, auch vom Verfassungsschutz beobachtet werden – nicht alle, aber ein Teil. Das ist ein Problem. Und dann hat er noch Einzelpersonen eingeladen, die mehr oder weniger dem Islam nahestehen oder kritisch gegenüberstehen, und die haben dann mit den anderen diskutiert. Aber das ist kein Dialog mit dem Islam, wobei wie gesagt die Frage ist, muss der Staat mit dem Islam einfach ganz allgemein Dialog führen, oder muss er nicht bestimmte Probleme vor Ort lösen. Das fände ich viel wichtiger.
Dobovisek: Aber dann wird es wieder sehr kleinteilig, wenn alles in jedem Land einzeln gelöst wird. Also noch mal die Frage: mit wem sollte denn Wolfgang Schäuble dann am besten sprechen?
Akgün: Wolfgang Schäuble kann reden mit wem er will, aber die Frage ist, muss eigentlich Wolfgang Schäuble überhaupt in der jetzigen Situation mit bestimmten Gruppierungen reden, und wenn er es tut, hätte er schon sagen müssen, was die Ziele dieses Gespräches sind. Wie Sie sehen, ist nach dreieinhalb Jahren gar nichts dabei herausgekommen, und nur zu sagen, wir haben ein bisschen miteinander geredet, halte ich für zu wenig für den Medienaufwand, den er betrieben hat.
Dobovisek: "Gar nichts" würde Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble wahrscheinlich nicht ganz so unterstreichen. Er sagt ja zum Beispiel auch, Muslime und Deutsche seien sich emotional sehr viel näher gekommen. Erkennen Sie, was er damit meinen könnte, Frau Akgün?
Akgün: Nein! Wir haben in diesem Land 80 Millionen Menschen, von denen sind 4 Millionen Muslime und durch viermal zusammenkommen von 20 Leuten sollen sich Muslime und Einheimische näher gekommen sein; das halte ich aber für stark übertrieben, zumal Herr Schäuble ja so tut, als würden wir bei null anfangen. Ich glaube, in diesem Land sind sich Menschen zum Teil sehr viel näher gekommen auch ohne die Islamkonferenz über die Jahre hinweg in dem Prozess des Zusammenlebens. Wissen Sie, auch ein Moslem ist ja nicht nur dadurch gekennzeichnet, dass er Moslem ist; er ist auch Nachbar, er ist Kollege, er ist Kamerad, er ist Freund. All diese Dinge werden ausgeklammert und es heißt immer nur, der Moslem und der Einheimische müssen miteinander reden. Ich finde das sehr, sehr grob geschnitzt und ich glaube sogar ein wenig diskriminierend.
Heinemann: Die SPD-Politikerin Lale Akgün im Gespräch mit meinem Kollegen Mario Dobovisek.
Lale Akgün: Nein. Ich glaube, der Islam ist ja ganz anders organisiert als zum Beispiel die Katholische Kirche, und ich glaube, dass die im Moment existierenden Verbände auch nur ein Bruchteil der muslimischen Welt in Deutschland wiedergeben, wobei man sagen muss, 80 Prozent natürlich völlig säkular. Deswegen ist es auch ganz schwer, den sogenannten, den einen Ansprechpartner für die Politik zu finden.
Mario Dobovisek: Wie kann dann überhaupt ein Dialog zwischen Staat und den muslimischen Bürgern stattfinden?
Akgün: Ich glaube, vielleicht müssen wir eine Sache noch mal klären. Wenn man immer von den muslimischen Bürgern spricht, entsteht leicht der Eindruck, als hätten muslimische Bürger andere Probleme oder andere Wünsche als normale Bürger, und ich glaube, man muss sehen, dass die muslimischen Bürger eigentlich ganz ähnliche Vorstellungen und Sorgen und Nöte haben wie die anderen Bürger auch. Es gibt ein, zwei Dingen, vielleicht drei, wobei man sagen muss, die müssten gelöst werden, damit man auch in Deutschland bei den muslimischen Bürgern die Dinge anders richten kann.
Dobovisek: Welche Dinge wären das, Frau Akgün?
Akgün: Zum Beispiel fände ich ganz wichtig, dass wir Fakultäten für islamische Theologie in Deutschland bekommen, damit nicht aus dem Ausland Imame nach Deutschland geholt werden müssen, die zum Teil auch eine andere Vorstellung vom Zusammenleben, von Gleichberechtigung von Mann und Frau und so weiter haben. Das heißt, wir müssen unsere islamischen Geistlichen und Theologen selber ausbilden. Wir brauchen weiterhin natürlich auch islamischen Religionsunterricht, dafür brauchen wir Religionslehrer. Wir brauchen zum Beispiel auch auf kommunaler Ebene die Frage des Moscheebaus zu lösen und wir brauchen islamische Friedhöfe. Das sind zum Beispiel Probleme, wo wirklich man sagen muss, das sind ganz spezifisch islamische Probleme – alles andere nicht.
Dobovisek: Aber über Punkte wie zum Beispiel den Islamunterricht wurde ja auf der Islamkonferenz gesprochen. War die Konferenz denn ein Erfolg?
Akgün: Gesprochen wurde bestimmt über den Islamunterricht, nur der Bund hat gar keine Kompetenzen in dieser Frage. Diese Frage muss auf Länderebene gelöst werden, das heißt man muss auf Länderebene schauen, wie man sich an diese Probleme zum Teil ranrobbt, weil die jetzigen islamischen Verbände sind nicht als Glaubensgemeinschaft anerkannt. Also muss man darüber nachdenken, wie man trotzdem bestimmte muslimische Gruppierungen ins Gespräch einbindet.
Dobovisek: Also sagen Sie, die Konferenz war kein Erfolg?
Akgün: Die Konferenz war überhaupt kein Erfolg! Die Konferenz war wirklich eine Konferenz, man ist zusammengekommen, hat miteinander geredet, und man ist auseinandergegangen, also vier Mal zusammenkommen, labern und auseinander.
Dobovisek: Aber ist das nicht zumindest ein Anfang, zumindest mit den Muslimen zu reden und nicht mehr bloß über sie?
Akgün: Die Frage ist natürlich für mich, was kommt dabei herum, mit den Muslimen zu reden, und mit welchen Muslimen auch zu reden. Das ist ja genau die Schwierigkeit. Ich glaube, es kann ja sein, dass die Intention von Herrn Schäuble wirklich nett und gut war, aber erstens hat er sich Verbände an den Tisch geholt, die sehr orthodox und sehr konservativ sind. Das heißt, er hat den Verbandsislam in Deutschland aufgewertet, wobei ich zum Teil Bauchschmerzen habe, weil Leute, die er an seinen Tisch geholt hat, auch vom Verfassungsschutz beobachtet werden – nicht alle, aber ein Teil. Das ist ein Problem. Und dann hat er noch Einzelpersonen eingeladen, die mehr oder weniger dem Islam nahestehen oder kritisch gegenüberstehen, und die haben dann mit den anderen diskutiert. Aber das ist kein Dialog mit dem Islam, wobei wie gesagt die Frage ist, muss der Staat mit dem Islam einfach ganz allgemein Dialog führen, oder muss er nicht bestimmte Probleme vor Ort lösen. Das fände ich viel wichtiger.
Dobovisek: Aber dann wird es wieder sehr kleinteilig, wenn alles in jedem Land einzeln gelöst wird. Also noch mal die Frage: mit wem sollte denn Wolfgang Schäuble dann am besten sprechen?
Akgün: Wolfgang Schäuble kann reden mit wem er will, aber die Frage ist, muss eigentlich Wolfgang Schäuble überhaupt in der jetzigen Situation mit bestimmten Gruppierungen reden, und wenn er es tut, hätte er schon sagen müssen, was die Ziele dieses Gespräches sind. Wie Sie sehen, ist nach dreieinhalb Jahren gar nichts dabei herausgekommen, und nur zu sagen, wir haben ein bisschen miteinander geredet, halte ich für zu wenig für den Medienaufwand, den er betrieben hat.
Dobovisek: "Gar nichts" würde Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble wahrscheinlich nicht ganz so unterstreichen. Er sagt ja zum Beispiel auch, Muslime und Deutsche seien sich emotional sehr viel näher gekommen. Erkennen Sie, was er damit meinen könnte, Frau Akgün?
Akgün: Nein! Wir haben in diesem Land 80 Millionen Menschen, von denen sind 4 Millionen Muslime und durch viermal zusammenkommen von 20 Leuten sollen sich Muslime und Einheimische näher gekommen sein; das halte ich aber für stark übertrieben, zumal Herr Schäuble ja so tut, als würden wir bei null anfangen. Ich glaube, in diesem Land sind sich Menschen zum Teil sehr viel näher gekommen auch ohne die Islamkonferenz über die Jahre hinweg in dem Prozess des Zusammenlebens. Wissen Sie, auch ein Moslem ist ja nicht nur dadurch gekennzeichnet, dass er Moslem ist; er ist auch Nachbar, er ist Kollege, er ist Kamerad, er ist Freund. All diese Dinge werden ausgeklammert und es heißt immer nur, der Moslem und der Einheimische müssen miteinander reden. Ich finde das sehr, sehr grob geschnitzt und ich glaube sogar ein wenig diskriminierend.
Heinemann: Die SPD-Politikerin Lale Akgün im Gespräch mit meinem Kollegen Mario Dobovisek.