Archiv


Die Kongresswahlen in den USA

    Gerner: Am Telefon begrüße ich Jackson Janes vom Institute for Contemporary German Studies, also den zeitgenössischen Deutschland-Studien in Washington. Herr Janes, das sieht nach einer klaren Niederlage für die Demokraten aus. Gibt es Gründe dafür?

    Janes: Ich weiß nicht, wie klar es ist, aber das zeigt auf jeden Fall die Stärke des Präsidenten. Er hat sich hier ziemlich deutlich als Person in diesem Rennen engagiert, und ich glaube, er kommt als Sieger raus, weil seine Politik und seine Führung offensichtlich nach wie vor sehr stark im Lande angesehen werden.

    Gerner: Nochmals zu den Demokraten. Als Opposition haben sie ja, was man in Deutschland mitbekommen hat, nicht unbedingt überzeugt. Bei der Ermächtigung zum Irak-Vorgehen haben viele mit George Bush gestimmt. Dann gab es eine Reihe von Manipulationen in Wirtschaftsbilanzen, Börsenskandalen, der Enron-Skandal. Warum ist es den Demokraten nicht gelungen, daraus Kapital zu schlagen?

    Janes: Ich glaube, dass die Formulierung ihrer Strategie nicht erfolgreich war, weil sie gar keine klare Nachricht oder Überzeugung vermittelt hat. Diese Wahlen zwischen den Präsidentschaftswahlen sind sehr abhängig von lokalen Ereignissen, und deswegen ist es sehr schwer, einfach ein Gesamtbild daraus zu schließen. Aber ich glaube, in diesem Falle waren die Demokraten nicht in der Lage, einfach ein alternatives Bild auf nationalen Ebene zu zeichnen, und insofern waren dann die Entscheidungen überwiegend nach lokalen Bedürfnissen und Interessen beschlossen.

    Gerner: Liegt es auch daran, dass die Demokraten mit alten Gesichtern aufgetreten sind, von Al Gore, dem gescheiterten Präsidentschaftskandidaten, bis zu Walter Mondale, dem Vizepräsidenten unter Jimmy Carter?

    Janes: Sie haben doch gewonnen. Ich meine, die alten Gesichter in Minnesota und New Jersey haben tatsächlich das Rennen in den jeweiligen Bundesstaaten gewonnen. Aber, wie gesagt, das zeigt eigentlich, dass vielleicht beide Parteien im Sinne von einer Erneuerung nicht ganz überzeugt waren. Ich glaube, im Endeffekt ist das Land nach wie vor wie im Jahr 2000 geteilt.

    Gerner: Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass die Republikaner auch die Mehrheit im US-Senat erlangen. Wenn beide Kammern in Bushs Händen wären, was würde das bedeuten?

    Janes: Es wäre viel einfacher für den Präsidenten, sowohl innenpolitisch als auch außenpolitisch seine eigene Politik durchzuziehen. Es ist ja natürlich nicht ganz vergleichbar mit einem parlamentarischen System, wie man es aus Deutschland kennt. Die jeweiligen Abgeordnete, sei es im Haus oder im Senat, sind sehr unabhängig, und eine Koalition ist manchmal abhängig von den jeweiligen Entscheidungen, die getroffen werden. Aber ich glaube insgesamt, das ist eine seltene Angelegenheit, wenn der Präsident beide Kammern unter einer Fahne hat, und es wäre auf jeden Fall in den kommenden Monaten und in den nächsten zwei Jahren ein Vorteil für den Präsidenten.

    Gerner: Sie sagen, außenpolitisch könnte er dann Dinge noch einfacher durchziehen. Viele haben ja jetzt schon den Eindruck, als ob die USA außenpolitisch eine Menge durchzögen.

    Janes: Ja. Gerade jetzt im Sinne vom Irak und den anderen Entscheidungen, die damit verbunden sind, hätte er natürlich eine Mehrheit in dem Senat, und das ist dort, wo die Außenpolitik überwiegend beschlossen wird.

    Gerner: Das Repräsentantenhaus wird ja alle zwei Jahre neu gewählt, ein permanenter Wahlkampf, wenn man so will. Tut es einer Demokratie gut?

    Janes: Ich denke, ja. Ich meine, in den nächsten Wochen werden wir nicht genau wissen, ob der Senat republikanisch oder demokratisch wird. Und das bedeutet, dass offensichtlich sehr viele Leute in dieser Wahl engagiert waren. Wir haben ja normalerweise unter 50 Prozent, manchmal weit weniger Wahlbeteiligung. Diesmal scheinen die Leute wirklich engagiert zu sein.

    Gerner: In Deutschland haben ja Wahlbeteiligungen zuletzt abgenommen. In den USA ist die Wahlbeteiligung chronisch niedrig, mit der Relativierung, die Sie eben sagten. Ist das ein Indiz für eine Krise in eine Demokratie, wenn nur die Hälfte der Bürger zur Wahl gehen?

    Janes: Es ist nicht gerade ein Zeichen dafür, dass die Leute wirklich so engagiert sind, dass sie das wahrnehmen als ein Teil der politischen Beteiligung. Allerdings glaube ich schon, dass sich in diesem Falle zeigt, dass Leute auf ihre eigenen Interessen in diesen Wahlen reagieren, vielleicht mehr als zuvor. Insofern würde ich das nicht pessimistisch sehen.

    Gerner: Ich habe eben gesagt, wir können nicht ausschließen beziehungsweise es gibt sogar Indizien, dass die Republikaner die Mehrheit im Senat erlangen können. Dann fiele es George Bush einfach – und darüber wurde auch geredet -, die wichtigsten Richter im Land zu ernennen. Was würde das bedeuten? Würden sie auch befinden können über Prozesse, in denen es um Al-Kaida-Netzwerke geht?

    Janes: Es geht um die Frage, wie man eventuelle gewisse Gesetze auslegen kann. Diese Richter sind natürlich dann auf der Bundesebene tätig. Es ist ja natürlich die Frage, welche Entscheidungen anstehen. Aber es ist ja keine Frage, dass wenn ein Präsident die Möglichkeit hat, solche Richter auszuwählen, dann ein gewisser Trend im Verfassungsgericht längerfristig ansetzt.

    Gerner: Über was könnten denn von George Bush benannte Richter befinden?

    Janes: Es kommt darauf an. Es sind manchmal innenpolitische Themen, zum Beispiel Todesurteile oder Abtreibungen. Diese Gesetze sind auch dann national anzusetzen. Es ist ja überwiegend das, was beim Verfassungsgericht ankommt, aber im Prinzip sind manchmal die Meilensteine überwiegend innenpolitische Fragen.

    Gerner: Beide Kammern in einer Hand der Republikaner. Würde das der Demokratie unter dem Strich eher gut oder eher schlecht tun?

    Janes: Man kann so oder so argumentieren. Ich finde, wenn man einen geteilten Kongress hat, dann wird die Auseinandersetzung in einer Weise ausgetragen, die vielleicht in manchen Fällen besser ist, gerade zum Beispiel in diesem Fall von der Auseinandersetzung über den Irak. Andrerseits kann man argumentieren, da ist eine gewisse Politikverdrossenheit zu erwarten, da kommt gar nichts voran, da ist einfach alles blockiert. Es ist selten, dass wir diese gewisse Homogenität haben, beide Kammern unter einer Fahne und oben drauf das Weiße Haus, und ich glaube, das sagt aus, dass die Amerikaner in der Regel eine geteilte Regierung haben wollen.

    Gerner: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio