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Die künftige Rolle Jürgen Möllemanns in der FDP

Capellan: Könnte sein, dass Guido Westerwelle gestern ein äußerst geschicktes Händchen hatte. Viele Insider werten es nämlich als grandiosen Schachzug, dass der künftige FDP-Chef mit Cornelia Pieper eine Frau aus dem Osten zur Generalsekretärin gemacht hat, denn sie soll einerseits das Splitterparteidasein der FDP in den neuen Bundesländern beenden, andererseits aber macht sie auch Platz in der Parteiführung frei. Jürgen Möllemann, der ewige Kritiker aus Nordrhein-Westfalen, er soll Parteivize werden und damit in die Bundesspitze eingebunden werden. Verbunden bin ich nun mit Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef in Schleswig-Holstein und ein bekennender Anhänger von Jürgen Möllemann. Guten Morgen Herr Kubicki.

    Kubicki: Guten Morgen Herr Capellan.

    Capellan: Herr Kubicki, Herr Möllemann ist im Urlaub. Er hat sich noch nicht geäußert, aber er kann eigentlich nicht kneifen; er muss jetzt ran.

    Kubicki: Herr Möllemann muss immer ran. Wenn man sich daran erinnert, dass die FDP vor zwei Jahren noch bundesweites Dasein einer Splitterpartei mit drei Prozent in den Meinungsumfragen, dann haben ja die Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen und die Proklamation des ‚Projektes 18' dazu geführt, nicht nur das Selbstbewusstsein der FDP wieder zu heben, sondern sie in Meinungsumfragen in zweistellige Bereiche zu katapultieren.

    Capellan: Möllemann will auch Kanzlerkandidat werden. Ist da jetzt seine Berufung zur Parteispitze ein erster Schritt auf diesem Weg?

    Kubicki: Also, zunächst einmal wird man zum Parteivize nicht berufen, sondern gewählt. Er muss auf dem Bundesparteitag - wenn er denn antritt - gewählt werden. Ich denke, Jürgen Möllemann wird als Stellvertretender Bundesvorsitzender nur kandidieren, wenn es außer einem Gesichtswechsel auch einen Strategiewechsel gibt, und das heißt, wenn sich die Partei insgesamt zum ‚Projekt 18' in allen seinen drei Komponenten bekennt. Das heißt, keine Koalitionsaussage zur Bundestagswahl, das Anstreben von 18 Prozent bei der Wahl und die Aufstellung eines eigenen Kanzlerkandidaten, hinter dem sich die Partei formieren kann.

    Capellan: Berufen wurde Möllemann zunächst vom künftigen Parteichef, von Guido Westerwelle. Er möchte ihn gerne haben, er möchte ihn einbinden. Man könnte auch sagen, er will ihn kaltstellen. Wie sehen Sie das?

    Kubicki: Also, ich kann mir nicht vorstellen, dass Guido Westerwelle Jürgen W. Möllemann kaltstellen will. Dazu kennen die beiden sich aus ihrem eigenen Landesverband viel zu gut. Dass Guido Westerwelle auf Jürgen Möllemann setzt, halte ich für selbstverständlich, denn wer setzt nicht gerne auf Sieger? Ich will aber noch hinzufügen: Cornelia Pieper ist nicht von Guido Westerwelle als Generalsekretärin ausgesucht worden, damit sie Platz macht, sondern weil sie wirklich eine gute und hervorragende Frau ist. Sie wird das öffentliche Gesicht der FDP weiblicher machen, sie wird mehr Akzeptanz für die FDP auch bei den Frauen schaffen und bei den Wählerinnen und Wählern im Osten. Das ist eine ganz herausragende Aufgabe, die sie zu bewältigen hat. Und ich kenne sie lange und gut - seit 10 Jahren. Ich traue ihr das nicht nur zu; den Vergleich zu Angela Merkel hält sie nicht nur optisch aus.

    Capellan: Also, das Platzmachen ist da nur ein erwünschter Nebeneffekt?

    Kubicki: Es ist kein gewünschter Nebeneffekt, das ist die Folge. Wenn Cornelia Pieper Generalsekretärin wird, kann sie nicht gleichzeitig stellvertretende Bundesvorsitzende sein. Und auch in den Gesprächen mit Guido Westerwelle habe ich ihm geraten, sich darauf zu konzentrieren, Jürgen Möllemann zu bitten, für diese Position zu kandidieren. Aber ich sage noch einmal: Jürgen Möllemann wird sich dazu Anfang nächster Woche äußern, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden wählen lässt und dabei dann das Projekt 18 aufgeben wird.

    Capellan: Ich vermute, Sie haben schon mit ihm sprechen können. Wie hat er reagiert?

    Kubicki: Die Auswahl von Cornelia Pieper hat er - genau so wie ich - für hervorragend gehalten. Er hat, bevor Guido Westerwelle dies öffentlich verkündet hat, auch mit dem Generalsekretär gesprochen und ihm in gleicher Weise zugeraten, wie ich auch. Und er hat gesagt, er wird sich die Frage, ob er zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden kandidiert oder nicht, reiflich überlegen. Aber das kann dann nur eine Etappe sein auf dem Weg, das Projekt 18 insgesamt zu verwirklichen.

    Capellan: ‚Projekt 18' - Sie erwähnen es immer wieder. Ist denn Möllemann nicht im Grunde ein Traumtänzer? Das wird ihm ja auch vorgeworfen, etwa von Walter Döring oder auch vom Intimfeind Rainer Brüderle, wenn er immer wieder von diesen 18 Prozent spricht - und wir erinnern uns an die letzten Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz, den eigentlichen FDP-Hochburgen, und da ist man so um die 8 Prozent gelandet, ist also weit weg von den 18 Prozent.

    Kubicki: Zunächst einmal muss ich korrigieren: Rainer Brüderle ist kein Intimfeind von Jürgen W. Möllemann; im Gegenteil. Die beiden verbindet eine freundschaftliche Beziehung. Es gibt andere Parteifreundschaften, beispielsweise die von Klaus Kinkel aber auch Walter Döring. Dass die Wahlen dort nicht so erfolgreich gewesen sind, hat einen einfachen Grund. Wer sich öffentlich über das Projekt 18 lustig macht - wie Walter Döring -, wer erklärt, man muss sich auch in Bescheidenheit wiegen können, muss sich nicht wundern, wenn die Wählerinnen und Wähler diesen Wunsch erfüllen; er hat eben weniger erhalten. Aber ich kann darauf hinweisen, dass mit gleicher Häme, mit der heute von den interessierten Kreisen der mit uns konkurrierenden Parteien, der größeren CDU und SPD, über dieses Projekt gesprochen wird - sowohl ich in Schleswig-Holstein, als ich gesagt habe, wir werden 7 plus X erreichen und als Jürgen Möllemann erklärt hat, wir werden in Nordrhein-Westfalen 8 plus X erreichen - dass wir mit dieser Häme überschüttet worden sind. Und wir haben jeweils die Ziele erreicht. Ich halte 18 Prozent bei der Bundestagswahl für darstellbar, für machbar. Das Potential jedenfalls für die FDP ist da. Alle Analysen sagen uns, bis zu 30 Prozent der Wählerinnen und Wähler können sich vorstellen, die FDP zu wählen. Es muss also an uns liegen, dass das bisher nicht geschehen ist, denn europaweit haben die liberalen Parteien auch Ergebnisse zwischen 20 und 30 Prozent. Warum also nicht in Deutschland?

    Capellan: Also, Sie raten im Grunde Brüderle und Döring, sich doch ein bisschen zurückzuhalten mit ihrer Kritik an Möllemann?

    Kubicki: Also Brüderle übt keine Kritik an Möllemann. Brüderle hat sich öffentlich auch zum Projekt 18 bekannt und er hat auch erklärt, dass dabei die Kanzlerkandidatur eine Komponente sein kann. Der Einzige, der sich bisher öffentlich dagegen ausgesprochen hat - von den wichtigen Persönlichkeiten -, war Walter Döring. Von den unwichtigen Persönlichkeiten war es Klaus Kinkel.

    Capellan: Warum ist denn dieses Projekt ‚Kanzlerkandidat' überhaupt so wichtig? Cornelia Pieper hat gestern gesagt: ‚Im Grunde ist das Ganze doch nur ein PR-Gag; ist zwar ganz schön - aber worauf es jetzt ankommt, ist, dass wir uns auf Inhalte konzentrieren, dass wir uns mehr mit dem Programm beschäftigen'. Wird das nicht von der FDP vernachlässigt?

    Kubicki: Also, alle Parteiforscher erklären, dass die FDP das fortschrittlichste Programm hat. Wir haben ja mit den Wiesbadener Beschlüssen in den wesentlichen Fragen die Antworten gegeben, die politisch umgesetzt werden müssen. Wir sind Ideengeber für viele andere Parteien. Die spannende Frage ist, warum wir darauf verzichten wollen, selbst stark genug zu sein, unsere Ideen aus eigener Kraft umsetzen zu können. Es ist nicht nur ein PR-Gag, sondern es ist ein Anspruch. Und eine meiner Lebensphilosophien lautet: Wenn wir uns selbst nicht vertrauen als FDP - warum sollen die Wählerinnen und Wähler uns vertrauen. Wenn wir uns selbst kleiner machen als wir eigentlich sind, warum sollen uns die Wählerinnen und Wähler größer machen? Das heißt. In einer Mediengesellschaft werden Inhalte, werden Themen über Köpfe transportiert. Und deshalb brauchen wir herausragende Köpfe wie Guido Westerwelle, wie Cornelia Pieper, aber auch wie Jürgen Möllemann, damit die liberalen Themen in die Öffentlichkeit transportiert werden und damit die Bürgerinnen und Bürger die Chance haben, sich tatsächlich für uns als FDP zu entscheiden. Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben bewiesen, dass der Weg gangbar ist. Und ich plädiere mit allem, was ich habe, dafür, dass wir diesen Weg beschreiten.

    Capellan: Stellt sich nur die Frage, ob das gutgehen kann, wenn man einen Spitzenkandidat hat, der neben dem Parteivorsitzenden steht. Damit haben ja zum Beispiel die Sozialdemokraten schlechte Erfahrungen gemacht. Warum soll das bei den Liberalen besser laufen?

    Kubicki: Also, ich kann zunächst nicht sehen, dass die Sozialdemokraten im Ergebnis schlechte Erfahrungen gemacht haben, denn sie sind Regierungspartei geworden. Gerhard Schröder war Kanzler, während Oskar Lafontaine Parteivorsitzender war. Dass die beiden sich nicht verstanden haben, dass sie nicht harmoniert haben, spricht nicht gegen das Modell. Ich erinnere daran, dass wir ja beispielsweise auch bei der Union das Modell Merz - Merkel haben, ohne dass jemand auf die Idee kommt, nun Frau Merkel aufzufordern, auch gleichzeitig Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag zu werden. Nein, ich denke, das ist eine Frage der inneren Harmonie, der inneren Abstimmung. Und das persönliche Verhältnis zwischen Jürgen Möllemann, zwischen Cornelia Pieper und zwischen Jürgen Möllemann und Guido Westerwelle ist so intakt, dass mit diesen Persönlichkeiten an der Spitze auch diese entsprechende Strategie umgesetzt werden kann. Wenn ich nicht daran glauben würde, würde ich auch nicht dafür werben; ich bin ja kein Irrer. Aber die spannende Frage bleibt: Was kann uns eigentlich passieren? Weniger als klein können wir nicht sein. Wir können nur zulegen. Und zulegen können wir nur mit einer anderen Strategie. Wir haben in den Jahren vor 1999, also vor 2000 vor der Schleswig-Holstein-Wahl, 35 Wahlen in Folge verloren. Erst seit Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gibt es Zuwächse, Und ich denke, man sollte vielleicht eher auf die Persönlichkeiten hören, die Zuwächse geschafft haben als auf die, die Wahlen verloren haben.

    Capellan: Zulegen mit neuen Köpfen - aber auch mit einem neuen Programm?

    Kubicki: Wir brauchen kein neues Programm. Wir brauchen vielleicht schärfere Akzentuierungen in einigen Punkten. Wir brauchen eine andere Form der Kommunikation. Man kann es ja sehen: Wolfgang Gerhardt ist auch rein persönlich ein sehr netter Bundesvorsitzender, aber die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern klappt nicht so richtig. Guido Westerwelle vertritt nichts anderes. Er wird trotzdem viel intensiver wahrgenommen und gehört. Und ich sage Ihnen voraus: Cornelia Pieper als sehr charmante und sehr fähige, auch sehr durchsetzungsfähige Frau, wird mit ihrem weiblichen Scham in gleicher Weise wahrgenommen werden wie Guido Westerwelle vorher als Generalsekretär.

    Capellan: Zum Schluss Ihre Prognose: Möllemann wird kommen?

    Kubicki: Meine Prognose ist, Möllemann wird kommen. Mein Wunsch ist es, dass Möllemann kommt, weil es nicht um Möllemann geht, sondern um die FDP, um eine sehr starke FDP. Und die funktioniert nur in dieser Konstellation. Das ist meine feste Überzeugung.

    Capellan: Wolfgang Kubicki war das, FDP-Fraktionschef in Kiel im Landtag von Schleswig-Holstein. Ich danke Ihnen, auf Wiederhören.

    Kubicki: Auf Wiederhören.

    Link: Interview als RealAudio