Mario Dobovisek: Vergeblich hat der entmachtete Präsident Manuel Zelaya also versucht, in seine Heimat Honduras zurückzukehren. Als seine Maschine den Flughafen der Hauptstadt ansteuerte, blockierte die Armee die einzige Start- und Landebahn. Zelaya flog daraufhin nach Nicaragua und anschließend nach El Salvador weiter. Am Telefon begrüße ich Wolfgang Dietrich, er ist Friedens- und Konfliktforscher an der Universität Innsbruck und hat sich ausführlich mit Honduras beschäftigt. Guten Tag, Herr Dietrich.
Wolfgang Dietrich: Schönen guten Tag aus Österreich.
Dobovisek: Tödliche Schüsse gegen unbewaffnete Demonstranten, verliert die Übergangsregierung in Honduras die Kontrolle über das Land?
Dietrich: Das wage ich von Innsbruck aus nicht wirklich zu sagen, weil man ja da auf Medienberichte angewiesen ist, die eine tief gehende Analyse nicht zulassen, aber was schon eindeutig ist anhand dessen, was sich auf der offiziellen Ebene abspielt, ist, dass diese Regierung in eine internationale Isolation geraten ist, die ihren Handlungsspielraum sehr stark einschränkt, und offensichtlich nach innen in einer Gruppe von Machthabern, die ja in sich keinen geschlossenen Block bilden, sehr viel Nervosität auslöst und damit auch zu Ergebnisse führt wie das, was wir gerade gehört haben.
Dobovisek: Wie stark ist denn die Übergangsregierung unter Micheletti?
Dietrich: Das lässt sich wieder nur sehr schwer beurteilen, weil man eigentlich nicht weiß, wer die Akteure, die hinter den verschiedenen offensichtlichen Parteien stehen, nun tatsächlich sind, wie die Allianzen zusammengesetzt sind und was das endgültige Interesse ist. Wenn man den Auslöser der ganzen Krise heranzieht, also dieses Referendum, das Zelaya angestrebt hat, dann würde ich bezweifeln, dass diejenigen, die ihn auf der internationalen Ebene jetzt so offensichtlich und eindeutig unterstützen, also zumindest einmal rhetorisch und in den internationalen Organisationen, vor allem in der Organisation amerikanischer Staaten, tatsächlich das Interesse haben oder gehabt haben, dass er dieses Referendum durchzieht, dass es seinen weiteren Plan der Verfassungsänderung dann im Herbst durchzieht und sich selber eine weitere Amtszeit baut. Das glaube ich nicht, dass das im Interesse derjenigen liegt. Das Problem ist, dass die Dinge wohl schon seit einiger Zeit jetzt aus dem Ruder geraten sind, denn die Ereignisse der letzten Tage waren sicherlich von niemandem auf der internationalen Ebene so geplant oder gewünscht.
Dobovisek: Zelaya wollte es also seinem sozusagen Mitpräsidenten Hugo Chavez aus dem Nachbarland gleichtun und seine Amtszeit mit diesem Verfassungsreferendum verlängern, gegen den Widerstand des Parlaments. Hat sich Zelaya damit übernommen?
Dietrich: Das ist ein sehr, sehr heikles Thema nicht nur in Zentralamerika, sondern überall in Lateinamerika. Man muss da, wenn man sich das ansieht und aus europäischer Sicht vielleicht nicht versteht, warum das ein derartig umstrittenes Thema ist, einfach diese calvinistische Tiefenkultur Lateinamerikas mit in Betracht ziehen, was heißt: In diesen Ländern war es üblich, dass autokratische Herrscher für eine gewisse Zeit die Macht übernommen haben und die verfassungsmäßige Begrenzung dieser Macht auf eine Legislaturperiode wurde bereits als großer demokratischer Fortschritt betrachtet. Wo immer Machthaber daran gehen, das wieder in Frage zu stellen, stoßen sie auf erbitterten Widerstand, der, wie ich glaube, demokratiepolitisch auch durchaus berechtigt ist. Die Art, wie Zelaya das angegangen hat - das wurde international vielleicht zu wenig beachtet -, war ja nicht unbedingt verfassungskonform und im Sinne eines demokratischen Rechtsstaates, wie er das angelegt hat.
Dobovisek: Warum steht dann die internationale Gemeinschaft fast ausnahmslos hinter Zelaya, wenn, wenn ich das mal zuspitzen darf, Sie sagen, dass es nicht unbedingt demokratisch war, was er vor hatte?
Dietrich: Ich denke, wenn man die Bilder nimmt, die wir jetzt sehen, und allein das Faktum, dass das Militär, wobei man dazu sagen muss, ja nicht in Eigeninitiative, sondern in einem zumindest rechtlich argumentierbaren Zusammenhang mit dem Parlament, einen Präsidenten außer Landes jagt, wenn Bilder transportiert werden, wo ein amtierender Präsident im Pyjama Pressekonferenzen im Ausland geben muss, dann kommt einfach in einer Zeit, in der Bilder sehr viel transportieren, jeder unter Druck. Zudem kommt, dass Honduras ja nicht ein Land ist, über das ununterbrochen berichtet wird, sodass eine differenzierte Meinung und Wissenslage vorliegt, und damit meine ich jetzt nicht nur einfach das Radiopublikum, sondern ich meine auch die politischen Etagen etwa in Europa oder auch in Amerika. Honduras ist kein großer Player, war auch nie ein Headliner wie etwa Nicaragua oder El Salvador. Daher ist jetzt die Detailkenntnis sehr gering und ich denke, dass das Tempo, mit dem die Entscheidungen sowohl jetzt etwa in der Europäischen Union als auch in der OAS gefallen sind, den Hinweis darauf gibt, dass man sich da von dem Eindruck der Bilder und der Dramatik der Geschehnisse beeinflussen ließ und nicht unbedingt das ganze rechtlich durchdacht ist.
Dobovisek: Um das noch mal zusammenzufassen: Wer ist der Gute, wer ist der Böse?
Dietrich: Ich würde davor warnen, mit diesen Kategorien zu arbeiten. Der Kalte Krieg ist vorbei. Ich würde auch davor warnen, mit links und rechts hier zu arbeiten. Die Interessengruppen, die hinter den einzelnen Playern stehen, sind sicherlich nicht in diesen Kategorien zu fassen. Ich würde keine Partei ergreifen, wer der Gute, wer der Böse ist. Ich glaube, es geht eher speziell vom Ausland aus betrachtet darum, mit einer gewissen Nüchternheit, auch mit einer rechtlichen Weisheit anzusehen, was ist da vor sich gegangen und welcher jetzt diplomatische Kompromiss lässt sich finden. Auf der Rechtsbasis wird es wahrscheinlich nicht mehr möglich sein, einen schlüssigen Kompromiss herzustellen, aber diplomatisch halte ich das für möglich, und zwar ganz besonders unter den jetzigen Bedingungen in der Hemisphäre, mit Obama im Norden, mit Chavez als mächtigen, vor allen Dingen im karibischen Becken mächtigen Mann im Süden. Die Lage ist entspannter, als sie noch vor einigen Monaten war, und ich halte das mit Hilfe guter Dienste und Track Two Diplomacy durchaus für möglich, diese Lage zu beruhigen. Ein Kompromiss wird ja wahrscheinlich so aussehen, dass Zelaya sich nicht wieder um die Wiederwahl bemüht und gleichzeitig gewählt wird und damit wieder quasi ein Start vom Punkt null begonnen wird.
Dobovisek: Noch zum Schluss mit der Bitte um eine kurze Antwort. Ist die Stabilität Zentralamerikas in Gefahr?
Dietrich: Ich glaube nicht unmittelbar in einem großen Maße, weil Honduras sich eine internationale Isolation sozialpolitisch und wirtschaftspolitisch nicht leisten kann. Auf der formaldiplomatischen Ebene befürchte ich, dass nicht so schnell Abkühlung eintreffen wird.
Dobovisek: Wolfgang Dietrich von der Universität Innsbruck. Vielen Dank für Ihre Einschätzungen.
Wolfgang Dietrich: Schönen guten Tag aus Österreich.
Dobovisek: Tödliche Schüsse gegen unbewaffnete Demonstranten, verliert die Übergangsregierung in Honduras die Kontrolle über das Land?
Dietrich: Das wage ich von Innsbruck aus nicht wirklich zu sagen, weil man ja da auf Medienberichte angewiesen ist, die eine tief gehende Analyse nicht zulassen, aber was schon eindeutig ist anhand dessen, was sich auf der offiziellen Ebene abspielt, ist, dass diese Regierung in eine internationale Isolation geraten ist, die ihren Handlungsspielraum sehr stark einschränkt, und offensichtlich nach innen in einer Gruppe von Machthabern, die ja in sich keinen geschlossenen Block bilden, sehr viel Nervosität auslöst und damit auch zu Ergebnisse führt wie das, was wir gerade gehört haben.
Dobovisek: Wie stark ist denn die Übergangsregierung unter Micheletti?
Dietrich: Das lässt sich wieder nur sehr schwer beurteilen, weil man eigentlich nicht weiß, wer die Akteure, die hinter den verschiedenen offensichtlichen Parteien stehen, nun tatsächlich sind, wie die Allianzen zusammengesetzt sind und was das endgültige Interesse ist. Wenn man den Auslöser der ganzen Krise heranzieht, also dieses Referendum, das Zelaya angestrebt hat, dann würde ich bezweifeln, dass diejenigen, die ihn auf der internationalen Ebene jetzt so offensichtlich und eindeutig unterstützen, also zumindest einmal rhetorisch und in den internationalen Organisationen, vor allem in der Organisation amerikanischer Staaten, tatsächlich das Interesse haben oder gehabt haben, dass er dieses Referendum durchzieht, dass es seinen weiteren Plan der Verfassungsänderung dann im Herbst durchzieht und sich selber eine weitere Amtszeit baut. Das glaube ich nicht, dass das im Interesse derjenigen liegt. Das Problem ist, dass die Dinge wohl schon seit einiger Zeit jetzt aus dem Ruder geraten sind, denn die Ereignisse der letzten Tage waren sicherlich von niemandem auf der internationalen Ebene so geplant oder gewünscht.
Dobovisek: Zelaya wollte es also seinem sozusagen Mitpräsidenten Hugo Chavez aus dem Nachbarland gleichtun und seine Amtszeit mit diesem Verfassungsreferendum verlängern, gegen den Widerstand des Parlaments. Hat sich Zelaya damit übernommen?
Dietrich: Das ist ein sehr, sehr heikles Thema nicht nur in Zentralamerika, sondern überall in Lateinamerika. Man muss da, wenn man sich das ansieht und aus europäischer Sicht vielleicht nicht versteht, warum das ein derartig umstrittenes Thema ist, einfach diese calvinistische Tiefenkultur Lateinamerikas mit in Betracht ziehen, was heißt: In diesen Ländern war es üblich, dass autokratische Herrscher für eine gewisse Zeit die Macht übernommen haben und die verfassungsmäßige Begrenzung dieser Macht auf eine Legislaturperiode wurde bereits als großer demokratischer Fortschritt betrachtet. Wo immer Machthaber daran gehen, das wieder in Frage zu stellen, stoßen sie auf erbitterten Widerstand, der, wie ich glaube, demokratiepolitisch auch durchaus berechtigt ist. Die Art, wie Zelaya das angegangen hat - das wurde international vielleicht zu wenig beachtet -, war ja nicht unbedingt verfassungskonform und im Sinne eines demokratischen Rechtsstaates, wie er das angelegt hat.
Dobovisek: Warum steht dann die internationale Gemeinschaft fast ausnahmslos hinter Zelaya, wenn, wenn ich das mal zuspitzen darf, Sie sagen, dass es nicht unbedingt demokratisch war, was er vor hatte?
Dietrich: Ich denke, wenn man die Bilder nimmt, die wir jetzt sehen, und allein das Faktum, dass das Militär, wobei man dazu sagen muss, ja nicht in Eigeninitiative, sondern in einem zumindest rechtlich argumentierbaren Zusammenhang mit dem Parlament, einen Präsidenten außer Landes jagt, wenn Bilder transportiert werden, wo ein amtierender Präsident im Pyjama Pressekonferenzen im Ausland geben muss, dann kommt einfach in einer Zeit, in der Bilder sehr viel transportieren, jeder unter Druck. Zudem kommt, dass Honduras ja nicht ein Land ist, über das ununterbrochen berichtet wird, sodass eine differenzierte Meinung und Wissenslage vorliegt, und damit meine ich jetzt nicht nur einfach das Radiopublikum, sondern ich meine auch die politischen Etagen etwa in Europa oder auch in Amerika. Honduras ist kein großer Player, war auch nie ein Headliner wie etwa Nicaragua oder El Salvador. Daher ist jetzt die Detailkenntnis sehr gering und ich denke, dass das Tempo, mit dem die Entscheidungen sowohl jetzt etwa in der Europäischen Union als auch in der OAS gefallen sind, den Hinweis darauf gibt, dass man sich da von dem Eindruck der Bilder und der Dramatik der Geschehnisse beeinflussen ließ und nicht unbedingt das ganze rechtlich durchdacht ist.
Dobovisek: Um das noch mal zusammenzufassen: Wer ist der Gute, wer ist der Böse?
Dietrich: Ich würde davor warnen, mit diesen Kategorien zu arbeiten. Der Kalte Krieg ist vorbei. Ich würde auch davor warnen, mit links und rechts hier zu arbeiten. Die Interessengruppen, die hinter den einzelnen Playern stehen, sind sicherlich nicht in diesen Kategorien zu fassen. Ich würde keine Partei ergreifen, wer der Gute, wer der Böse ist. Ich glaube, es geht eher speziell vom Ausland aus betrachtet darum, mit einer gewissen Nüchternheit, auch mit einer rechtlichen Weisheit anzusehen, was ist da vor sich gegangen und welcher jetzt diplomatische Kompromiss lässt sich finden. Auf der Rechtsbasis wird es wahrscheinlich nicht mehr möglich sein, einen schlüssigen Kompromiss herzustellen, aber diplomatisch halte ich das für möglich, und zwar ganz besonders unter den jetzigen Bedingungen in der Hemisphäre, mit Obama im Norden, mit Chavez als mächtigen, vor allen Dingen im karibischen Becken mächtigen Mann im Süden. Die Lage ist entspannter, als sie noch vor einigen Monaten war, und ich halte das mit Hilfe guter Dienste und Track Two Diplomacy durchaus für möglich, diese Lage zu beruhigen. Ein Kompromiss wird ja wahrscheinlich so aussehen, dass Zelaya sich nicht wieder um die Wiederwahl bemüht und gleichzeitig gewählt wird und damit wieder quasi ein Start vom Punkt null begonnen wird.
Dobovisek: Noch zum Schluss mit der Bitte um eine kurze Antwort. Ist die Stabilität Zentralamerikas in Gefahr?
Dietrich: Ich glaube nicht unmittelbar in einem großen Maße, weil Honduras sich eine internationale Isolation sozialpolitisch und wirtschaftspolitisch nicht leisten kann. Auf der formaldiplomatischen Ebene befürchte ich, dass nicht so schnell Abkühlung eintreffen wird.
Dobovisek: Wolfgang Dietrich von der Universität Innsbruck. Vielen Dank für Ihre Einschätzungen.