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Die Logik der Globalisierung

Im Rückblick auf fünf anti-neoliberale Jahre erkennt Peter Wahl, Mitbegründer der globalen Bewegung, nicht nur Worte, sondern auch Taten. Die Stärken von Attac sieht er weiterhin in der Fähigkeit, "im außerparlamentarischen Raum das Meinungsklima zu beeinflussen". Für die Zukunft steht bei Attac unter anderem die internationale Besteuerungen zur Finanzierung von Entwicklungszielen auf dem Programm.

Von Christine Heuer | 22.04.2005
    Heuer: "Gegen das Diktat von Dow Jones, DAX und Shareholder Value, für die demokratische Kontrolle der internationalen Finanzmärkte", so klingt das Ursprungsthema von Attac Deutschland. In diesen Tagen feiert die deutsche Sektion von Attac ihren fünften Geburtstag. Wir möchten fragen, was aus dem Gründungsthema geworden ist und was aus der seiner Zeit erklärten Absicht erstens konkrete Forderungen aufzustellen damit zweitens viele Menschen zu erreichen und drittens politischen Druck aufzubauen. Das klärt man am besten mit einem, der von Anfang an und immer noch dabei ist, am Telefon nun das Attac-Gründungsmitglied Peter Wahl. Glückwunsch erst mal zum fünften Geburtstag. Im Rückblick, Herr Wahl ist Attac Deutschland eine Erfolgsgeschichte?

    Wahl: Danke für die Glückwünsche, ich puste schon mal die fünf Kerzen aus. Natürlich ist Attac eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte, wenn man einmal zurück denkt. Wann hat es das gegeben, seit der Gründung von Greenpeace oder den Anfängen der Grünen, dass eine Organisation, eine Neugründung doch einen Aufschwung nimmt mit 16000 Mitgliedern, mit 200 Lokalgruppen? Das ist schon außergewöhnlich, und da sind wir schon ein bisschen stolz drauf. Aber das alleine ist es natürlich nicht, wir haben auch politische Erfolge gehabt, wenn Sie gerade jetzt in den jüngsten Tagen sich anhören, was Herr Müntefering und andere in der Sozialdemokratie formulieren, dann sind das doch Dinge, die wir schon vor fünf Jahren gesagt haben und es freut uns, wenn das inzwischen aufgegriffen wird. Wobei man dazu sagen muss, uns kommt es darauf an, nicht nur Worte, sondern auch Taten zu sehen. Das ist ein Erfolg. Wir haben auch konkrete Erfolge, wenn sie daran denken, dass die Bolkestein-Richtlinie, ein Thema, das wir als erste hier in der Bundesrepublik aufgegriffen haben, jetzt revidiert wird, dann ist auch das ein Grund, sich zu freuen.

    Heuer: Nun ist es sicher schön, wenn Franz Müntefering fünf Jahre nach der Gründung von Attac Kapitalismuskritik übt, schön aus Ihrer Sicht jedenfalls. Sie haben gerade selber die Grünen erwähnt, als die fünf Jahre waren, da saßen sie schon zwei Jahre lang im Bundestag und haben ihren Einfluss genutzt.

    Wahl: Ja, wir sind außerparlamentarisch, sind eine außerparlamentarische Bewegung, wollen das auch bleiben und einer der Gründe, glaube ich, warum wir da so fest überzeugt sind, das bleiben zu wollen, ist gerade das Beispiel der Grünen, weil wir gesehen haben, dass natürlich, wenn man in ein Parlament geht, der Druck so stark ist, dass eine Transformation eines solchen Projektes sehr schnell eintreten kann. Das ist jetzt nicht antiparlamentarisch als solches. Es hat auch seine Grenzen, außerparlamentarisch zu sein. Und wir sind natürlich letztendlich darauf angewiesen, dass Parteien, dass Regierungen das umsetzen, was wir wollen. Ich glaube, unsere Fähigkeiten liegen im Moment darin, dass man das von außerhalb des Parlamentes macht.

    Heuer: Trotzdem konstatieren viele Attac-Mitglieder fünf Jahre nach der Gründung in Deutschland einen Euphorieverlust. Liegt das vielleicht auch daran, dass sie sich auf andere politische Parteien verlassen müssen und selber nicht aktiv werden können?

    Wahl: Ich glaube, dass es da zwei Hauptgründe gibt: Zum einen ist es ein bisschen natürlich, wenn man fünf Jahre sich für etwas einsetzt und zwar einzelne Erfolge sichtbar sind, aber so die große Wende eigentlich nicht gekommen ist. Wir haben zum Beispiel beim Thema Agenda 2010, von dem wir immer sagen, das ist so etwas wie Strukturanpassung in schwarz-rot-gold, keinen Erfolg gehabt. Wir haben uns da sehr angestrengt, und sehen aber, dass die Gegenseite gnadenlos ihr Programm durchzieht. Das führt natürlich auch zu Resignationen und zu Entmutigung bei manchen. Das ist das eine und zum zweiten ist es irgendwo natürlich, dass man nach fünf Jahren nicht ständig in hochgespanntem Aktivismus voran kommt. Da muss man, glaube ich, sich auch überlegen, was sind jetzt neue Themen, neue Fragen? Da verliert man einfach das Moment von Hip sein, attraktiv und neu sein.

    Heuer: Neue Themen, neue Fragen aufzuwerfen ist an sich ja nichts schlechtes. Trotzdem sagen viele auch aus ihren Reihen, dass Attac zu viele Themen gleichzeitig beackert und deswegen kein klares Profil entwickeln kann. Ist da nichts dran?

    Wahl: Da sprechen Sie ein tatsächliches Problem an, dass ist so ein bisschen der Preis unserer Offenheit und der Tatsache, dass man bei uns mitmachen kann und sehr leicht mitgestalten kann und wenn eben Mitglieder zusammen kommen und eine kritische Masse von Mitgliedern sich für ein Thema entscheidet, ist es bei dem partizipatorischen Charakter von Attac schwierig zu sagen, nein das machen wir nicht, das passt jetzt nicht in das Profil. Das ist ein Problem und wir versuchen das durch Schwerpunktsetzung ein bisschen zu lösen, aber grundsätzlich ist natürlich das Spannungsverhältnis zwischen dem scharfen Profil und dem klaren Punkt, um den es uns geht und dieser Teilhabe der Mitglieder nicht wegzukriegen.

    Heuer: Aber damit steht sich Attac doch selber etwas im Weg. Wenn wir noch mal den Vergleich aufmachen zu den Grünen, die hatten zwei ganz klare Gründungsthemen: Umwelt und Frieden. Und sie haben über die Jahre wirklich viel bewirkt. Verzettelt sich Attac?

    Wahl: Die Grünen haben ja ihre Themen zwar beibehalten bis zu einem gewissen Grad, aber sie haben natürlich inhaltlich und von der grundlegenden Zielrichtung einen totalen Wandel gemacht. Das ist ein abschreckendes Beispiel für uns.

    Heuer: Sie haben aber, wenn ich das sagen darf, im Lauf der Jahre und zumal in der Regierung einiges von ihren Anliegen dann auch durchsetzen können.

    Wahl: Im Umweltbereich ist das sicher zutreffend, aber wie gesagt, wir werden uns nicht auf einen parlamentarischen Weg begeben. Wir glauben, dass das, was wir am besten können nun darin besteht, im außerparlamentarischen Raum das Meinungsklima zu beeinflussen. Aber angewiesen sind wir in der Tat darauf, dass andere letztendlich diese Dinge politisch als Partei und als Regierung umsetzten.

    Heuer: Bei Hartz IV haben Sie gerade selber gesagt, ist Attac gescheitert. Was ist denn das nächste große Vorhaben, für das Sie auf den eigenen Erfolg hoffen und hoffen können?

    Wahl: Wir werden uns jetzt in den kommenden Monaten und sehr stark um Fragen der Finanzierung der Millenniums-Entwicklungsziele kümmern. Das sind Ziele, die 2000 von der UNO beschlossen worden sind. Für die ist bisher nicht genügend Geld da und wir glauben, dass internationale Steuern ein richtiger Weg sind, hier eine Finanzierung aufzubringen und zum zweiten natürlich auch Globalisierung gestalten zu können, wie Steuern ja auch einen Lenkungseffekt haben. Damit knüpfen wir an an unser Ursprungsthema, die Turbinsteuer. Aber wir sind nicht darauf beschränkt, wir finden auch Umweltsteuern richtig. Es wird sehr wahrscheinlich eine Luftverkehrssteuer geben, aber auch eine Devisentransaktionssteuer ist ein Instrument, dass nach wie vor im Gespräch ist und da wird auf dem G7 in Schottland im Juli dies ein Thema sein und auch im November wird die Frage der internationalen Besteuerung bei einer großen UNO-Konferenz zu den Millenniums-Entwicklungszielen ein Thema sein. Darum werden wir uns kümmern.

    Heuer: Auf einer Skala von 1 bis 100 Prozent, zu wie viel glauben Sie, setzt sich Attac mit seinen Vorstellungen in der internationalen Besteuerung am Ende tatsächlich durch?

    Wahl: Kurzfristig in diesem Jahr vielleicht mit 5 bis 10 Prozent. Längerfristig, glaube ich, sind internationale Steuern etwas, was einfach in der Logik der Globalisierung liegt. Wenn man Profite international und global macht, dann ist es nur zwingend, dass diese Gewinne irgendwann auch abgeschöpft werden und den Verlierern der Globalisierung zukommen.

    Heuer: Attac wird fünf Jahre alt, wir haben gesprochen mit Peter Wahl, Mitbegründer von Attac Deutschland. Ich danke Ihnen für das Gespräch.