Dienstag, 21. Mai 2024


Die lyrix-Gewinner im April

Im April haben wir euch gefragt: "Stell dir vor, dein Gegenüber MUSS dir zuhören. Was würdest du ihm sagen?" Hier sind die Monatsgewinner zum April-Leitmotiv "Hör zu!"

12.05.2009
    Viele lyrix-Teilnehmerinnen und –Teilnehmer haben die Aufforderung "Hör zu! Jetzt rede ich!" beherzt aufgegriffen. Die Gedichte handelten von der Einsamkeit und von Rufen, die Keiner beachtet. Von unerhörter Liebe, aber auch von Anklagen und Sorgen. Manche haben das Thema "Hör zu!" aus der natürlichen Perspektive betrachtet und über die fliegenden Schmetterlinge und die raschelnden Bäume im Wind geschrieben. Alles Geräusche, die es gibt - wenn man nur hinhört.

    Hier sind die lyrix-Gewinnerinnen und –Gewinner, deren Gedicht die Jury im April am meisten überzeugt hat. Wir danken und gratulieren euch herzlich!

    Das Mai-Leitmotiv lautet übrigens Irren ist menschlich.


    Die lyrix-Gewinner aus dem Inland

    Stumm

    Wenn ich stumm bin
    Fragst du nicht.
    Frag ich dich
    - schweigst du.

    Wenn ich blind bin,
    Führst du mich?
    Siehst mich nicht.
    Wenn ich auch
    Taumle, falle
    Spürst du nicht
    Schall noch Rauch.

    Wenn ich schreie,
    Stutzt du dann?
    Sieh mich an.
    Ich bin nicht
    Mehr bereit
    Auf dich zu warten.
    Es ist Zeit.

    Wenn du stumm bleibst
    Mich nicht fängst,
    Mich verdrängst
    Dich weiter weigerst
    Mich zu sehen,
    Werd ich gehen.


    Josefine Berkholz aus Berlin, Romain Rolland Oberschule, Klasse 9, Muttersprache Deutsch


    Werde lauter

    Ich flüstere,
    Flüstere dir zu was mich vorhin an dir gestört hat,
    Sehr unsicher!

    Werde lauter!

    Ich sage,
    Sage dir was mich in den letzten Stunden an dir gestört hat,
    unsicher!

    Werde lauter!

    Ich schreie,
    Schreie dir zu was mich in den letzten Tagen an dir gestört hat,
    Selbstbewusst!

    Werde lauter!

    Ich brülle,
    Brülle dir zu was mich in den letzten Wochen an dir gestört hat,
    Sehr selbstbewusst!

    Werde lauter!

    Ich kreische,
    Kreische dir zu was mich schon immer an dir gestört hat,
    Wütend!

    Und merke erst jetzt,
    Das du traurig in der Ecke stehst,
    Verletzt bist,
    Und ich streichele dir über den Rücken!

    Ich flüstere,
    Flüstere dir zu was ich schon immer gut an dir fand,
    Entschuldigend!


    Johanna Fugmann aus Memmelsdorf, Dientzenhofer-Gymnasium, Klasse 6, Muttersprache Deutsch


    Über die Liebe

    Liebe fasst man nicht in Worte,
    Worte, die sind kühl und leer,
    Denn in Worte einzudämmen,
    Was ich fühle, fällt mir schwer!

    Worte führen in die Irre,
    Worte lügen und sind starr,
    Doch der Glanz in deinen Augen,
    Deine Sehnsucht, die ist wahr!

    Und ein Blick in deine Augen,
    Alles zu verzeihen reicht,
    Nicht die Logik deiner Worte,
    Nur dein Blick hat mich erweicht!

    Also rede nicht so ewig,
    Reden hat nur Zeit vertan,
    Nimm mich schweigend in die Arme,
    Sei nur da und schau mich an!


    Felicitas Gondesen aus Sörup, Bernstorff- Gymnasium Satrup, Jahrgangsstufe 12, Muttersprache Deutsch


    Begegnungen mit Lyrik

    Hör zu
    Geh unter in meinen Worten und
    Lass das Morgengrauen ruhig den Laternenschein durchkreuzen

    Zergehe im
    Zerrenden Rausch meiner Sätze und
    Kümmere dich nicht um die chemietrunkenen Milliliter des Mittagsgusses

    Ergib dich
    Der bedeutungsvollen Bedeutungslosigkeit der Laute und Lass dich in den gehörlosen wortdurchwirkten Schlaf treiben


    Letztendlich entscheidest du ob
    Du vor der aufgezogenen Herztapete aus Text Unsere zweite Realität erschaffen willst


    Jonas Kohnen aus Ludwigshafen, Heinrich Böll Gymnasium Ludwigshafen, Klasse 10, Muttersprache Deutsch


    Müllers Leben

    So nehm ich stets den Hörer ab
    und lausche, was da kommt.
    "Seelsorgetelefon! Müller heiße ich!
    Was ist denn los? Erzähln Sie mal!"
    Und sie erzählen, Klos für Klos,
    von Pickelchen zu Herzschmerznummer,
    Jobverlust und Todesstoß.
    Die Angst vor dies und dem und Leben selbst krieg ich da stets beschrieben.
    Hör zu und frage. Geb Rat und Trost zugleich.
    Und Menschen lächeln mir durch Telefon zurück.

    So ist mein Leben erster Teil
    zwar schwierig und doch: bin zufrieden.

    Zweiter Teil:
    Geh ich dann heim des Nachtes spät,
    kauf ich mir von mei´m Gelde
    zwei, drei Scheiben Brot.
    Die ess ich beim Laufen durch die große Stadt zur winz´gen Wohnung Müller, wo ich auf die Matratze fall,
    sag: "Andre haben´s schlimmer."


    Laura Sophie Luge aus Leipzig, Humboldt-Schule, Jahrgangsstufe 11, Muttersprache Deutsch


    Die lyrix-Gewinner aus dem Ausland

    Hör zu!

    Hör zu!
    Sei still.
    Hör die Melodie der tanzenden Blätter in den Bäumen,
    das Atmen der Erde, lebendig unter dir.
    Hör das Murmeln des Windes neben deinem Ohr,
    die Musik des Berges,
    das Gelächter des Wassers,
    das zwischen den Steinen läuft.
    Hör zu...
    Die Stille, immer mehr...
    Tauch tiefer in die Stille...
    Die Ruhe spricht leise:
    Was hörst du?
    Mein Herz.
    Es sagt:
    "Für dich".


    Beatriz Albuquerque aus Amadora, Portugal, Deutsche Schule Lissabon, Jahrgang 1994, Muttersprache Portugiesisch


    <center> Ohne Titel

    Schließe die Augen zu!
    Hörst du ? - Ruhe...
    Nur Herzklopfen
    schaltet die Minuten der Zeit durch,
    schlägt seinen ungehemmten Schritt
    auf dem schonungslosen Platz des Lebens.
    Hörst du ? Lausche seinen leisen Schritten,
    spüre den stockenden Atem des Herzens
    höre den Frühlingsrhytmus seiner Gangart.
    Hast du gehört ? Dann halte den Atem
    für einen Augenblick an
    und versuche die Unaufhaltsamkeit
    seiner Schritte zu verstehen,
    denen dein Leben Spur in Spur folgt.
    Hör zu! - Herzklopfen... Herzklopfen...
    </center>

    Olexander Holovko aus Tscherkassy, Ukraine, Gymnasium № 31, Jahrgang 1992, Muttersprache Ukrainisch


    Ohne Titel

    "Hör zu, mein Kind,"
    Sagt der Vater ernst,
    Und oben die Sonne scheint,
    "Mach es nicht,
    Mach es auch nicht,
    Tue das nicht,
    Tue das auch nicht,"
    Das Kind nickt, und heller Sonnenschein glänzt in seinen Augen.
    Zeit vergeht, Kind ist Vater geworden,

    "Hör zu, mein Kind,"
    Eines Tages sagt er seinem Kleinen,
    Und oben die Sterne sich sammeln,
    Aber dann kommt der Vater zurück zu den alten Zeiten.
    Er hat das gemacht, was verboten ist,
    Er hat das getan, was unnütz ist,
    Vater überlegt, lächelt und endlich spricht:
    Mach nur, was du willst.
    Kind nickt, und ruhiger Sternenschein blitzt in seinen Augen.


    Guo Jia (m) aus Jin Shan Bezirk, Shanghai, China, Shanghaier Fremdsprachen Schule, Jahrgang 1992, Muttersprache Chinesisch


    Hör zu

    Ich will keine Schuluniform tragen,
    keine Gymnastik
    mit komischer Gestik,
    weniger Schulaufgaben machen.

    Liebe Klassenleiterin,
    lieber Physiklehrer,
    lieber Chemielehrer,
    liebe Schulleiterin.

    Hör zu.

    Sie unterrichten uns.
    Sie lassen uns ruhig sitzen bleiben.
    Sie lassen uns weniger Sport treiben.
    Sie schimpfen mit uns.

    Alle Kinder möchten spielen.
    Schule bedeutet keine Leistung,
    Erziehung bedeutet keine Übung.
    Wir sind keine Maschinen.

    Scheiße.


    Chen Lou (w) aus Shanghai, China, Shanghaier Fremdsprachen Schule, Jahrgang 1991, Muttersprache Chinesisch


    Hör zu

    Hör zu...

    Die Welt spricht mit dir.
    Sie erzählt dir ein Geheimnis,
    Willst du sie nicht hören?
    Die Blumen wachsen
    Die Sonne scheint
    Alles wird schöner
    Verstehst du das nicht?
    Sie erzählt dir etwas:
    Die Liebeszeit ist da!

    Hör zu...


    Felícia Marques aus Odivelas, Portugal, Deutsche Schule Lissabon, Jahrgang 1994, Muttersprache Portugiesisch