Freitag, 26. April 2024


Die »lyrix«-Gewinner im Dezember 2012

Wo trefft ihr eure Freunde? Gibt es besondere Orte der Freundschaft, zu denen ihr immer wieder zurückkehrt? Was passiert, wenn aus Freundschaft Liebe wird, aber nur einer so empfindet? Kann eine Freundschaft wirklich alles überstehen?

15.02.2013
    Im Dezember war "lyrix" mit dem Monatsthema "Freundschaft" zu Gast im Gleimhaus in Halberstadt. Dort hatte sich der Dichter Johann Wilhelm Ludwig Gleim zu seinen Lebzeiten ein literarisches und soziales Netzwerk aufgebaut. Das nach ihm benannte Museum war damals sein Wohnsitz, den er auch liebevoll "Tempel der Freundschaft und der Musen" nannte.
    Eine sehr innige Freundschaft verband ihn mit der Dichterin Anna Louisa Karsch, deren Porträt im Gleimhaus zu sehen ist. Anna Louisa Karsch widmete ihm zahlreiche Gedichte und brachte ihm starke Gefühle entgegen, die Gleim jedoch nur platonisch erwidern konnte.

    Das Gleimhaus inspirierte euch im Dezember 2012 gleich mit zwei Aspekten des Themas Freundschaft zu eigenen Gedichten.

    Ihr schreibt über unerwiderte Gefühle und verlorene Freunde. Aber auch über Freundschaften, die stärker sind als eine enttäuschte Liebe und diese überstehen.
    In einem seid ihr euch alle einig: Freunde sind unverzichtbar!


    Mit freundschaftlichen Grüßen präsentieren wir die letzten fünf Monatsgewinner 2012. In den kommenden Wochen wird die Jahresjury die zwölf Preisträger des Jahres 2012 auswählen.


    taiwanese rain

    im scheitel nisten die jahre.

    wo wir anfingen nach innen zu atmen,
    kleine paläste am ausgang der dörfer,
    tanzschritte über den winter.

    wir hatten den bus verpasst - zu wenig haut
    für die unruhigen körper. um jedes gespräch
    streunte melancholie, dieses ferne massiv
    aus der kindheit.

    stelzen ins schlaflose. befremdliche gesten
    als erste pension - unsre haare wuchsen zusammen.

    lieder glasierten das schmale stück luft,
    das zwischen uns aufstieg.

    dann rückten die städte näher ans haus.
    jede weitere teilung wurde zähe tektonik. kontinente
    rieben uns wund.

    manchmal frieren wir noch. lösen die hymnen
    aus dem schwülen archiv.

    - hangeln uns menschen entlang.


    (Christiane Heidrich, aus Vaihingen/Enz, Friedrich-Abel-Gymnasium, Klasse 12, Muttersprache Deutsch)


    GLOCKENSPIEL

    Plötzlich war da dieser Moment. Du schautest mich an,
    und irgendetwas war anders. Es war etwas in deinem Blick,
    das mich irritierte. Ich legte mich auf die Lauer, wie ein hungriger Tiger und wartete.
    Darauf. Auf dieses seltsam melancholische Sehnen in deinem Blick. Das ein Fremdkörper war zwischen uns.
    Eine Störung, die aufzufangen, weder du, noch ich, im Stande waren.
    Ein Etwas, das deine Alarmglocken in rosarot und meine in Giftgrün schrillen ließ.
    Du nahmst einen Holzstock in die Hand. Schlugst verzweifelt einen Ton auf dem Glockenspiel an, das irgendetwas in mir gefährlich zum Flirren brachte. Chromatisch und dissonant.
    Du nahmst meine Hand, bevor ich sie wegzog.
    Du flüstertest: "Sag doch irgendetwas"
    Der Tiger in mir sagte nichts.
    Stumm betrachtete er wie der Scherbenhaufen unserer Freundschaft in der Sonne glitzerte. Wie einzelne Scherben das Licht reflektierten und brachen. Wie Licht gebrochen über die Trümmer kroch und sich schnitt an der Schärfe der Scherben.
    Gierig leckte er sich das Maul, sein Fleischatem lähmte dich.
    Mit peitschendem Schwanz
    schritt er
    über den roten Teppich davon.


    (Helena Kieß, aus Dresden, Evangelisches Kruzgymnasium Dresden, Klasse 11, Muttersprache Deutsch)


    Wenn wir reden

    Im Gesicht des anderen lesen
    Weil die Sonne die Hülle gesprengt
    Und der Regen unsere Ängste weggeschwemmt hat
    Dann reicht alles nicht mehr aus also
    Stürzen sich die Worte todesmutig
    Von unseren Lippen
    Wir lassen ihnen Flügel wachsen
    Lachend, voller Zuversicht
    Sie schmiegen sich ins Ohr um sich
    Einzunisten und dann in
    Kopf und Seele Wurzeln zu schlagen
    Wir haben Post bekommen
    Einen Teil vom Gegenüber erhalten, unverpackt
    Betreff: Gedanken

    (Lena Kleist, aus Wermelskirchen, Städtisches Gymnasium Wermelskirchen, Klasse 13, Muttersprache Deutsch)


    Kohärenz

    Ich sehe dich, ich seh' dich nich',
    und doch, tief in mir, fühle ich,
    mein Wellenfreund, die Schwingung gleicht,
    nicht immer, aber doch, es reicht.
    Die Dunkelheit entwich.

    Ich fühl' dich nicht, ich fühl' dich doch.
    Zu zweit getrotzt dem schwarzen Loch.
    Ein Quäntchen Glück, dass ich dich fand,
    nicht mehr das Möbius' sche Band.
    Weißt du das noch?
    Ich kenn' dich gut, ich kenn' dich kaum,
    ein Pfad mit dir, am Rand ein Baum,
    du bist, der mich am besten kennt,
    trotz Ungleichheit äquivalent.
    Freundschaft - nicht nur ein Traum.

    Ich war alleine, bin es nicht,
    der Laserstrahl die Sichtwand bricht.
    Bedenkt, wie schön das Leben ist,
    wenn Ihr die Kraft der Freundschaft wisst.
    Du, mein Photon, bringst Licht.

    (Magdalena Wejwer, aus Umkirch, Wentzinger Gymnasium, Klasse 11, Muttersprache Deutsch)


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    jeden Tag nach der Schule
    erzählen, tratschen wir
    über ein virtuelles Fenster.

    wir fühlen uns in diesen Momenten
    so nah
    doch schreibe ich währenddessen
    mit 4 anderen Fremden, die genauso zu meinen Freunden zählen
    wie du.

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    (Michelle Schmidtke, aus Blankenburg, Gymnasium "Am Thie" Blankenburg, Klasse 6, Muttersprache Deutsch)