Im September besuchte »lyrix« das Ausstellungsprojekt "Unter vier Augen - Porträts sehen, lesen, hören" der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Für dieses verfassten 50 zeitgenössische Intellektuelle Essays, Gedichte, Impressionen und Geschichten zu jeweils einem Porträt. Die entstandenen Texte beleuchten die Gemälde aus den verschiedensten Perspektiven.
Genauso habt ihr es in euren Gedichten gemacht. Durch verschiedene Blickwinkel habt ihr unterschiedlichste Geschichten erzählt.
Die Grundstimmung eurer Gedichte ist zumeist melancholisch. In manchen Gedichten lösten die "Geschwister" ihre Banden und brachen auf, um in fernen Ländern ihr Glück zu finden. "Andere Geschwister" hatten ihre Wünsche, Träume und Hoffnungen schon längst verloren und lebten aneinandergebunden zusammen, aber dennoch alleine.
So geht es auch dem "Mädchen mit Katze" in euren Gedichten: Sie muss angepasst an die Gesellschaft leben, würde jedoch viel lieber hinaus, um die Welt zu erkunden. Puppengleich maskiert sie sich, um ihre Trauer zu verbergen. Ihr Wunsch ist es, endlich Freiheit zu erlangen.
Vielen Dank für eure Einsendungen! Hier sind die fünf Gewinner-Gedichte:
Genauso habt ihr es in euren Gedichten gemacht. Durch verschiedene Blickwinkel habt ihr unterschiedlichste Geschichten erzählt.
Die Grundstimmung eurer Gedichte ist zumeist melancholisch. In manchen Gedichten lösten die "Geschwister" ihre Banden und brachen auf, um in fernen Ländern ihr Glück zu finden. "Andere Geschwister" hatten ihre Wünsche, Träume und Hoffnungen schon längst verloren und lebten aneinandergebunden zusammen, aber dennoch alleine.
So geht es auch dem "Mädchen mit Katze" in euren Gedichten: Sie muss angepasst an die Gesellschaft leben, würde jedoch viel lieber hinaus, um die Welt zu erkunden. Puppengleich maskiert sie sich, um ihre Trauer zu verbergen. Ihr Wunsch ist es, endlich Freiheit zu erlangen.
Vielen Dank für eure Einsendungen! Hier sind die fünf Gewinner-Gedichte:
Geschwister von Erich Heckel (Bild: Nachlass Erich Heckel, Hemmenhofen)
Die folgenden Gedichte sind zu dem Gemälde "Geschwister" entstanden:
Geschwister
Als die Uhren noch langsamer schwammen,
als Konsequenzen noch ein Fremdwort war,
Da waren wir noch eins.
Wie graugrüne Laicheier klebten wir aneinander,
Mal rieben wir uns und es sprangen Funken,
aber nie waren sie groß genug,
uns in Brand zu stecken.
Als wir anfingen zu schwitzen,
Als plötzlich Andere wichtig waren,
da fingen die Silberfäden an, zu reißen.
Unfreiwillig hinter den Schultern versteckt,
der andere immer einen Schritt voraus.
Skeptisch vorausberechnend stolziertest du,
während ich noch in den Kinderschuhen stolperte.
Als wir ins kalte Wasser fielen,
als wir Entscheidungen trafen,
da lebten wir nur im gleichen Nebel.
Jeder sein eigenes Leben,
Ziele, Wünsche verfolgend.
Den abgestumpften Blick in die Zukunft.
Arbeit, um zu leben.
Als die Uhren langsamer trieben,
als die Welt unsere Sprache verlor,
da sponnen wir ein gemeinsames Netz.
Lauschend am rauschenden Bach,
der uns einsam machte,
verweilten wir bis zum Ende.
Hand in Hand.
(Luise Charlotte Behr aus Dresden, Evangelisches Kreuzgymnasium Dresden, Klasse 11, Muttersprache deutsch)
Frag nicht!
Geschlechterrollen hatten noch nie
wirklich Sinn und überhaupt
sollte ein kritischer
Gedanke nicht ein rein
kritischer Gedanke sein?
ganz abgesehen von den Ohren bist
du doch auch nur
wie ich ganz ohne
die Frage der Vernunft
über die wir alle,
wir beide verschieden
absolut erhaben sind
ob du nun weinst
ich nachdenke oder uns
die Farbe der Kleider
anders wirken lässt
ist das wohl die
einzige sinnvolle Antwort!
siehst du etwa da irgendwo
ein Lächeln in meinem Gesicht?
wo deines ist braucht
niemand wieder zu fragen
keiner will ja ernsthaft
behaupten uns stiegen
die Wellen aus dem
Schleier empor
Nein! Um bei der Sache
zu bleiben, so kann
der Inhalt der Augen
dem Inhalt der Augen
im Inhalt der Augen
wegen sich selbst
schädlich, um nicht
töricht interpretierbar
zu sein
wenn ein Betrachter
angestrengt nach einer
Zuflucht vor uns
in uns sucht
wird er sie wenn
er sie sucht
bei sich in uns
finden
(René Kartes aus Riegelsberg, Gymnasium am Schloss Saarbrücken, Klasse 11, Muttersprache deutsch)
Geschwister
Alles hinter uns gelassen
alle Brücken angezündet
und den grauen Menschenmassen
ihren Untergang verkündet.
Nun sind wir zu zweit alleine
auf der ewiglangen Suche
und wenn ich vor Kälte weine
halt mich fest unter der Buche!
"Schwester, meiner Lippen Honig
sag, was ist da, in der Ferne?"
Antwort gibt sie mir lakonisch:
"Nur die selben alten Sterne."
Doch ich seh’ die Nebeldecke
die auf unserm Wege liegt
und auch wenn ich mich verstecke
fallen muss, wer ewig fliegt.
(Vladimir Schadrin aus Blieskastel, Von der Leyen-Gymnasium, Klasse 11, Muttersprache russisch)
Geschwister
Auf einem Schiff sind wir die Segel
ohne Hemmung spielen wir
Zwiegespräche führen wir
mit Flut oder dem Wasserpegel
Auch wenn wir manchmal glauben wollen
einzeln groß und stark zu sein
halten wir doch stets zusammen
wenn Donner übers Schiffsdeck rollen
Es ist kein Kompass der uns weist
Weg und Ziel und Reim und Richtung
unsrem Schiff im Meer der Dichtung
Dem Schiffe das Familie heißt
Die Furcht sie trennt und hält zusammen
ungewiss ist unsre Zukunft
offen noch der Horizont
so fern dem Hafen dem wir entstammen
(Karen Schmitt aus Weinheim, Werner-Heisenberg-Gymnasium, Klasse 11, Muttersprache deutsch)
Geschwister
Als die Uhren noch langsamer schwammen,
als Konsequenzen noch ein Fremdwort war,
Da waren wir noch eins.
Wie graugrüne Laicheier klebten wir aneinander,
Mal rieben wir uns und es sprangen Funken,
aber nie waren sie groß genug,
uns in Brand zu stecken.
Als wir anfingen zu schwitzen,
Als plötzlich Andere wichtig waren,
da fingen die Silberfäden an, zu reißen.
Unfreiwillig hinter den Schultern versteckt,
der andere immer einen Schritt voraus.
Skeptisch vorausberechnend stolziertest du,
während ich noch in den Kinderschuhen stolperte.
Als wir ins kalte Wasser fielen,
als wir Entscheidungen trafen,
da lebten wir nur im gleichen Nebel.
Jeder sein eigenes Leben,
Ziele, Wünsche verfolgend.
Den abgestumpften Blick in die Zukunft.
Arbeit, um zu leben.
Als die Uhren langsamer trieben,
als die Welt unsere Sprache verlor,
da sponnen wir ein gemeinsames Netz.
Lauschend am rauschenden Bach,
der uns einsam machte,
verweilten wir bis zum Ende.
Hand in Hand.
(Luise Charlotte Behr aus Dresden, Evangelisches Kreuzgymnasium Dresden, Klasse 11, Muttersprache deutsch)
Frag nicht!
Geschlechterrollen hatten noch nie
wirklich Sinn und überhaupt
sollte ein kritischer
Gedanke nicht ein rein
kritischer Gedanke sein?
ganz abgesehen von den Ohren bist
du doch auch nur
wie ich ganz ohne
die Frage der Vernunft
über die wir alle,
wir beide verschieden
absolut erhaben sind
ob du nun weinst
ich nachdenke oder uns
die Farbe der Kleider
anders wirken lässt
ist das wohl die
einzige sinnvolle Antwort!
siehst du etwa da irgendwo
ein Lächeln in meinem Gesicht?
wo deines ist braucht
niemand wieder zu fragen
keiner will ja ernsthaft
behaupten uns stiegen
die Wellen aus dem
Schleier empor
Nein! Um bei der Sache
zu bleiben, so kann
der Inhalt der Augen
dem Inhalt der Augen
im Inhalt der Augen
wegen sich selbst
schädlich, um nicht
töricht interpretierbar
zu sein
wenn ein Betrachter
angestrengt nach einer
Zuflucht vor uns
in uns sucht
wird er sie wenn
er sie sucht
bei sich in uns
finden
(René Kartes aus Riegelsberg, Gymnasium am Schloss Saarbrücken, Klasse 11, Muttersprache deutsch)
Geschwister
Alles hinter uns gelassen
alle Brücken angezündet
und den grauen Menschenmassen
ihren Untergang verkündet.
Nun sind wir zu zweit alleine
auf der ewiglangen Suche
und wenn ich vor Kälte weine
halt mich fest unter der Buche!
"Schwester, meiner Lippen Honig
sag, was ist da, in der Ferne?"
Antwort gibt sie mir lakonisch:
"Nur die selben alten Sterne."
Doch ich seh’ die Nebeldecke
die auf unserm Wege liegt
und auch wenn ich mich verstecke
fallen muss, wer ewig fliegt.
(Vladimir Schadrin aus Blieskastel, Von der Leyen-Gymnasium, Klasse 11, Muttersprache russisch)
Geschwister
Auf einem Schiff sind wir die Segel
ohne Hemmung spielen wir
Zwiegespräche führen wir
mit Flut oder dem Wasserpegel
Auch wenn wir manchmal glauben wollen
einzeln groß und stark zu sein
halten wir doch stets zusammen
wenn Donner übers Schiffsdeck rollen
Es ist kein Kompass der uns weist
Weg und Ziel und Reim und Richtung
unsrem Schiff im Meer der Dichtung
Dem Schiffe das Familie heißt
Die Furcht sie trennt und hält zusammen
ungewiss ist unsre Zukunft
offen noch der Horizont
so fern dem Hafen dem wir entstammen
(Karen Schmitt aus Weinheim, Werner-Heisenberg-Gymnasium, Klasse 11, Muttersprache deutsch)
Mädchen mit Katze von Jean-Baptiste Perronneau (Bild: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe)
Elisabeth Fleck bezieht sich in ihrem Gedicht auf das Porträt "Mädchen mit Katze".
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Ich schau sie an –
sie schaut zurück –
ich blinzle,
rück ein kleines Stück,
schau wieder hin –
sie schaut vorbei,
als wäre ich ihr einerlei.
Ich neig den Kopf –
sie blicket starr –
ich beug mich vor und ...
ich verharr.
Sie schaut vorüber
zu den Kind',
die im Portrait links spielend sind.
Ich fletsch die Zähne –
nichts passiert –
ich greif das Bild ganz ungeniert
mit einem Ruck –
sie glotzet stumm –
ich dreh das Bild verkehrt herum.
Ich schau es an –
es baumelt leicht –
ich zieh die Stirn kraus,
find, es reicht.
Ein letzter Blick,
der Gang ist leer,
beschwingt schreite ich vor mir her.
(Elisabeth Fleck aus Jena, CZG Jena, Klasse 12, Muttersprache deutsch)
Und hier die Gewinner "außer Konkurrenz"
(Jeder Teilnehmer kann maximal zweimal Leitmotivrundengewinner werden. Weitere eingesandte Gedichte werden trotzdem von der Jury bewertet. Sollte ein Gedicht nach Punkten unter den besten sein, wird es "außer Konkurrenz" veröffentlicht.)
Metropolitan
Führerlos sind meine Züge,
schleierhaft ist mein Gesicht,
jede Wahrheit, jede Lüge,
all jene, die verbirgt sie nicht,
gab auf ich, ohne zu probieren,
denn fruchtlos wird es heute sein,
mich zu verfälschen, zu maskieren,
die Tunnel werden mir verzeih'n.
Wir alle blicken in die Spiegel,
du siehst mich, ja
genau wie ich
zu lösen Banden, Schlösser, Riegel,
ich kenne dich, ich kenne mich.
Die Dunkelheit des hellen Tages,
sie hat uns sanft nun fort gebracht,
es trägt die Seele Hoffnungsfarben,
es schläft das Bild, in tiefer Nacht,
und nicht verbergen können wir,
was immerzu wir denken, tun,
wir sind die Spiegel unsres Seins,
reflektierend, niemals ruhn',
'drum lehne dich zurück, mein Kind,
mein Liebling, ach schau mich nicht an,
im Zwielicht sehe ich dein Hadern,
ich seh', was man dir angetan,
ich sehe deine Ängste,
Bangen,
und sehe auch, wenn du verzagst,
ich höre deine Worte klar,
bevor du sie zu sprechen wagst.
(Julia Fourate aus Nordhofen, Mons-Tabor-Gymnasium, Klasse 13, Muttersprache deutsch)
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Ich schau sie an –
sie schaut zurück –
ich blinzle,
rück ein kleines Stück,
schau wieder hin –
sie schaut vorbei,
als wäre ich ihr einerlei.
Ich neig den Kopf –
sie blicket starr –
ich beug mich vor und ...
ich verharr.
Sie schaut vorüber
zu den Kind',
die im Portrait links spielend sind.
Ich fletsch die Zähne –
nichts passiert –
ich greif das Bild ganz ungeniert
mit einem Ruck –
sie glotzet stumm –
ich dreh das Bild verkehrt herum.
Ich schau es an –
es baumelt leicht –
ich zieh die Stirn kraus,
find, es reicht.
Ein letzter Blick,
der Gang ist leer,
beschwingt schreite ich vor mir her.
(Elisabeth Fleck aus Jena, CZG Jena, Klasse 12, Muttersprache deutsch)
Und hier die Gewinner "außer Konkurrenz"
(Jeder Teilnehmer kann maximal zweimal Leitmotivrundengewinner werden. Weitere eingesandte Gedichte werden trotzdem von der Jury bewertet. Sollte ein Gedicht nach Punkten unter den besten sein, wird es "außer Konkurrenz" veröffentlicht.)
Metropolitan
Führerlos sind meine Züge,
schleierhaft ist mein Gesicht,
jede Wahrheit, jede Lüge,
all jene, die verbirgt sie nicht,
gab auf ich, ohne zu probieren,
denn fruchtlos wird es heute sein,
mich zu verfälschen, zu maskieren,
die Tunnel werden mir verzeih'n.
Wir alle blicken in die Spiegel,
du siehst mich, ja
genau wie ich
zu lösen Banden, Schlösser, Riegel,
ich kenne dich, ich kenne mich.
Die Dunkelheit des hellen Tages,
sie hat uns sanft nun fort gebracht,
es trägt die Seele Hoffnungsfarben,
es schläft das Bild, in tiefer Nacht,
und nicht verbergen können wir,
was immerzu wir denken, tun,
wir sind die Spiegel unsres Seins,
reflektierend, niemals ruhn',
'drum lehne dich zurück, mein Kind,
mein Liebling, ach schau mich nicht an,
im Zwielicht sehe ich dein Hadern,
ich seh', was man dir angetan,
ich sehe deine Ängste,
Bangen,
und sehe auch, wenn du verzagst,
ich höre deine Worte klar,
bevor du sie zu sprechen wagst.
(Julia Fourate aus Nordhofen, Mons-Tabor-Gymnasium, Klasse 13, Muttersprache deutsch)