Freitag, 26. April 2024


Die lyrix-Gewinner im September

In Anlehnung an Paul Celans Gedicht "Die Jahre von dir zu mir" sollten die lyrix-Wettbewerbsbeiträge im September eine vertraute Beziehung zwischen zwei Personen unterschiedlichen Alters beschreiben.

14.10.2009
    Das Altern gehört zum Leben dazu und nicht selten verlieren die Generationen den Zugang zueinander. Dabei ist es gerade in unserer schnelllebigen Zeit von Bedeutung, dass junge und alte Menschen sich nicht nur gegenseitig respektieren, sondern auch voneinander lernen. Eure Gedichte im September haben sich auf ganz unterschiedliche Weise mit diesem Thema befasst, fasst alle Texte beschreiben Momente des Vertrauens zwischen Jung und Alt.

    Hier die Texte der Monatsgewinner, die unsere lyrix-Jury ausgewählt hat.

    Im Oktober lautet unser Leitmotiv: Veränderungen


    Jahre zwischen uns

    Es ist so lang von dir zu mir
    und doch sind wir uns nah.
    Ich habe Angst dich zu verlieren,
    Angst du seist irgendwann nicht da
    mehr, um mit mir zu reden,
    um mich zu trösten, wenn ich wein'
    und meine Tränen werden Fäden
    des Schicksalsteppichs sein,
    des uns dann trennen wird für immer,
    im ew'gen Rad der Zeit
    zermalmt, oder vielleicht noch schlimmer auf ewig in der Einsamkeit gelassen ohne deinen Rat und ohne deine starke Hand, um welche ich dich so oft bat.
    Die Zeit verrinnt wie Sand.


    (Anna Slobdonik aus Berlin, Felix Mendelsson Bartholdy Oberschule, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache: russisch)


    revision

    schön dich wiederzusehen im unberührten haus die dielen seufzen unter meinen zarten schritten und in deinen greisen armen darf ich mich tummeln – der staubpelz der letzten jahre schlägt mir entgegen

    das durchgesessene ledersofa quietscht unter meiner last und die graue zimmerlampe presst schwaches licht zu mir hinüber während ich in deine starren augen sehe die verglimmen wie meine stimme im tränenbenetzten treppenflur

    ich versuche wasser durch die rostigen badarmaturen zu locken – doch zu spät denn dein mund den ich einst mit kindlicher liebkosung versehen durfte ist erstickt und versiegelt seine geschichten verklungen bei ofenwarmen keksen

    der fotorahmen an der wand reicht mir deine vergilbte liebe die ich in meinem kopf reanimiere reanimiere reanimiere

    das einschlaflied das du mir komponiert hast erwacht in meinen ohren und meine atmung wird gleichmäßig ich schließe die augen sacke zusammen und du deckst mich zu mit schwarzweißerinnerungen

    das urteil war vernichtend


    (Jonas Kohnen aus Ludwigshafen, Heinrich-Böll-Gymnasium, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache: deutsch)


    Ohne Titel

    Vogelgezwitscher
    Blauer Himmel Sonnenschein
    Die erste Lilie
    Wir zwei zusammen
    Du lächelst und meine Sonne geht auf
    Es gibt so vieles was wunderbar ist
    Doch das Beste bist du
    Wir zwei
    Deine Hand hält meine

    Das Lachen eines Kindes
    Vergissmeinnichthimmel
    Eine blühende Lilie
    Wir zwei
    Liegen faul in der Sonne
    Du immer ein bisschen
    Müder als ich
    Wir zwei
    Deine Hand in meiner

    Raschelnde Blätter
    Goldenes Laub
    Bedeckt die Lilie
    Wir zwei
    Laufen im Regen
    Du stolperst
    Ich kann dich nicht mehr halten
    Du und ich
    Deine Hand löst sich

    Stille
    Ein weiß überzogenes Feld
    Die Lilie längst erfroren
    Ich
    Schaue in den Himmel
    Schneeflocken auf meiner
    Kalten Nasenspitze

    Meine Hand in der Manteltasche


    (Larissa Hieber aus Schwäbisch Gmünd, Hans-Baldung-Gymnasium, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache: deutsch)


    KINDERAUGEN

    Du zauberst ein Lächeln
    auf mein Gesicht
    mit schuldlosen Augen
    so verblüffend einfach

    Aus meinen Wolken
    machst du Sonnenschein
    aus meinen Ängsten
    lebhafte Geschichten

    Phantasie
    statt schöner Lügen
    die versprechen
    "das geht schon okay"

    Keine sinnlosen Worte
    kein Mitgefühl
    nur aus Anstand
    kein halbes Gehör

    Ein warmes Lächeln
    statt nutzlosem Mitleid
    statt leeren Sätzen
    "ich weiß wie's dir geht"

    Nur ein Herz kindlicher Liebe
    so viel jünger als ich
    und ohne viel Wissen
    um so vieles weiser

    Meine riesige Welt
    in so kleinen Händen
    am besten verwahrt
    im Augenblick

    Bist du da
    hörst du zu
    verstehst mich
    vielleicht auch nicht


    (Luca Franziska Detemple aus Rottweil, Albertus-Magnus-Gymnasium, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache: deutsch)


    Ganz zerbrochen

    Die Scherben spiegelten
    - obwohl zerbrochen-
    immer noch das Licht in deinen Augen
    wie Sonnenstrahlen
    während das der meinen erloschen schien
    ohne Glanz
    ganz leer
    nicht sehr schön

    Die zurückgekehrten Gedanken
    malten ein Bild auf weißer Wand
    das die Vollkommenheit unserer BEZIEHUNG darstellte
    den Raum erhellte
    unanfechtbar war
    die Neuigkeit nicht sah
    ausblendete

    heute sehe ich abermals die Scherben
    die du in mir verursacht hast
    doch sie stechen meine Augen nicht mehr
    denn sie sind nicht mehr in mir
    Ich bin ganz
    Sie sind zerbrochen
    SIE ist ganz
    ja ganz zerbrochen


    (Nina Nick aus Dettingen, Max-Planck-Gymnasium Heidenheim, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache: deutsch)


    Die Gedichte aus dem Ausland:

    Du und ich

    Dein Leben,
    deine Erfahrungen und Erlebnisse,
    hast du mir alle erzählt.
    Wenn meine Augen nicht schlieen wollten,
    sangst du alte Liede,
    und schnell war ich in einem Schlaf versunken.
    Seit jeher warst du dabei.
    Jahr für Jahr hast du Unterschiede
    in mir verstanden,
    denn klein darf niemand bleiben.
    Und die Geschichten waren immer anders.
    Zusammen tauchten wir
    in die Vergangenheit,
    und ich lernte immer mehr über alles,
    über dich.
    Meine Kindheit wird immer mit mir sein.
    Die Geschichten, die Erlebnisse, die Lieder
    werden in meinem Herzen bleiben.
    du auch.


    (Beatriz Albuquerque aus Amadora, Portugal, Oficinas de S.Jose, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache: portugiesisch)


    Die Jahre wandern

    Die Jahre wandern
    von mir zu dir
    und von dir zu mir
    Ich erzähle dir etwas
    du sammelst meine Erfahrung
    und meine Jahre werden deine
    Deine werden auch irgendwann meine
    und die Jahre wandern
    damit du weder jünger noch älter bist
    Die Jahre wandern gern
    durch gesammelte Erfahrung,
    die du mir beibringst.


    (Felicia Marques aus Odivelas, Portugal, Deutsche Schule Lissabon, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache: portugiesisch)


    Die Jahre von dir zu mir

    Ich danke dir für jede Sekunde,
    und gebe dir jede Stunde,
    mein Leben, mein Herz.
    Denn du bist mein ganzer Schmerz,
    mein ganzer Stolz,
    mein größter Besitz.

    Ich gebe dir die Jahre von dir zu mir,
    von mir zu dir,
    von damals bis heute,
    vom Januar
    bis zum Dezember.
    Und eines will ich nur zurück,
    dein Lächeln
    und dein Glück.


    (Haris Poturkovic aus Zenica, Bosnien und Herzegowina, Prva gimnazija u Zenici, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache: bosnisch)


    Die Jahre von mir zu dir
    (meiner Mutter gewindet)


    Die Sonne scheint in deinen Augen,
    schöne Worte sind auf deinen Lippen.
    Mein ganzes Herz ist für dich
    Das weiß ich jetzt.
    Ein Kuss von dir ist genug
    und ich fliege auf den Wolken,
    frei wie ein Vogel.
    Wie ein kleines Tier seine Mutter braucht,
    wie eine Blume Wasser braucht,
    brauche ich dich auch.
    Und du...
    Ich brauche dich für mein ganzes Leben,
    Meine Jahre sind für dich,
    deine Jahre sind für mich.
    Du bist mein Vorbild,
    du bist mein Spaß.
    Du wirst für mich immer da sein.


    (Jasmina Buljubasic aus Zenica, Bosnien und Herzegowina, Erstes Gymnasium Zenica, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache: bosnisch)


    Die Jahre von mir zu dir

    Wenn der Uhrzeiger die Momente der Trauer bewegt,
    wenn ich einsam vor der Welt stehe,
    wenn ich entmutigt durch's Leben schreite,
    wenn ich einen Kampf ohne Waffe führe,
    Streckt mir eine Person durch die Kraft ihrer Liebe
    freundlich ihre Hand aus.
    Durch ihren zärtlichen Blick gibt sie mir ihre Liebe,
    durch ihr zärtliches Lächeln schenkt sie mir Glück.
    Wenn ich allein bin und auf die Knie vor dem Leben falle,
    beleuchtet sie durch ihr Lächeln, fröhliches Gesicht
    und durch die Wärme ihrer Worte die Wege des Glückes.
    Eine Person ist schwer zu beschreiben,
    eine und einzigartige ist die Mutter.
    Meine Jahre sind für sie,
    ihre Jahre sind für mich.


    (Edin Ibraljic aus Zenica, Bosnien und Herzegowina, Erstes Gymnasium, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache: bosnisch)