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Die Märkte mit dem Euro versöhnen

Heute beginnt in Brüssel der letzte EU-Gipfel des Jahres. Im Zentrum stehen die europäische Schuldenkrise und ihre Folgen für den Euro. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank, fordert die Abtretung von Souveränitätsrechten an eine zentrale Koordinierungsstelle für die EU-Finanzpolitik.

Ulrich Kater im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Klar ist, dass sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer auf einen langfristigen Krisenmechanismus für den Euro verständigen wollen, aber wie der genau aussehen soll, das ist noch nicht so ganz klar. Den Staats- und Regierungschefs geht es trotz Streitereien mit ihren Stabilisierungsbemühungen ja vor allem darum, Vertrauen bei den internationalen Anlegern auf den Finanzmärkten zu schaffen. Dort hatte sich ja nach den europäischen Bürgschaften für Irland und Griechenland weiterhin Misstrauen breit gemacht. Es geht darum, dass auch Portugal und Spanien wo möglich Zahlungsschwierigkeiten bekommen könnten, vielleicht auch den Euro-Rettungsschirm in Anspruch nehmen müssten, und dass das dann alles nicht mehr ausreichen könnte. Am Telefon ist nun Ulrich Kater, er ist der Chefvolkswirt der Deka-Bank. Guten Tag, Herr Kater.

    Ulrich Kater: Schönen guten Tag.

    Engels: Zwischenzeitlich stand der Euro heute auch an den Devisenmärkten unter Druck. Zeigt das, dass die Märkte den Politikern erst mal nicht zutrauen, eine tragfeste Lösung für den Euro zu finden?

    Kater: Nein, das eigentlich nicht. Wir müssen sagen, dass der Euro während der gesamten Euro-Krise in diesem Jahr, und das auch seit Beginn des Jahres, eigentlich bemerkenswert stabil geblieben ist. Er ist mal kurzzeitig in diesem Jahr unter die 1,30-Marke zum Dollar getaucht, aber das ist in der Lebensgeschichte des Euro kein besonders schwacher Wert. Der Euro ist eigentlich stark geblieben, was zeigt, dass die Märkte mit dem weiteren Bestehen des Euro weiter rechnen. Sie wissen nur nicht, wie die darunter liegende Finanzverfassung aussieht. Und das spiegelt sich wiederum ganz eindeutig in anderen Marktsignalen, nämlich den Zinssätzen der verschiedenen Regionen, der Länder des Euro.

    Engels: Was müssen denn Ihrer Ansicht nach die EU-Staats- und -Regierungschefs auf ihrem Gipfel beschließen, damit sich die Märkte beruhigen?

    Kater: Nun, es muss ein Arrangement sein, was die Märkte mit dem Euro versöhnt, was deutlich macht, dass die europäischen Länder, die den Euro bilden, auch den notwendigen politischen Zusammenhalt auf die Beine stellen, der in den Augen der Märkte für eine Währungsunion nun einmal notwendig ist. Man sitzt in einer Währungsunion so eng in einem Boot - das haben die Verflechtungen der Finanzinstitute im europäischen Kapitalmarkt jetzt auch ganz eindeutig gezeigt -, dass man nicht mehr bei so wichtigen Fragen wie der Finanzpolitik einfach unabhängig vor sich hinkalkulieren kann, sondern hier muss eine viel stärkere Koordinierung stattfinden, unter Umständen auch die Abtretung von Souveränitätsrechten an eine zentrale Koordinierungsstelle. Das fordern die Märkte ein, und solange diese Frage nicht gelöst ist, werden die Märkte auch weiterhin ihr Misstrauen zum Ausdruck bringen.

    Engels: Das heißt, zusammengefasst müssten eigentlich die EU-Staats- und -Regierungschefs Kompetenzen auf eine wie auch immer geartete Wirtschaftsregierung und Abgabe des nationalen Haushaltsrechts beschließen, damit wirklich Ruhe einkehrt?

    Kater: Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, wie man eine solche enge Koordinierung ausdrücken kann. Man könnte in der Tat beschließen, dass beispielsweise Defizitregeln zentral und verbindlich festgelegt werden. Die sonstige Gestaltung der nationalen Haushalte verbliebe natürlich weiterhin bei den nationalen Parlamenten, aber so eine Regel wäre sehr, sehr glaubwürdig auch für die Kapitalmärkte. Man könnte Teile der Politik vereinheitlichen und diese Teile aus den nationalen Haushalten herausnehmen, beispielsweise die Verteidigungspolitik. Das wäre ebenfalls eine Möglichkeit. Man könnte auch versuchen, so wie es ja angedacht ist, einen Zwischenmechanismus vor einer solchen Abtretung von Souveränitätsrechten zu finden, der ja eigentlich im Rettungsschirm auch angelegt ist. Das bedeutet, die Überbrückung von Fehlkalkulationen und Fehlentwicklungen durch Überbrückungskredite, aber eben gegen Auflagen, und diese Auflagen stellen dann eben auch einen Koordinierungsmechanismus dar. Das Problem mit dem Rettungsschirm ist, dass er so, wie er aufgesetzt ist, ebenfalls für die Kapitalmärkte nicht glaubwürdig ist.

    Engels: Was halten Sie denn von der Idee von Jean-Claude Juncker, europäische Staatsanleihen, also so genannte Euro-Bonds, aufzulegen? Das wäre dann ja so, dass die Kapitalmärkte demnächst nur noch den Risikoraum Euro gesamt einschätzen könnten und nicht einige Staaten besser ranken könnten und andere Staaten schlechter.

    Kater: Für die Kapitalmärkte würde ein solcher Beschluss tatsächlich das Problem der mangelnden Glaubwürdigkeit lösen, zumindest so lange, wie sich dann zeigt, dass das Gesamtgebilde Europa mit seinen Schulden haushalten könnte. Aber ich halte diesen Vorschlag für absolut unausgewogen, asymmetrisch. Eine Vergemeinschaftung der Verschuldung in diesem Ausmaß wäre ohne die auf der anderen Seite notwendigen verbindlichen Koordinierungsmechanismen sehr einseitig und würde die völlig falschen Anreize setzen, in einigen schwächeren Ländern weiterhin auf Verschuldung zu setzen und in den stärkeren Ländern die Verpflichtung, diese Schulden auch zu begleichen. Das halte ich für viel zu weitgehend. Ich könnte mir allerdings eine Rolle von Euro-Bonds tatsächlich vorstellen, und zwar bei der Finanzierung des Rettungsschirms, denn hier haben wir eben durch die Verordnung von Stabilisierungsprogrammen für die Länder, die unter den Rettungsschirm schlüpfen, Durchgriffsrechte und damit Koordinierungsfunktionen, die den begrenzten Einsatz eines Euro-Bonds für diese Zwecke durchaus rechtfertigen würden.

    Engels: Das heißt, Euro-Bonds möglicherweise ja, in Teilbereichen, wie Sie sagen, aber nur dann, wenn die Wirtschaftspolitik auch stärker zentral geschaltet wird, damit die Wettbewerbsfähigkeit sich auch angleicht?

    Kater: So sehe ich das, ja.

    Engels: Das waren Einschätzungen von Ulrich Kater. Er ist der Chefvolkswirt der Deka-Bank und wir sprachen mit ihm über seine Einschätzungen, welche Beschlüsse die Märkte vom EU-Gipfel in Brüssel erwarten. Vielen Dank für Ihre Zeit.

    Kater: Gerne.