Silvia Engels: Kaperungen, versuchte Überfälle, Schusswechsel und Tote - auch am Wochenende ging die Piraterie vor der somalischen Küste weiter. Besonders auffällig ist, dass mutmaßlich somalische Seeräuber versucht haben, ein italienisches Kreuzfahrtschiff mit 1500 Menschen an Bord anzugreifen. Der Versuch schlug fehl, aber er fand 1100 Kilometer von der somalischen Küste entfernt statt, auf einer Route, die bislang als sicher galt.
Das International Maritime Bureau zählt die Piratenüberfälle weltweit und es berichtet, dass sich die Zahl der Überfälle vor der somalischen Küste im ersten Quartal des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzehnfacht hat. Vor der Sendung sprachen wir mit Hans-Heinrich Nöll. Er ist Geschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder. An ihn ging die Frage, wie das Thema Piraterie angesichts der jüngsten Attacken bei deutschen Reedern diskutiert wird.
Hans-Heinrich Nöll: Es wird als ein sehr ernstes Thema diskutiert, und zwar schon seit nahezu einem Jahr, und zwar bezogen besonders auf die Eskalation der Piraterie am Horn von Afrika, also in den Gewässern im Golf von Aden und um die somalischen Hoheitsgewässer herum, denn hier haben wir einen Schwerpunkt der Piraterie, während sie weltweit eher von Jahr zu Jahr zurückgeht, und hier eskalieren die Dinge gerade noch einmal, obwohl internationale Seestreitkräfte gegen die Piraterie vorgehen -auch mit Erfolg.
Engels: Wagen Sie denn eine Schätzung, wie viel Lösegeld mittlerweile von deutschen Reedereien geflossen ist, speziell zu diesen somalischen Entführern?
Nöll: Das kann ich nicht beziffern, weil ich es auch nicht weiß, aber von den über 40 Schiffen, die bisher entführt worden sind, sind fünf deutsche Schiffe gewesen und bisher sind auch alle Schiffe wieder frei gekommen und die Besatzung ohne physische Schäden jedenfalls davon gekommen. Die Lösegelder, die die Piraten erpresst haben, sind beträchtlich, aber die Reedereien müssen darauf eingehen im Interesse der Sicherheit ihrer Besatzung.
Engels: Sie haben vergangene Woche gefordert, den militärischen Einsatz gegen Piraten zu erweitern. Wie soll denn eine global koordinierte Operation aussehen, so wie Sie sich das vorstellen?
Nöll: Die global koordinierte Kooperation von Seestreitkräften gibt es bereits und seit Ende letzten Jahres auch unter Einschluss der deutschen Marine werden gezielte Maßnahmen gegen die Piraterie unternommen. An allererster Stelle stehen auch Maßnahmen zum Schutz der Handelsschifffahrt sowie der Schiffe des Welternährungsprogramms, die Nahrungsmittel nach Somalia liefern, und der Schutz der Handelsschifffahrt geschieht vor allem dadurch im Golf von Aden, dass ein Korridor dort eingerichtet worden ist, in dem man sich unter eine Art Schutzschirm begeben kann. Was wir in den letzten Wochen gesehen haben und welche Schlüsse wir daraus gezogen haben heißt, die eingeleiteten Maßnahmen zu erweitern, weitere Korridore auch an der Ostküste von Afrika vor der somalischen Küste einzurichten, damit die Schifffahrt hier sicherer wird, denn in den Korridoren ist die Zahl der Entführungen bis vielleicht auf den letzten Fall bisher ausgeschlossen worden.
Engels: Korridore bilden, eine Art Konvoi fahren, wird das denn von Ihren Schiffen angenommen?
Nöll: Das wird auch angenommen. Ich habe keine vollständige Übersicht, aber wir haben unseren Mitgliedern das dringend geraten, das zu tun, und die Operation Atalanta - das ist ein Teil der internationalen Eingreiftruppe gegen die Piraterie; es ist eine europäische Operation, wozu die deutsche Marine gehört - bietet auch die Überwachung und die Auskunft und den Schutzschirm an, wenn man sich dort ordnungsgemäß anmeldet. Das ist aber unbedingte Voraussetzung; ansonsten ist man auf hoher See mitweilen sehr allein.
Engels: Die von Überfällen betroffenen Schiffe sind in den allermeisten Fällen Einzelfahrten. Warum gibt es das immer noch?
Nöll: Es sind auch nicht alle Schiffe gleich gefährdet. Gefährdet sind vor allen Dingen die langsameren Schiffe, die Schiffe mit niedrigem Freibord, die man leichter entern kann. Größere Containerschiffe vor allen Dingen und andere große schnelle Schiffe, die über 18 Knoten fahren, sind nicht sehr gefährdet. Allerdings muss man eine abstrakte Gefährdung in jedem Falle in Kauf nehmen, weil Piraten ja auch Waffen benutzen und damit die Schiffe versuchen, in ihre Gewalt zu bekommen. Aber die Schifffahrt, die zum Beispiel durch den Golf von Aden fährt - das sind ungefähr knapp 20.000 Schiffe -, die ist darauf vorbereitet. Die Reedereien treffen auch Maßnahmen und Vorkehrungen an Bord. Was sie allerdings nicht tun ist, dass sie sich mit Waffengewalt wehren. Das lehnen wir ab, dass wir Gegenwehr mit Waffen vornehmen. Das tun alle Reedereien weltweit, bis auf vielleicht wenige Ausnahmen, denn wir befürchten daraus eine Eskalation der Gewalt. Wir setzen darauf, dass die Schutzschirme der internationalen Marinestreitkräfte noch ausgebaut werden, wenn das wie offensichtlich nötig ist.
Engels: Herr Nöll, Sie sagen, Sie lehnen eine Bewaffnung auch von Handelsschiffen ab. Nun gibt es aber Meldungen, wonach das jüngst betroffene italienische Kreuzfahrtschiff sich gerade durch bewaffnete Sicherheitskräfte an Bord gegen den angedrohten Überfall zur Wehr gesetzt hat, erfolgreich zur Wehr gesetzt hat. Müssen Sie das vielleicht doch überdenken?
Nöll: Es ist vielleicht auch ein Unterschied zu machen zwischen Kreuzfahrtschiffen und normalen Handelsschiffen, also Frachtern. Kreuzfahrtschiffe haben heute ohnehin in der Regel Sicherheitsdienste an Bord, denn Kreuzfahrtschiffe sind ohnehin gefährdet durch terroristische Aktionen und wir haben seit den Ereignissen von 2001 in den USA eine immense Sicherheitsgesetzgebung in der Schifffahrt gehabt, die dazu auffordert, allgemein Vorkehrungen auch gegen terroristische Angriffe auf Schiffe und durch Schiffe dann in Hafenstaaten vorzunehmen, und dazu gehört auch ein Sicherheitsplan und die Reedereien, die Kreuzfahrtschiffe betreiben, müssen sich darum im Interesse ihrer Passagiere ohnehin kümmern. Das heißt, sie sind nicht nur wegen der Piraten, sondern ganz allgemein mit Sicherheitsdiensten ausgestattet.
Engels: Die jemenitische Küstenwache hat am Wochenende mutmaßliche Piraten erschossen. Sollte das möglicherweise auch eine Möglichkeit sein, wie die Bundesmarine demnächst handelt?
Nöll: Die deutsche Marine und auch die anderen Seestreitkräfte, die an diesen Operationen gegen die Piraten teilnehmen, haben alle ein umfassendes Mandat. Das heißt, sie haben das Mandat, die Piraterie einzudämmen, zu einem Ende zu bringen unter Einsatz der geeigneten Mittel, aber auch unter Einsatz ausdrücklich - so nach dem Sicherheitsratsbeschluss der Vereinten Nationen - von Gewalt. Aber Einsatz von Gewalt ist auch für die Marinen ultima ratio. Aber wenn es erforderlich ist, kann auch Gewalt eingesetzt werden. Die Mandate für die Seestreitkräfte sind umfassend und ausreichend.
Engels: Das heißt, Sie können sich eine solche Art von Maßnahmen vorstellen?
Nöll: Das ist durchaus denkbar, wenn es nötig ist. Wir sehen aber hier immer auch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und es hat sich auch sehr oft gezeigt: wenn die Marinestreitkräfte verfügbar sind und ganz entschlossen auftreten, dass die Piraten sehr wohl die Konsequenzen daraus ziehen und ihre Angriffe abbrechen. Das ist auch der Erfolg in diesen Transitkorridoren gewesen.
Engels: Hans-Heinrich Nöll, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder, zur Piraterie vor Somalia, die offenbar an Radius gewinnt.
Das International Maritime Bureau zählt die Piratenüberfälle weltweit und es berichtet, dass sich die Zahl der Überfälle vor der somalischen Küste im ersten Quartal des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzehnfacht hat. Vor der Sendung sprachen wir mit Hans-Heinrich Nöll. Er ist Geschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder. An ihn ging die Frage, wie das Thema Piraterie angesichts der jüngsten Attacken bei deutschen Reedern diskutiert wird.
Hans-Heinrich Nöll: Es wird als ein sehr ernstes Thema diskutiert, und zwar schon seit nahezu einem Jahr, und zwar bezogen besonders auf die Eskalation der Piraterie am Horn von Afrika, also in den Gewässern im Golf von Aden und um die somalischen Hoheitsgewässer herum, denn hier haben wir einen Schwerpunkt der Piraterie, während sie weltweit eher von Jahr zu Jahr zurückgeht, und hier eskalieren die Dinge gerade noch einmal, obwohl internationale Seestreitkräfte gegen die Piraterie vorgehen -auch mit Erfolg.
Engels: Wagen Sie denn eine Schätzung, wie viel Lösegeld mittlerweile von deutschen Reedereien geflossen ist, speziell zu diesen somalischen Entführern?
Nöll: Das kann ich nicht beziffern, weil ich es auch nicht weiß, aber von den über 40 Schiffen, die bisher entführt worden sind, sind fünf deutsche Schiffe gewesen und bisher sind auch alle Schiffe wieder frei gekommen und die Besatzung ohne physische Schäden jedenfalls davon gekommen. Die Lösegelder, die die Piraten erpresst haben, sind beträchtlich, aber die Reedereien müssen darauf eingehen im Interesse der Sicherheit ihrer Besatzung.
Engels: Sie haben vergangene Woche gefordert, den militärischen Einsatz gegen Piraten zu erweitern. Wie soll denn eine global koordinierte Operation aussehen, so wie Sie sich das vorstellen?
Nöll: Die global koordinierte Kooperation von Seestreitkräften gibt es bereits und seit Ende letzten Jahres auch unter Einschluss der deutschen Marine werden gezielte Maßnahmen gegen die Piraterie unternommen. An allererster Stelle stehen auch Maßnahmen zum Schutz der Handelsschifffahrt sowie der Schiffe des Welternährungsprogramms, die Nahrungsmittel nach Somalia liefern, und der Schutz der Handelsschifffahrt geschieht vor allem dadurch im Golf von Aden, dass ein Korridor dort eingerichtet worden ist, in dem man sich unter eine Art Schutzschirm begeben kann. Was wir in den letzten Wochen gesehen haben und welche Schlüsse wir daraus gezogen haben heißt, die eingeleiteten Maßnahmen zu erweitern, weitere Korridore auch an der Ostküste von Afrika vor der somalischen Küste einzurichten, damit die Schifffahrt hier sicherer wird, denn in den Korridoren ist die Zahl der Entführungen bis vielleicht auf den letzten Fall bisher ausgeschlossen worden.
Engels: Korridore bilden, eine Art Konvoi fahren, wird das denn von Ihren Schiffen angenommen?
Nöll: Das wird auch angenommen. Ich habe keine vollständige Übersicht, aber wir haben unseren Mitgliedern das dringend geraten, das zu tun, und die Operation Atalanta - das ist ein Teil der internationalen Eingreiftruppe gegen die Piraterie; es ist eine europäische Operation, wozu die deutsche Marine gehört - bietet auch die Überwachung und die Auskunft und den Schutzschirm an, wenn man sich dort ordnungsgemäß anmeldet. Das ist aber unbedingte Voraussetzung; ansonsten ist man auf hoher See mitweilen sehr allein.
Engels: Die von Überfällen betroffenen Schiffe sind in den allermeisten Fällen Einzelfahrten. Warum gibt es das immer noch?
Nöll: Es sind auch nicht alle Schiffe gleich gefährdet. Gefährdet sind vor allen Dingen die langsameren Schiffe, die Schiffe mit niedrigem Freibord, die man leichter entern kann. Größere Containerschiffe vor allen Dingen und andere große schnelle Schiffe, die über 18 Knoten fahren, sind nicht sehr gefährdet. Allerdings muss man eine abstrakte Gefährdung in jedem Falle in Kauf nehmen, weil Piraten ja auch Waffen benutzen und damit die Schiffe versuchen, in ihre Gewalt zu bekommen. Aber die Schifffahrt, die zum Beispiel durch den Golf von Aden fährt - das sind ungefähr knapp 20.000 Schiffe -, die ist darauf vorbereitet. Die Reedereien treffen auch Maßnahmen und Vorkehrungen an Bord. Was sie allerdings nicht tun ist, dass sie sich mit Waffengewalt wehren. Das lehnen wir ab, dass wir Gegenwehr mit Waffen vornehmen. Das tun alle Reedereien weltweit, bis auf vielleicht wenige Ausnahmen, denn wir befürchten daraus eine Eskalation der Gewalt. Wir setzen darauf, dass die Schutzschirme der internationalen Marinestreitkräfte noch ausgebaut werden, wenn das wie offensichtlich nötig ist.
Engels: Herr Nöll, Sie sagen, Sie lehnen eine Bewaffnung auch von Handelsschiffen ab. Nun gibt es aber Meldungen, wonach das jüngst betroffene italienische Kreuzfahrtschiff sich gerade durch bewaffnete Sicherheitskräfte an Bord gegen den angedrohten Überfall zur Wehr gesetzt hat, erfolgreich zur Wehr gesetzt hat. Müssen Sie das vielleicht doch überdenken?
Nöll: Es ist vielleicht auch ein Unterschied zu machen zwischen Kreuzfahrtschiffen und normalen Handelsschiffen, also Frachtern. Kreuzfahrtschiffe haben heute ohnehin in der Regel Sicherheitsdienste an Bord, denn Kreuzfahrtschiffe sind ohnehin gefährdet durch terroristische Aktionen und wir haben seit den Ereignissen von 2001 in den USA eine immense Sicherheitsgesetzgebung in der Schifffahrt gehabt, die dazu auffordert, allgemein Vorkehrungen auch gegen terroristische Angriffe auf Schiffe und durch Schiffe dann in Hafenstaaten vorzunehmen, und dazu gehört auch ein Sicherheitsplan und die Reedereien, die Kreuzfahrtschiffe betreiben, müssen sich darum im Interesse ihrer Passagiere ohnehin kümmern. Das heißt, sie sind nicht nur wegen der Piraten, sondern ganz allgemein mit Sicherheitsdiensten ausgestattet.
Engels: Die jemenitische Küstenwache hat am Wochenende mutmaßliche Piraten erschossen. Sollte das möglicherweise auch eine Möglichkeit sein, wie die Bundesmarine demnächst handelt?
Nöll: Die deutsche Marine und auch die anderen Seestreitkräfte, die an diesen Operationen gegen die Piraten teilnehmen, haben alle ein umfassendes Mandat. Das heißt, sie haben das Mandat, die Piraterie einzudämmen, zu einem Ende zu bringen unter Einsatz der geeigneten Mittel, aber auch unter Einsatz ausdrücklich - so nach dem Sicherheitsratsbeschluss der Vereinten Nationen - von Gewalt. Aber Einsatz von Gewalt ist auch für die Marinen ultima ratio. Aber wenn es erforderlich ist, kann auch Gewalt eingesetzt werden. Die Mandate für die Seestreitkräfte sind umfassend und ausreichend.
Engels: Das heißt, Sie können sich eine solche Art von Maßnahmen vorstellen?
Nöll: Das ist durchaus denkbar, wenn es nötig ist. Wir sehen aber hier immer auch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und es hat sich auch sehr oft gezeigt: wenn die Marinestreitkräfte verfügbar sind und ganz entschlossen auftreten, dass die Piraten sehr wohl die Konsequenzen daraus ziehen und ihre Angriffe abbrechen. Das ist auch der Erfolg in diesen Transitkorridoren gewesen.
Engels: Hans-Heinrich Nöll, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder, zur Piraterie vor Somalia, die offenbar an Radius gewinnt.