Otto Saalmann vom ADAC hält Konkretisierung der aktuellen Gesetzeslage für sinnvoll, nicht aber eine generelle Pflicht.
Ursula Mense: Offenbar soll es schnell gehen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer will das Fahren mit Winterreifen zur Pflicht machen, noch bevor der Winter kommt. Dabei will er mehr Rechtssicherheit schaffen, nachdem das Oberlandesgericht Oldenburg jetzt einem Kläger recht gegeben hatte und urteilte, die gesetzlichen Vorschriften für die Bereifung der Autos im Winter seien zu schwammig. Dem Verkehrsminister geht es auch darum, die LKW in die Pflicht zu nehmen, die durch unzureichende Bereifung schwere Unfälle und Staus auslösten, heißt es. Am Telefon ist jetzt Otto Saalmann vom ADAC, den ich fragen möchte: Ist denn eine solche generelle Winterreifenpflicht sinnvoll, Herr Saalmann?
Otto Saalmann: Eine generelle nicht, eine situative ja. Im Grunde genommen ist es ja so: Es ist ja nichts Neues. Wir haben eine Winterreifenpflicht seit vier Jahren situativ. Das heißt, wenn ich bei winterlichen Straßenverhältnissen unterwegs sein will, brauche ich geeignete Bereifung. Geeignete Bereifung, an dem Wörtchen hat sich das OLG Oldenburg gestoßen. Was soll konkreter werden? Geplant ist, jetzt vielleicht in die StVO reinzuschreiben, ja, dann brauche ich Winterreifen, Ganzjahresreifen, Reifen mit M- und S-Kennzeichnung, und damit hätten wir das im Endeffekt. Was wir allerdings oder wogegen wir sind, ist nur ein ganz anderer Aspekt. Das ist der, dass man zum Beispiel sagen könnte, alle müssen Winterreifen aufziehen von Oktober bis Ende März zum Beispiel.
Mense: Das heißt, prinzipiell sind Sie nicht dagegen zu konkretisieren, wie bei dem Beispiel Matsch und Schnee, aber Sie wollen keine Pflicht, dass man dann von Oktober bis März auch wirklich Winterreifen aufziehen muss?
Saalmann: Richtig, denn es ist einfach so, dass wir in Deutschland viele Regionen haben, in denen es nur sehr milde Winter gibt, wo es relativ selten schneit, wo auch die Leute wirklich dann nur bei trockenen Straßen, oder von mir aus auch bei nassen Straßen unterwegs sind, und da kommen sie mit einem Sommerreifen dann durchaus noch durch. Das bedeutet natürlich aber auch ganz klar: Wenn es denn da wirklich mal schneit – das hatten wir ja jetzt im vergangenen Winter, gerade in Westdeutschland –, dann bedeutet dies, wenn es dann wirklich mal schneit und wir haben eben diese winterlichen Straßenverhältnisse, dass dann das Auto auch stehen gelassen wird, wenn keine Winterreifen oder Ganzjahresreifen aufgezogen sind.
Mense: Ja, gut. Aber wenn man die Verpflichtung nicht rein schreibt, dann könnten die Menschen ja dann auch sagen wir mal in Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz mit ihren Sommer- oder Ganzjahresreifen fahren?
Saalmann: Könnten schon, aber wir haben zum Beispiel auch eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Landstraßen von 100, und trotzdem fahren manche 120.
Mense: Halten wir mal fest: Sie halten es eigentlich für unsinnig, dass – bleiben wir mal beim Beispiel Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz – dann fünf Monate im Winter unter Umständen mit Winterreifen auf Asphalt rumgefahren wird?
Saalmann: Richtig, denn man muss ja auch ganz klipp und klar sagen: Wir haben in den letzten Jahren beobachtet, die Bereitschaft, die entsprechende Bereifung aufzuziehen, die ist in den letzten Jahren ständig gewachsen. Und die, die in den entsprechenden Regionen wohnen, oder die zum Beispiel auch viele Außendienststrecken fahren müssen, viele Kilometer im Jahr, die haben die geeignete Bereifung drauf. Die haben Winterreifen drauf, oder haben zumindest Ganzjahresreifen drauf. Also es ist ja nicht so, dass man hier sagen muss, 70 Prozent aller Leute fahren hier mit Sommerschlappen im Winter herum – ganz im Gegenteil: Die meisten rüsten um!
Mense: Ganzjahresreifen tun es eigentlich immer?
Saalmann: Ganzjahresreifen tun es, aber auch mit Einschränkungen. Der Ganzjahresreifen ist von seiner ganzen Natur her mehr Winterreifen als Sommerreifen. Das heißt, er hat eine andere Gummimischung, er hat mehr Grip im Winter. Aber man wird trotzdem nicht ganz so froh damit wie mit einem wirklich echten Winterreifen, und im Sommer, da wird man erst recht nicht froh damit, denn er kommt auch nicht an die wirklich guten Noten eines guten Sommerreifens. Er kann nur Kompromiss sein. Wenn ich hauptsächlich in der Stadt unterwegs bin, wenn ich nicht so viel fahre, wenn ich also nicht unbedingt hochalpine Strecken fahren muss, dann komme ich mit dem Ganzjahresreifen durchaus hin.
Mense: Wenn jetzt nun festgelegt wird beispielsweise M- und S-Reifen für Matsch und Schnee, kann das denn auch verhindern, dass nicht wintertaugliche Reifen als Winterreifen verkauft werden? Ist die Wahl für den richtigen Reifen damit einfacher für den Autofahrer?
Saalmann: Das leider nicht, weil das keine geschützten Bezeichnungen sind. M und S und auch die Schneeflocke kann eigentlich jeder draufdrucken. Deswegen gibt es hier nur eine Möglichkeit, indem man sich unsere Tests anguckt, die Tests der Stiftung Warentest und hier den entsprechenden Reifen sich raussucht. Grundsätzlich muss man folgendes sagen: Wenn ich heute auf einen Markenreifen zurückgreife, dann bin ich auf der sicheren Seite. Aber wenn ich natürlich jetzt glaube, sparen zu müssen, und zwar dahin gehend sparen zu müssen, dass ich mir ein Superschnäppchen kaufe, das aus Korea oder China kommt, wie wir es jetzt im Test auch schon mal wieder hatten, da muss man sagen: Finger weg! Das sind Reifen, die taugen nichts! Da steht zwar Winterreifen drauf, die sind aber keine Winterreifen. Die haben einfach zu viele Schwächen. Bei den Tests wird halt ganz genau aufgelistet, wo ist der Reifen gut, was kann er, und wenn er zum Beispiel nicht gut ist auf Schnee, Eis, Nässe, dann wird er rigoros abgewertet.
Mense: Vielen Dank, Otto Saalmann vom ADAC, für das Gespräch und für Ihre Haltung zur beabsichtigten Winterreifenpflicht.
Weitere Informationen zum Thema:
"Winterreifenpflicht absolut notwendig" - Interview mit FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksi, 7.10.2010
Ursula Mense: Offenbar soll es schnell gehen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer will das Fahren mit Winterreifen zur Pflicht machen, noch bevor der Winter kommt. Dabei will er mehr Rechtssicherheit schaffen, nachdem das Oberlandesgericht Oldenburg jetzt einem Kläger recht gegeben hatte und urteilte, die gesetzlichen Vorschriften für die Bereifung der Autos im Winter seien zu schwammig. Dem Verkehrsminister geht es auch darum, die LKW in die Pflicht zu nehmen, die durch unzureichende Bereifung schwere Unfälle und Staus auslösten, heißt es. Am Telefon ist jetzt Otto Saalmann vom ADAC, den ich fragen möchte: Ist denn eine solche generelle Winterreifenpflicht sinnvoll, Herr Saalmann?
Otto Saalmann: Eine generelle nicht, eine situative ja. Im Grunde genommen ist es ja so: Es ist ja nichts Neues. Wir haben eine Winterreifenpflicht seit vier Jahren situativ. Das heißt, wenn ich bei winterlichen Straßenverhältnissen unterwegs sein will, brauche ich geeignete Bereifung. Geeignete Bereifung, an dem Wörtchen hat sich das OLG Oldenburg gestoßen. Was soll konkreter werden? Geplant ist, jetzt vielleicht in die StVO reinzuschreiben, ja, dann brauche ich Winterreifen, Ganzjahresreifen, Reifen mit M- und S-Kennzeichnung, und damit hätten wir das im Endeffekt. Was wir allerdings oder wogegen wir sind, ist nur ein ganz anderer Aspekt. Das ist der, dass man zum Beispiel sagen könnte, alle müssen Winterreifen aufziehen von Oktober bis Ende März zum Beispiel.
Mense: Das heißt, prinzipiell sind Sie nicht dagegen zu konkretisieren, wie bei dem Beispiel Matsch und Schnee, aber Sie wollen keine Pflicht, dass man dann von Oktober bis März auch wirklich Winterreifen aufziehen muss?
Saalmann: Richtig, denn es ist einfach so, dass wir in Deutschland viele Regionen haben, in denen es nur sehr milde Winter gibt, wo es relativ selten schneit, wo auch die Leute wirklich dann nur bei trockenen Straßen, oder von mir aus auch bei nassen Straßen unterwegs sind, und da kommen sie mit einem Sommerreifen dann durchaus noch durch. Das bedeutet natürlich aber auch ganz klar: Wenn es denn da wirklich mal schneit – das hatten wir ja jetzt im vergangenen Winter, gerade in Westdeutschland –, dann bedeutet dies, wenn es dann wirklich mal schneit und wir haben eben diese winterlichen Straßenverhältnisse, dass dann das Auto auch stehen gelassen wird, wenn keine Winterreifen oder Ganzjahresreifen aufgezogen sind.
Mense: Ja, gut. Aber wenn man die Verpflichtung nicht rein schreibt, dann könnten die Menschen ja dann auch sagen wir mal in Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz mit ihren Sommer- oder Ganzjahresreifen fahren?
Saalmann: Könnten schon, aber wir haben zum Beispiel auch eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Landstraßen von 100, und trotzdem fahren manche 120.
Mense: Halten wir mal fest: Sie halten es eigentlich für unsinnig, dass – bleiben wir mal beim Beispiel Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz – dann fünf Monate im Winter unter Umständen mit Winterreifen auf Asphalt rumgefahren wird?
Saalmann: Richtig, denn man muss ja auch ganz klipp und klar sagen: Wir haben in den letzten Jahren beobachtet, die Bereitschaft, die entsprechende Bereifung aufzuziehen, die ist in den letzten Jahren ständig gewachsen. Und die, die in den entsprechenden Regionen wohnen, oder die zum Beispiel auch viele Außendienststrecken fahren müssen, viele Kilometer im Jahr, die haben die geeignete Bereifung drauf. Die haben Winterreifen drauf, oder haben zumindest Ganzjahresreifen drauf. Also es ist ja nicht so, dass man hier sagen muss, 70 Prozent aller Leute fahren hier mit Sommerschlappen im Winter herum – ganz im Gegenteil: Die meisten rüsten um!
Mense: Ganzjahresreifen tun es eigentlich immer?
Saalmann: Ganzjahresreifen tun es, aber auch mit Einschränkungen. Der Ganzjahresreifen ist von seiner ganzen Natur her mehr Winterreifen als Sommerreifen. Das heißt, er hat eine andere Gummimischung, er hat mehr Grip im Winter. Aber man wird trotzdem nicht ganz so froh damit wie mit einem wirklich echten Winterreifen, und im Sommer, da wird man erst recht nicht froh damit, denn er kommt auch nicht an die wirklich guten Noten eines guten Sommerreifens. Er kann nur Kompromiss sein. Wenn ich hauptsächlich in der Stadt unterwegs bin, wenn ich nicht so viel fahre, wenn ich also nicht unbedingt hochalpine Strecken fahren muss, dann komme ich mit dem Ganzjahresreifen durchaus hin.
Mense: Wenn jetzt nun festgelegt wird beispielsweise M- und S-Reifen für Matsch und Schnee, kann das denn auch verhindern, dass nicht wintertaugliche Reifen als Winterreifen verkauft werden? Ist die Wahl für den richtigen Reifen damit einfacher für den Autofahrer?
Saalmann: Das leider nicht, weil das keine geschützten Bezeichnungen sind. M und S und auch die Schneeflocke kann eigentlich jeder draufdrucken. Deswegen gibt es hier nur eine Möglichkeit, indem man sich unsere Tests anguckt, die Tests der Stiftung Warentest und hier den entsprechenden Reifen sich raussucht. Grundsätzlich muss man folgendes sagen: Wenn ich heute auf einen Markenreifen zurückgreife, dann bin ich auf der sicheren Seite. Aber wenn ich natürlich jetzt glaube, sparen zu müssen, und zwar dahin gehend sparen zu müssen, dass ich mir ein Superschnäppchen kaufe, das aus Korea oder China kommt, wie wir es jetzt im Test auch schon mal wieder hatten, da muss man sagen: Finger weg! Das sind Reifen, die taugen nichts! Da steht zwar Winterreifen drauf, die sind aber keine Winterreifen. Die haben einfach zu viele Schwächen. Bei den Tests wird halt ganz genau aufgelistet, wo ist der Reifen gut, was kann er, und wenn er zum Beispiel nicht gut ist auf Schnee, Eis, Nässe, dann wird er rigoros abgewertet.
Mense: Vielen Dank, Otto Saalmann vom ADAC, für das Gespräch und für Ihre Haltung zur beabsichtigten Winterreifenpflicht.
Weitere Informationen zum Thema:
"Winterreifenpflicht absolut notwendig" - Interview mit FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksi, 7.10.2010