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"Winterreifenpflicht absolut notwendig"

In Punkto Verkehrssicherheit sei es wichtig, zu einer Winterreifenpflicht zu kommen, sagt Oliver Luksic von der FDP. Nicht alle Autofahrer würden sich auf winterliche Straßenverhältnisse einstellen. Dadurch käme es immer wieder zu schweren Unfällen.

Oliver Luksic im Gespräch mit Stefan Heinlein | 07.10.2010
    Stefan Heinlein: Von Oktober bis Ostern, so die Faustregel für den Gebrauch von Winterreifen. Doch längst nicht alle Autofahrer beherzigen diesen Ratschlag. Regelmäßig sind viele trotz Schnee und Eis mit Sommerreifen unterwegs. Viele vermeidbare Unfälle sind die Folge. Dennoch gilt in Deutschland bisher keine gesetzliche Winterreifenpflicht, sondern nur recht unscharfe Regelungen. Ein Oberlandesgericht hatte deshalb zuletzt den Gesetzgeber gerügt und Klarstellungen verlangt. Ein Thema für die laufende Konferenz der Verkehrsminister in Weimar.
    Mitgehört hat der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic. Guten Morgen!

    Oliver Luksic: Schönen guten Morgen!

    Heinlein: Warum brauchen wir eine Winterreifenpflicht?

    Luksic: Ja! Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg ist es so, dass die bisherige Regelung, die wir seit 2006 haben, als zu schwammig festgestellt worden ist. Wir haben keine Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, und deswegen müssen wir den Paragrafen der Straßenverkehrsordnung neu fassen, der bisher eine geeignete Bereifung vorsieht, und wir müssen genau festlegen, wie die geeignete Bereifung aussieht.

    Heinlein: Also es brauchte erst ein Gerichtsurteil, damit der Gesetzgeber aktiv wird und diese schwammigen Formulierungen dann hieb- und stichfest macht?

    Luksic: Leider ja. Die jetzige Regelung ist seit 2006 unter Zeit der Großen Koalition und von Herrn Tiefensee unsauber gemacht worden. Wir müssen das jetzt präzisieren, um Rechtssicherheit zu schaffen, aber vor allem geht es hier natürlich um mehr Verkehrssicherheit.

    Heinlein: Reicht es nicht, an die Vernunft der Autofahrer zu glauben, ganz liberal?

    Luksic: Das wird in der Praxis leider nicht immer klappen. Wir müssen, glaube ich, schon genau festlegen, was unter den winterlichen Straßenverhältnissen zu verstehen ist. Wir haben eben festgestellt, dass das mit der Vernunft vielleicht in einem Großteil der Fälle klappt, aber in der kleinen Minderzahl der Fälle, wo es vielleicht nicht der Fall ist, es zu sehr schweren Unfällen kommt, und insofern ist es, glaube ich, notwendig, im Sinne der Verkehrssicherheit hier zu einer Pflicht für Winterreifen zu kommen.

    Heinlein: Aber bisher gibt es ja auch keine Helmpflicht etwa für Radfahrer, obwohl es - da sind wir uns wohl einig - sinnvoll wäre. Muss denn tatsächlich alles gesetzlich geregelt werden?

    Luksic: Muss es natürlich nicht. Gerade als Liberale sind wir wirklich sehr zurückhaltend, wenn es um Pflichten und Verbote geht. Allerdings die Gefahren, die entstehen, wenn Autofahrer im Winter mit Sommerreifen unterwegs sind, sind doch sehr hoch und nicht hinzunehmen, weil ja eben auch Dritte gefährdet werden, und das ist, glaube ich, ein wichtiger Aspekt. Wenn beispielsweise ein LKW einen Unfall hat, werden hier mehrere Dritte beteiligt, und insofern ist die Winterreifenpflicht absolut notwendig.

    Heinlein: Herr Luksic, wie soll denn eine solche Vorschrift aussehen? Muss darin stehen, von Oktober bis April muss jedes Fahrzeug Winterreifen besitzen, Winterreifen haben, sonst drohen Bußgelder?

    Luksic: Es gibt mehrere Punkte, die geklärt werden müssen: Auf der einen Seite was ist der Begriff des Winterreifens - da werden wir bald von europäischer Ebene auch noch mal was bekommen; bis dorthin müssen wir allerdings das definieren: zählen dazu beispielsweise auch Allwetterreifen -, das Zweite ist, was zählt als winterliche Straßenverhältnisse. Dieser Begriff muss rechtlich genau definiert werden. Meiner Meinung nach sollte hier Schnee, Schneematsch, eine geschlossene Schneedecke beispielsweise dazu zählen. Und was die zeitliche Rahmenbedingung angeht, ist die Frage, ob man das genauer definieren muss, weil wir in Deutschland natürlich auch verschiedene Zonen haben, wo der Winter unterschiedlich stark ist. Deswegen winterliche Straßenverhältnisse gilt es, glaube ich, zu definieren. Das ist der bessere Weg.

    Heinlein: Und das muss dann regional noch differenziert werden, denn in Rügen oder Regensburg herrschen ja auch im Winter sehr unterschiedliche Wetterverhältnisse? Manchmal schneit es dort, dort dann nicht und dennoch eine Winterreifenpflicht. Das ist doch sehr, sehr schwer zu fassen für den Gesetzgeber.

    Luksic: Nein, wir brauchen keine Winterreifenpflicht, die regional unterschiedlich ist. Wir müssen einfach ganz klar sagen, was sind winterliche Straßenverhältnisse, und wenn wir das genau definieren, was bisher eben leider nicht der Fall ist aufgrund der schlampigen Arbeit der Vorgängerregierung, ist es auch meiner Meinung nach nicht notwendig, das regional zu differenzieren. Das wäre natürlich sonst ein Schildbürgerstreich.

    Heinlein: Aber dennoch: ich stelle mir das sehr, sehr schwer vor, das gesetzlich ganz klar zu regeln, was ist winterlich und was ist noch herbstlich, denn manchmal gibt es Schnee und Glatteis dort und ein paar Kilometer weiter dann nicht.

    Luksic: Ja. Da wo es dann eben Schnee und Glatteis gibt, da gibt es eben die winterlichen Straßenverhältnisse. Das ist, glaube ich, durch den Untergrund schon auf jeden Fall darzustellen. Im Moment ist es ja überhaupt nicht gefasst. Jede Präzisierung ist ja im Sinne des Urteils und wird dann auch zu einer Klarstellung der Rechtsgrundlage und damit auch am Schluss zu mehr Verkehrssicherheit führen.

    Heinlein: Glauben Sie, dass es diese Regelung, wie Herr Ramsauer es ja will, schon vor dem diesjährigen Wintereinbruch geben wird und dann auch so formuliert wird, dass es eben hieb- und stichfest ist?

    Luksic: Herr Ramsauer hat ja angekündigt, übergangsweise eine konkrete Winterreifenpflicht einzuführen. Ab 2011 haben wir dies so wahrscheinlich über Europa geregelt. Ich glaube, das ist machbar und möglich, das so schnell hinzubekommen. Es ist auf jeden Fall aus Gründen der Verkehrssicherheit wünschenswert, dass wir es auch wirklich bis zu diesem Winter regeln.

    Heinlein: Herr Luksic, weiteres Thema der Verkehrsminister ist ja - wir haben es gehört - der Feldversuch für die Riesenlastwagen, die sogenannten Giga-Liner. Brauchen wir diese Versuche mit diesen Monster-LKW?

    Luksic: Ich glaube, es sind keine Monster-LKW. Da gibt es auch verschiedene Maße und Gewichte, die in der Diskussion sind.

    Heinlein: 25 Meter, heißt es.

    Luksic: Der Feldversuch auf jeden Fall ist absolut sinnvoll, abgesehen davon, dass wir das auch in anderen Ländern haben. Es geht ja letzten Endes darum, dass das Verkehrs- und Güteraufkommen in den nächsten Jahren massiv steigen wird und wir durch die langen LKW mehr Güter in einer Fahrt transportieren und dadurch auch weniger LKW-Fahrten haben. Insofern ist der Feldversuch ja gerade eben wichtig, um bessere und mehr Ergebnisse zu bekommen, wie dort die Auswirkungen sind auf die Verkehrssicherheit und wie die ökologischen Auswirkungen sind und wie die Auswirkungen auf die Infrastruktur sind, und deswegen halte ich es für absolut richtig und für sinnvoll, diesen durchzuführen.

    Heinlein: Hauptargument der Gegner ist das Argument, dass sie sagen, diese mögliche Zulassung dieser 25 Meter-LKW gefährde die gewollte Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene.

    Luksic: Ja. Das ist meiner Meinung nach falsch, weil die Güter, die auf der Schiene transportiert werden, das sind in der Regel - das werden Ihnen alle Experten sagen - schwere Güter, die sie auf sehr langen Strecken, über 500 Kilometer beispielsweise, transportieren. Übrigens geht es hierbei um Punkt zu Punkt-Verkehr, wo teilweise gar keine Schienen da sind. Also insofern: Das ist, glaube ich, eher eine sinnvolle Ergänzung, die langen LKW, die vor allem im Punkt zu Punkt-Verkehr, beispielsweise von einem Werk zu einem Lager oder zu größeren Logistikzentren eingesetzt werden. Es geht ja auch darum, dass die vor allem nicht unbedingt natürlich in die Innenstädte kommen, aber natürlich zwischen dem Salzgitter-Werk beispielsweise und VW, wo pro Tag Hunderte LKW fahren, macht es Sinn, einen solchen einzusetzen, weil er eben auch für weniger Verkehr sorgt, damit natürlich nicht nur umweltpolitisch Sinn macht, sondern auch für die Verkehrssicherheit sinnvoll ist, weil sie einfach dann weniger Verkehr haben.

    Heinlein: Ein kurzes Wort zum Schluss noch, Herr Luksic, an Sie als Verkehrsexperten zu "Stuttgart 21". Welche Chancen geben Sie dem Vermittler Heiner Geißler?

    Luksic: Ich glaube, Herr Geißler hat eine sehr schwierige Aufgabe, weil die Unterschiede doch sehr groß sind. Nichtsdestotrotz ist es gut und richtig, dass er das Thema jetzt angeht. Ob die Positionen zusammenzuführen sind, das wird schwierig, weil wir natürlich hier zwei Extreme haben. Grundsätzlich ist natürlich das Problem, abgesehen von der inhaltlichen Ebene, dass wir hier schon dieses Thema seit 15, 20 Jahren diskutieren in allen Parlamenten, von kommunaler, Landes- und Bundesebene es Hunderte Diskussionen und Beschlüsse gab, Planfeststellungsverfahren abgeschlossen. Also insofern: Da gibt es natürlich auch inhaltlich durchaus Gründe, die gegen "Stuttgart 21" sprechen, aber meiner Meinung nach wäre es auch ein falsches Signal, eine solche Investition nachträglich abzuwickeln. Das hätte auch verheerende Wirkung auf andere größere Investitionen in Deutschland und insofern bin ich auch gespannt, wie das weitere Verfahren hier laufen wird.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der Verkehrsexperte der FDP, Oliver Luksic. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Luksic: Herzlichen Dank! Auf Wiederhören!