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"Die Menschen waren anscheinend zufrieden mit einer rot-grünen Koalition"

Er tritt heute im Europaparlament gegen Alexander Graf Lambsdorff an, um Nachfolger der zurückgetretenen Silvana Koch-Mehrin zu werden - doch Alexander Alvarao plagt auch das desaströse Wahlergebnis der Bremer FDP.

Alexander Alvaro im Gespräch mit Friedbert Meurer | 23.05.2011
    Friedbert Meurer: Bremen hat gewählt. Im kleinsten Bundesland Deutschlands bleibt es dabei, dass die Hansestadt von SPD und Grünen gemeinsam regiert werden wird. Jedenfalls sieht es danach aus. Bisher gibt es schon Rot-Grün in Bremen, beide Parteien haben gestern Abend zulegen können. Und bemerkenswert: Die CDU findet sich nur noch auf Platz drei wieder.
    2,4 Prozent nur für die FDP, dabei wollen wir bleiben, ein sehr mageres Ergebnis. Der Effekt mit Philipp Rösler als neuem Parteivorsitzenden hat also noch nicht gezogen. Zudem war einen Tag vor dem FDP-Parteitag, auf dem Rösler zum Parteichef gewählt wurde, Silvana Koch-Mehrin von allen ihren Führungsämtern zurückgetreten, die bekannteste FDP-Politikerin im Europaparlament. Heute Abend kommt es in der zwölfköpfigen FDP-Fraktion im Europaparlament zu einer Kampfkandidatur über ihre Nachfolge zwischen Alexander Graf Lambsdorff und Alexander Alvaro. Mit Letzterem bin ich jetzt verbunden. Guten Morgen, Herr Alvaro.

    Alexander Alvaro: Schönen guten Morgen, Herr Meurer!

    Meurer: 2,4 Prozent in Bremen, ist der Neuanfang missglückt?

    Alvaro: Nein! Ich denke nicht, dass man das sagen kann. Das Ergebnis ist unumwunden alles andere als das, was wir uns vorgestellt haben. Ich glaube, es wäre jetzt allerdings verfehlt, das schon einer neuen Parteiführung anzulasten. Es zeigt uns allerdings, dass wir durchaus noch Zeit brauchen, die verlorene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, und das muss jetzt eben auch die neue Parteiführung mit aller Kraft angehen.

    Meurer: In Hamburg im Februar war die FDP über fünf Prozent gekommen, da war Guido Westerwelle noch Parteichef. Jetzt in Bremen, warum hat das denn gar keinen Effekt gehabt, dass Philipp Rösler Parteivorsitzender geworden ist? – Hallo, Herr Alvaro, können Sie mich hören?

    Alvaro: Ja! – Ja!

    Meurer: Wieso hat Philipp Rösler überhaupt keinen positiven Effekt gehabt? In Hamburg unter Guido Westerwelle war es noch anders vor drei Monaten.

    Alvaro: Also wir haben ja in Ihrem vorherigen Beitrag gehört, dass es vor allen Dingen regional spezifische Faktoren waren, die die Wahl in Bremen beeinflusst haben. Die Menschen waren anscheinend zufrieden mit einer rot-grünen Koalition, sodass, glaube ich, der bundespolitische Effekt eine untergeordnete Rolle gespielt hat, wie wir es ja auch in dem Beitrag gehört haben. Philipp Rösler und die Führung um Philipp Rösler werden jetzt in den nächsten Wochen das angehen, was in Rostock versprochen wurde, nämlich zu liefern. Das sehen wir in verschiedenen Bereichen und ich bin mir sicher, dass sich das bei den nächsten Wahlen auch niederschlagen wird. Allerdings dürfen wir jetzt auch keine Wunder erwarten, da muss harte Arbeit reingesteckt werden, um Wähler auch wieder davon zu überzeugen, dass sie Kompetenz wählen, wenn sie FDP wählen.

    Meurer: Was wird Philipp Rösler liefern?

    Alvaro: Philipp Rösler hat sicherlich umfangreiche Themen angekündigt. Wir sehen zum Beispiel, dass hier mit dem neuen Gesundheitsminister Daniel Bahr konsequente Schritte im Bereich der Gesundheitspolitik, auch der Gesundheitsreform vorgenommen werden. Ich bin mir sicher, dass Philipp Rösler als Wirtschaftsminister seine langjährige Erfahrung auch als niedersächsischer Wirtschaftsminister einfließen lassen wird, vor allen Dingen wieder eine Politik ...

    Meurer: Da ist die Leitung jetzt zu Alexander Alvaro, dem FDP-Europaabgeordneten zusammengebrochen. Vielleicht gelingt es uns noch einmal, diese Verbindung herzustellen. – Zweiter Anlauf. Lassen Sie uns springen, Herr Alvaro, zur Vorstandswahl heute Abend bei der FDP—Fraktion beziehungsweise den FDP-Abgeordneten im Europaparlament. Sie wollen FDP-Vorsitzender werden als Nachfolger von Silvana Koch-Mehrin. Was glauben Sie machen Sie besser, als ihr Konkurrent Alexander Graf Lambsdorff?

    Alvaro: Ich glaube, dass sich vor allen Dingen in dieser Frage mal ein offener und auch ehrlicher Wettbewerb zeigt. Graf Lambsdorff ist ein hervorragender Außenpolitiker mit idealen Fähigkeiten. Ich glaube, ich habe durchaus meine Talente im Bereich der Innen- und Bürgerrechtspolitik, ein Feld, das ein Kernbereich der FDP ist und der FDP auch wichtig ist. Wir kommen sicherlich auch aus verschiedenen Generationen und werden dementsprechend auch verschieden unsere Konzepte und Ideen haben. Ich persönlich habe vor, dass wir als Delegation mit unserer Kompetenz und auch unserer Schlagkraft, die wir auf zwölf Köpfe verteilen können, sowohl nach Deutschland hineinwirken können als auch in die Bundesregierung, um Europa auch zu einem positiven Faktor in der Politik wieder zu machen. Derzeit ist ja eher die Wahrnehmung in der Bevölkerung, dass Europa ein Hindernis ist. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe zu zeigen, welche Rolle Deutschland in Europa und Europa in der Welt spielen kann.

    Meurer: Wenn Sie Vorsitzender würden, werden Sie präsenter im Plenum sein und in den Ausschüssen als Silvana Koch-Mehrin, die oft geschwänzt hat?

    Alvaro: Ich denke, dass ich bis jetzt durch meine Arbeit schon eine hervorragende Präsenz gezeigt habe. Ich habe über die letzten sieben Jahre konsequent im Europäischen Parlament in den Ausschüssen mitgearbeitet, ich war Berichterstatter für so heikle Projekte wie zum Beispiel das SWIFT-Abkommen, oder auch andere Bereiche wie die Datenschutzrichtlinien der elektronischen Kommunikation. Ich sehe, dass ich meine Arbeit in der Konsequenz auch weiter fortführen möchte.

    Meurer: Wie werden Sie mit dem Fall Silvana Koch-Mehrin umgehen, sollten Sie Vorsitzender werden? Von ihren Führungsämtern tritt sie zurück wegen der Plagiatsaffäre. Aber kann sie Europaabgeordnete bleiben?

    Alvaro: Also zum einen hat die Universität Heidelberg ihre Prüfung noch nicht abgeschlossen und ich glaube, dass das auch die entscheidende Instanz ist. Den Rücktritt von ihrem Mandat zu fordern, das halte ich gelinde gesagt für eine übertriebene Forderung. Aber wie gesagt, das ist auch nichts, was wir heute zu entscheiden hätten; da müssen wir abwarten, was die Universität Heidelberg letzten Endes vorlegen wird.

    Meurer: Alexander Alvaro, FDP-Europaabgeordneter. Danke schön und auf Wiederhören.

    Alvaro: Danke Ihnen, Herr Meurer.

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