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Die möglichen Auswirkungen der Fischler-Vorschläge

    Capellan: Herr Kreissl-Dörfler, der Streit über die Fischler-Vorschläge scheint ja programmiert. Was halten Sie von diesen Reformideen?

    Kreissl-Dörfler: Ich bin sehr froh, dass Franz Fischler diese Reformideen endlich vorgelegt hat. Man muss sagen, er hat sich in den letzten Jahren in diese Richtung auch sehr positiv entwickelt. Natürlich wird an einzelnen Punkten noch diskutiert werden. Das zeigen ja schon die Reaktionen der einzelnen Mitgliedstaaten oder auch der Kandidatenländer. Aber grundsätzlich ist es ein Schritt in die richtige Richtung.

    Capellan: Es geht ja auch um den Abbau von Subventionen, etwa mit Blick auf Frankreich und Spanien, die größten Subventionsempfänger im landwirtschaftlichen Bereich. Sie diskutieren mit ihren Kollegen. Glauben Sie, dass ein solcher Abbau in diesen Ländern durchsetzbar ist?

    Kreissl-Dörfler: Dieser Abbau wird natürlich nicht so schnell durchsetzbar sein, weil große Widerstände in Frankreich und Spanien da sein werden. Es ist ja auch so, dass in der Midtime Review jetzt die Staaten dem ja noch nicht zustimmen müssen, aber ab 2006 wird an dieser Politik kein Weg mehr vorbeiführen.

    Capellan: Dann haben wir auch überall den Kampf in der Europäischen Union um die eigenen Interessen. Ostdeutsche Großbetriebe etwa würden schwere Einbußen hinnehmen müssen, wenn das alles so in Kraft tritt, was Fischler da plant. Wird Deutschland überhaupt mitziehen können?

    Kreissl-Dörfler: Ich denke schon, denn es ist ja nicht so, dass das Geld auf einem Schlag weg ist. Es wird ja ein Großteil des Geldes, das dann eingespart wird, wieder in die Entwicklung des ländlichen Raumes, gerade in diesen Gegenden zurückgegeben. Und für die Betriebe, gerade in Ostdeutschland, ist es wichtig, dass sie eine Planungssicherheit haben. Es ist ja nicht so, dass das Ganze morgen in Kraft tritt, aber eines ist auch klar, dass im Jahr 2010 oder im Jahr 2013 die Finanzierung sowieso grundlegend anders aussehen wird. Und wer sich jetzt hier auf lange Sicht gegen diese Reformen wehrt, der wird sich selbst ins Abseits stellen und letztendlich dann weniger Geld haben wie jetzt.

    Capellan: Aber klar ist doch sicherlich, dass die ostdeutschen Großbetriebe weniger Geld aus Brüssel bekommen werden. Können sie das verkraften?

    Kreissl-Dörfler: Das werden sie verkraften können müssen, denn sie sind ja auch wesentlich marktsfähiger als beispielsweise ein Milchbetrieb im Allgäu, der mit drei, vier Arbeitskräften 80 bis 90 Kühe versorgt und permanent vor Ort ist. Wenn ich einen reinen Hackfruchtbetrieb habe, einen reinen Bullenmastbetrieb, dann stehe ich natürlich ganz anders da. Notwendig ist allerdings auch, dass man die Betriebe nicht von einem Schlag auf den anderen ohne das Geld da stehen lässt, denn sie haben ja Investitionen getätigt, und sie brauchen für die nächsten Jahre eine Investitionssicherheit.

    Capellan: Das heißt Deutschland müsste darauf drängen, dass da mit Blick auf die Fischler-Pläne nochmals nachverhandelt wird?

    Kreissl-Dörfler: Da werden entsprechende Übergangsfristen selbstverständlich da sein. Und dann ist es ja auch so - und das ist das Neue an Fischlers Vorschlag -, dass auch die Beihilfe sich auch an den Arbeitskräften mit orientiert. Wenn einer mit weniger Arbeitskräften sehr viel Fläche bewirtschaftet, der würde pro Arbeitskraft sagen wir mal zwischen 50.000 und 80.000 Euro Bezuschussung bekommen, während ein anderer Betrieb, der mit hohem Arbeitskräfteeinsatz arbeiten muss, vielleicht zwischen 10.000 und 20.000 Euro liegt, und das ist eine Diskrepanz, die so auch nicht hinnehmbar ist.

    Capellan: Fazit: Sie fürchten nicht mit der Gefährdung von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft in Deutschland speziell?

    Kreissl-Dörfler: Auf lange Sicht auf alle Fälle nicht. Denn die Umstrukturierung in der Landwirtschaft kommt doch aufgrund der Welthandelsorganisation. Und wenn wir jetzt nicht langsam umschalten und sagen, wie die Perspektiven in fünf, zehn oder fünfzehn Jahren sind, dann wird es erst recht zum Crash kommen.

    Capellan: Ist das dann wirklich der Beginn einer EU-Agrarwende? Man muss sich ja immer wieder vor Augen halten: Zwei Drittel des Haushaltes werden für die Landwirtschaft aufgebracht. Das beinhaltet enorme Subventionen, die natürlich auch den Bauern in den Dritte-Welt-Staaten schaden. Sie können ihre Produkte nicht gewinnbringend verkaufen. Das wurde zum Beispiel auf dem G8-Gipfel in Kanada neulich beklagt. Ist das nun ein neuer Schritt, eine neue Politik?

    Kreissl-Dörfler: Das ist ein sehr wichtiger Schritt und eine neue Politik. Das sind Forderungen, die schon seit vielen Jahren erhoben werden, die jetzt in die Realität umgesetzt werden sollen. Was allerdings die Bauern in den Ländern der Dritten Welt anbelangt, wenn die großen Sojaproduzenten in Brasilien mehr an Soja auf unserem Markt verkaufen, hat das für die Kleinbauern in Brasilien eher eine negative Wirkung, denn sie werden im Moment von ihrem Land vertrieben, damit die Großfarmen zwischen 10.000 und 100.000 Hektar mehr anbauen können.

    Capellan: Was kann Europa dagegen tun?

    Kreissl-Dörfler: Indem wir klarstellen, dass es notwendig ist, die Produktion auch an sozialen und ökologischen Kriterien zu knüpfen. Landwirtschaft ist kein Produktionszweig wie die Produktion von Gummistiefeln oder Badewannen, weil der Landwirt seinen Standort nicht verändern kann. Er kann sein Stück Land nicht nehmen und dorthin gehen, wo die Löhne am niedrigsten sind, wo es keine sozialen Bedingungen gibt, wo die Sonne am meisten scheint und auch der Regen noch passt. Genau das kann er nicht.

    Capellan: Es geht bei diesen Fischler-Plänen natürlich auch um die EU-Erweiterung. Es geht um Subventionen für osteuropäische Beitrittsstaaten. Günther Verheugen, der Erweiterungskommissar, will 25 Prozent dessen, was die alten Mitgliedsstaaten erhalten, diesen Beitrittskandidaten zubilligen. Bundeskanzler Schröder hat gesagt, das sei zu viel. Das hat für Verstimmung im Deutsch-Polnischen Verhältnis gesorgt. Was glauben Sie, wie kommt man aus diesem Dilemma raus?

    Kreissl-Dörfler: Ich glaube, man wird genau mit diesen 25 Prozent rauskommen. Es sind ja auch die Stufen für die nächsten Jahre genau eingeplant. Ab dem Jahr 2013 sollen die Betriebe 100 Prozent bekommen, wobei man noch nicht weiß, was 100 Prozent im Jahr 2013 sind. Wie viel Geld ist es überhaupt noch? Ich halte diese Finanzierung für durchaus vertretbar. Das sorgt zwar dort für Ärger, aber eine höhere Finanzierung würde die Landwirtschaft wesentlich besser stellen als andere Betriebszweige innerhalb von Polen beispielsweise.

    Capellan: Wenn Gerhard Schröder auch diese Zahl noch kritisiert, dann sind es starke Worte mit Blick auf die Bundestagswahl?

    Kreissl-Dörfler: Das mag vielleicht eine Rolle spielen, aber es ist schon klar, dass gerade die Bundesrepublik Deutschland daran interessiert sein muss, dass die Agrarpolitik vom Kopf auf die Füße gestellt wird.

    Capellan: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio