Christoph Heinemann: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat die rechtsextreme Organisation "Heimattreue Deutsche Jugend" verboten.
Am Telefon ist Professor Klaus Schröder, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin und Autor des Buches "Rechtsextremismus und Jugendgewalt in Deutschland". Guten Tag!
Klaus Schröder: Schönen guten Tag, Herr Heinemann.
Heinemann: Herr Professor Schröder, sollte man Organisationen wie diese sich selbst so bezeichnende "Heimattreue Deutsche Jugend" verbieten?
Schröder: Ja. Wenn es sich belegen lässt, dass sie verfassungsfeindlich sind, dass sie aggressiv kämpferisch gegen die Verfassungsordnung eingestellt sind, und vor allen Dingen, wenn sie Kinder indoktrinieren, rassistisch, antisemitisch, dann sollte man dies tun, ohne aber die Illusion zu haben, dass da schon viel gewonnen wäre.
Heinemann: Und wie gewinnt man mehr?
Schröder: Indem man offensiv mit den Thesen dieses Milieus umgeht, indem man frühzeitig aufklärt, Kinder, Jugendliche kritisch erzieht, dass sie nicht anfällig werden für so etwas. Wir erleben ja im Moment, dass viele gleichgültig sind gegenüber unserer zivilen Gesellschaft, gegenüber der Demokratie. Das ist der Nährboden, wo Rechtsextreme anpacken können, und hier muss entgegnet werden, aber wie gesagt nicht nur durch Verbote, so sinnvoll sie im Einzelfall sein mögen, sondern indem insgesamt darüber diskutiert wird, was zeichnet eine zivile Gesellschaft aus und wie soll sich der Einzelne verhalten.
Heinemann: Wie kann die Gesellschaft das konkret tun, wenn die Elternhäuser nicht gegen solches Gedankengut immunisieren?
Schröder: Das ist die Aufgabe dann der Schulen, schon der Kindergärten, der Schulen, der Medien. Man kann die Eltern ja nicht ausschalten. Man kann ja keine Zwangseinweisung in Heime vornehmen, wenn man Verdachtsmomente gegen Eltern hat. Also muss man ein Gegengewicht gegen diese Eltern bilden. Aber nun ist das ja kein Massenphänomen; wir sollten auch nicht übertreiben. Es sind Minderheiten, ein paar hundert Leute jetzt in diesem Fall. Die müssen isoliert werden auf allen Ebenen. Aber man sollte nicht so tun, als ob die Gesellschaft insgesamt in Gefahr ist.
Heinemann: Sind die Schulen damit nicht hoffnungslos überlastet, denn die Lehrer müssen schließlich ihre Lehrpläne durchziehen?
Schröder: Nein. Die Lehrer müssen nicht nur die Lehrpläne durchziehen, was sie im Übrigen ja in vielen Fällen gar nicht machen, sondern sie haben auch die Aufgabe zu erziehen. Sie sind Pädagogen oder sollten Pädagogen sein, und diese Aufgabe des Lehrers ist in den letzten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten immer mehr in den Hintergrund gerückt. Er soll nur noch jetzt Kenntnisse vermitteln. Das ist aber zu wenig. Wir brauchen den Lehrer als Pädagogen, und hierzu gehört selbstverständlich auch die Erziehung zum kritischen Demokraten.
Heinemann: Können vor lachen bei G8, also bei der Verkürzung der Schulzeit.
Schröder: Ich halte das für falsch, die Schulzeit zu verkürzen.
Heinemann: Herr Professor Schröder, wie weit orientieren sich Organisationen wie diese "Heimattreue Deutsche Jugend" offen am Nationalsozialismus?
Schröder: Nein, offen nicht. Das läuft verdeckter ab. Da werden einzelne Personen, einzelne Ereignisse herausgegriffen, das wird dann heroisiert. Sie versuchen, das ja zu übertünchen, diesen Bezug zum Neonazismus und die Verherrlichung des Nationalsozialismus, aber in dem Falle, wenn die Angaben von Herrn Schäuble stimmen, scheint es ja möglich zu sein, sie zu überführen. Der Verein oder die Gruppierung kann ja dagegen klagen beim Bundesverwaltungsgericht. Insofern wird es wohl hieb- und stichfest sein, wie ja die verschiedenen Verbote in den letzten Jahren oder Jahrzehnten gezeigt haben. Wir haben auf Landesebene Verbote, auf Bundesebene, und die sind bisher alle sozusagen rechtlich einwandfrei gewesen.
Heinemann: Welche Jugendlichen sind empfänglich für solche Botschaften?
Schröder: Es sind Jugendliche schlichter Natur, also aus bildungsfernen Familien. Es sind aber auch Jugendliche, die eher Außenseiter sind, die die Gemeinschaft suchen, die endlich Anerkennung haben wollen. Also es gibt schon ein Potenzial, und deshalb ist es auch so gefährlich, wenn diese Jugendlichen dann in Ferienlager zusammengefasst werden, wenn ihnen Erlebnisse vermittelt werden und diese positiven Erlebnisse des Gemeinschaftlichen dann eben sozusagen garniert werden mit rassistischen und antisemitischen Sprüchen und Einflüsterungen.
Heinemann: Welcher Zusammenhang besteht zwischen Rechtsextremismus und Jugendgewalt in Deutschland, um den Titel Ihres Buches anzuführen?
Schröder: Der Zusammenhang ist sehr gering ausgeprägt. Anders als viele Rechtsextremismus-Forscher glauben, gibt es gar nicht sozusagen das Kennzeichen von Gewalt bei rechtsextrem eingestellten Jugendlichen. Die Jugendgewalt ist viel verbreiteter. Es gibt Rechtsextreme, die gewaltbereit sind, aber viele Rechtsextreme sind nicht gewaltbereit, sie predigen nur Gewalt. Jugendgewalt ist ein Phänomen für sich, was nicht reduziert werden darf auf Rechtsextremismus, wie umgekehrt der Rechtsextremismus viel mehr ist als nur eine Gewaltbereitschaft. Es sind Einstellungen, die dann etwas begünstigen.
Heinemann: Wie fällt der Ost-West-Vergleich aus?
Schröder: Immer noch dramatisch. Wir haben, sowohl bezogen auf den Rechtsextremismus als auch auf Jugendgewalt, einen höheren, einen wesentlich höheren Anteil im Osten. Das heißt, hier greifen die Mechanismen einer zivilen Gesellschaft weniger als im Westen. Aber es ist eben, wie gesagt, nicht nur ein ostdeutsches Phänomen, sondern es ist ein bundesdeutsches Phänomen mit stärkerer Ausprägung in den neuen Ländern.
Heinemann: Die NPD zerlegt sich gegenwärtig selbst. Der Partei steht finanziell das Wasser bis zum Hals und die Braunen sind einander nicht grün. Gibt es ähnliche Phänomene bei den Jugendorganisationen?
Schröder: Ja. Hier gibt es auch Konkurrenz, aber es gibt auch Vernetzungen. Wir erleben ja in den letzten Jahren so eine Herausbildung der so genannten autonomen Nationalsozialisten oder Neonazis. Die orientieren sich an den Linksautonomen, sowohl vom Äußeren als auch von den Gewaltformen und Aktionsformen her. Hier entsteht eine Subkultur, die sich auch in Gruppen, in Kameradschaften organisiert, die aber auch so lose verknüpft ist und vorhanden ist. Das sind schon einige Tausend, die ernst zu nehmen sind und die beobachtet werden müssen.
Heinemann: In den "Informationen am Mittag" sprachen wir im Deutschlandfunk mit dem Berliner Politikwissenschaftler Professor Klaus Schröder. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Klaus Schröder: Ja, bitte schön.
Am Telefon ist Professor Klaus Schröder, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin und Autor des Buches "Rechtsextremismus und Jugendgewalt in Deutschland". Guten Tag!
Klaus Schröder: Schönen guten Tag, Herr Heinemann.
Heinemann: Herr Professor Schröder, sollte man Organisationen wie diese sich selbst so bezeichnende "Heimattreue Deutsche Jugend" verbieten?
Schröder: Ja. Wenn es sich belegen lässt, dass sie verfassungsfeindlich sind, dass sie aggressiv kämpferisch gegen die Verfassungsordnung eingestellt sind, und vor allen Dingen, wenn sie Kinder indoktrinieren, rassistisch, antisemitisch, dann sollte man dies tun, ohne aber die Illusion zu haben, dass da schon viel gewonnen wäre.
Heinemann: Und wie gewinnt man mehr?
Schröder: Indem man offensiv mit den Thesen dieses Milieus umgeht, indem man frühzeitig aufklärt, Kinder, Jugendliche kritisch erzieht, dass sie nicht anfällig werden für so etwas. Wir erleben ja im Moment, dass viele gleichgültig sind gegenüber unserer zivilen Gesellschaft, gegenüber der Demokratie. Das ist der Nährboden, wo Rechtsextreme anpacken können, und hier muss entgegnet werden, aber wie gesagt nicht nur durch Verbote, so sinnvoll sie im Einzelfall sein mögen, sondern indem insgesamt darüber diskutiert wird, was zeichnet eine zivile Gesellschaft aus und wie soll sich der Einzelne verhalten.
Heinemann: Wie kann die Gesellschaft das konkret tun, wenn die Elternhäuser nicht gegen solches Gedankengut immunisieren?
Schröder: Das ist die Aufgabe dann der Schulen, schon der Kindergärten, der Schulen, der Medien. Man kann die Eltern ja nicht ausschalten. Man kann ja keine Zwangseinweisung in Heime vornehmen, wenn man Verdachtsmomente gegen Eltern hat. Also muss man ein Gegengewicht gegen diese Eltern bilden. Aber nun ist das ja kein Massenphänomen; wir sollten auch nicht übertreiben. Es sind Minderheiten, ein paar hundert Leute jetzt in diesem Fall. Die müssen isoliert werden auf allen Ebenen. Aber man sollte nicht so tun, als ob die Gesellschaft insgesamt in Gefahr ist.
Heinemann: Sind die Schulen damit nicht hoffnungslos überlastet, denn die Lehrer müssen schließlich ihre Lehrpläne durchziehen?
Schröder: Nein. Die Lehrer müssen nicht nur die Lehrpläne durchziehen, was sie im Übrigen ja in vielen Fällen gar nicht machen, sondern sie haben auch die Aufgabe zu erziehen. Sie sind Pädagogen oder sollten Pädagogen sein, und diese Aufgabe des Lehrers ist in den letzten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten immer mehr in den Hintergrund gerückt. Er soll nur noch jetzt Kenntnisse vermitteln. Das ist aber zu wenig. Wir brauchen den Lehrer als Pädagogen, und hierzu gehört selbstverständlich auch die Erziehung zum kritischen Demokraten.
Heinemann: Können vor lachen bei G8, also bei der Verkürzung der Schulzeit.
Schröder: Ich halte das für falsch, die Schulzeit zu verkürzen.
Heinemann: Herr Professor Schröder, wie weit orientieren sich Organisationen wie diese "Heimattreue Deutsche Jugend" offen am Nationalsozialismus?
Schröder: Nein, offen nicht. Das läuft verdeckter ab. Da werden einzelne Personen, einzelne Ereignisse herausgegriffen, das wird dann heroisiert. Sie versuchen, das ja zu übertünchen, diesen Bezug zum Neonazismus und die Verherrlichung des Nationalsozialismus, aber in dem Falle, wenn die Angaben von Herrn Schäuble stimmen, scheint es ja möglich zu sein, sie zu überführen. Der Verein oder die Gruppierung kann ja dagegen klagen beim Bundesverwaltungsgericht. Insofern wird es wohl hieb- und stichfest sein, wie ja die verschiedenen Verbote in den letzten Jahren oder Jahrzehnten gezeigt haben. Wir haben auf Landesebene Verbote, auf Bundesebene, und die sind bisher alle sozusagen rechtlich einwandfrei gewesen.
Heinemann: Welche Jugendlichen sind empfänglich für solche Botschaften?
Schröder: Es sind Jugendliche schlichter Natur, also aus bildungsfernen Familien. Es sind aber auch Jugendliche, die eher Außenseiter sind, die die Gemeinschaft suchen, die endlich Anerkennung haben wollen. Also es gibt schon ein Potenzial, und deshalb ist es auch so gefährlich, wenn diese Jugendlichen dann in Ferienlager zusammengefasst werden, wenn ihnen Erlebnisse vermittelt werden und diese positiven Erlebnisse des Gemeinschaftlichen dann eben sozusagen garniert werden mit rassistischen und antisemitischen Sprüchen und Einflüsterungen.
Heinemann: Welcher Zusammenhang besteht zwischen Rechtsextremismus und Jugendgewalt in Deutschland, um den Titel Ihres Buches anzuführen?
Schröder: Der Zusammenhang ist sehr gering ausgeprägt. Anders als viele Rechtsextremismus-Forscher glauben, gibt es gar nicht sozusagen das Kennzeichen von Gewalt bei rechtsextrem eingestellten Jugendlichen. Die Jugendgewalt ist viel verbreiteter. Es gibt Rechtsextreme, die gewaltbereit sind, aber viele Rechtsextreme sind nicht gewaltbereit, sie predigen nur Gewalt. Jugendgewalt ist ein Phänomen für sich, was nicht reduziert werden darf auf Rechtsextremismus, wie umgekehrt der Rechtsextremismus viel mehr ist als nur eine Gewaltbereitschaft. Es sind Einstellungen, die dann etwas begünstigen.
Heinemann: Wie fällt der Ost-West-Vergleich aus?
Schröder: Immer noch dramatisch. Wir haben, sowohl bezogen auf den Rechtsextremismus als auch auf Jugendgewalt, einen höheren, einen wesentlich höheren Anteil im Osten. Das heißt, hier greifen die Mechanismen einer zivilen Gesellschaft weniger als im Westen. Aber es ist eben, wie gesagt, nicht nur ein ostdeutsches Phänomen, sondern es ist ein bundesdeutsches Phänomen mit stärkerer Ausprägung in den neuen Ländern.
Heinemann: Die NPD zerlegt sich gegenwärtig selbst. Der Partei steht finanziell das Wasser bis zum Hals und die Braunen sind einander nicht grün. Gibt es ähnliche Phänomene bei den Jugendorganisationen?
Schröder: Ja. Hier gibt es auch Konkurrenz, aber es gibt auch Vernetzungen. Wir erleben ja in den letzten Jahren so eine Herausbildung der so genannten autonomen Nationalsozialisten oder Neonazis. Die orientieren sich an den Linksautonomen, sowohl vom Äußeren als auch von den Gewaltformen und Aktionsformen her. Hier entsteht eine Subkultur, die sich auch in Gruppen, in Kameradschaften organisiert, die aber auch so lose verknüpft ist und vorhanden ist. Das sind schon einige Tausend, die ernst zu nehmen sind und die beobachtet werden müssen.
Heinemann: In den "Informationen am Mittag" sprachen wir im Deutschlandfunk mit dem Berliner Politikwissenschaftler Professor Klaus Schröder. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Klaus Schröder: Ja, bitte schön.