Kielmannseck: Guten Morgen.
Koczian: Die Augenblicksaufnahme zeigt einen Abnutzungskrieg. Die Frage lautet: Wer hält es länger durch: Milosevic – die Zerstörung seiner Infrastruktur oder innenpolitisch die NATO-Staaten – die andauernden Luftangriffe? Keine Zeit haben die Kosovaren. Das Amselfeld ist - um den Begriff aus dem Wörterbuch des Unmenschen zu benutzen - bereits weitgehend ethnisch gesäubert. Genau das wollte der Atlantikpakt verhindern, kann das nicht kalkuliert in Kauf genommen haben und damit ist die NATO-Strategie wohl vorerst gescheitert.
Kielmannseck: Ja, ich denke: Man muß mindestens sagen, daß sie bisher keinen Erfolg gehabt hat; ein zukünftiger Erfolg mit den Strategien mit Luftinterventionen allein ist auch sehr fraglich und unsicher. Die NATO ist in ein Vabanquespiel gegen Milosevic eingetreten, der ein sehr viel besserer Vabanquespieler ist, indem sie ihn von Anfang an vor ein – von ihm kalkulierbares – Risiko gestellt hat und sich selber sozusagen die anderen strategischen Optionen, zum Beispiel den Einsatz von Landstreitkräften, verboten hat.
Koczian: Sie nennen die Landstreitkräfte. ‚Der Krieg wird am Boden entschieden‘ sagen die strategischen Lehrbücher zumindest. Für Länder mit Berufsarmeen läßt sich ein solcher Einsatz wohl bewerkstelligen, für Deutschland bleibt er wohl ausgeschlossen. Entsteht dadurch eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Bündnis?
Kielmannseck: Das denke ich nicht, denn die unterschiedlichen Möglichkeiten im Bündnis sind bekannt. Aber ich denke: Von vornherein ausschließen darf man die Beteiligung am Einsatz von Landstreitkräften - die in der Tat das alleinige Mittel zu sein scheinen, dieses Morden zu stoppen - nicht, auch für Deutschland nicht, denn wir haben die Mittel. Und es ist in der Tat – Sie haben das vorhin angemerkt – offensichtlich nur eine Frage der Perfektion der Vorstellungskraft der Politiker, ob sie das politisch – innenpolitisch – durchsetzen können. Die Mittel sind dafür vorhanden.
Koczian: Aber tabuisieren darf man das Thema dann nicht, denn wenn es tabuisiert ist, wird viel zu spät und viel zu schwach entschieden, und das kommt dann noch teurer.
Kielmannseck: Das ist völlig richtig. Das heißt dann im Grunde, daß wir uns überlegen müssen was passiert, wenn der derzeitige Einsatz scheitert. Und ob das dann nicht in der Tat Kapitulation gegenüber einem Gewaltherrscher bedeutet mit der entsprechenden Botschaft, die das für die ganze Welt heißt: Mit dem Verlust der Glaubwürdigkeit der NATO – aber auch unserer selbst, also Deutschland in diesem Falle, mit der Einsicht, daß das Recht gegen das Verbrechen verliert, und daß Milosevic dann sein Ziel – die ethnische Vertreibung und Ermordung der Kosovaren – erreichen wird.
Koczian: Man darf ja nicht nur den Kosovo sehen. Militärs sehen ja Gelände, nicht Grenzen. Und in Makedonien und Albanien stehen ja bereits Tausende von Briten und Franzosen. Ist nicht Bodenpräsens eigentlich bereits da?
Kielmannseck: Bodenpräsens ist da, auch Deutsche sind dort. Aber die sind für diesen militärischen Auftrag - nämlich das Freikämpfen und das anschließende Verteidigen der Kosovaren bzw. das Sichern der Rückkehr der Flüchtlinge gegen die serbische Armee - nicht ausgerüstet. Wir brauchen dazu schwere Waffen, das dauert seine Zeit, weil wir eben nicht darauf vorbereitet waren, und wir brauchen andere Planungen als die, die bis jetzt bestehen.
Koczian: Wenn nun die Apache- und die A 10-Helikopter eingesetzt werden – und das scheint ja demnächst der Fall zu sein –, ist es dann wirklich immer noch nur noch Luftkrieg, oder ist es schon ein ‚Mittelding‘ sozusagen zwischen Luft- und Bodenkrieg?
Kielmannseck: Wir kommen in der Tat mit dem Einsatz von Heeresfliegern, wozu Apache-Hubschrauber gehören, oder auch sogar mit Raketen-Artillerie, in die Grauzone zwischen Landkrieg und Luftkrieg. Aber es wäre sozusagen eine Grauzone, die in keiner Weise ausreichen würde, um zu erreichen, was der Westen erreichen muß: Eine Beendigung dieser Verbrechen.
Koczian: Nun haben wir gesehen, daß selbst der bestgeplante Militäreinsatz noch vom Wetter abhängig ist. Wie sicher ist Militärplanung? Ganz kurz bitte.
Kielmannseck: Militärplanung hängt von dem politischen Auftrag und von den Mitteln ab, die zur Verfügung stehen. Es gibt immer einen Unsicherheitsfaktor, aber man kann solche Sachen so planen – wir haben die Mittel dazu –, daß sie erfolgreich sind, wenn denn der politische Wille dafür da ist.
Koczian: Im Deutschlandfunk war das Graf Kielmannseck, der frühere NATO-General. Danke schön nach München.
Kielmannseck: Auf Wiedersehen.
Koczian: Die Augenblicksaufnahme zeigt einen Abnutzungskrieg. Die Frage lautet: Wer hält es länger durch: Milosevic – die Zerstörung seiner Infrastruktur oder innenpolitisch die NATO-Staaten – die andauernden Luftangriffe? Keine Zeit haben die Kosovaren. Das Amselfeld ist - um den Begriff aus dem Wörterbuch des Unmenschen zu benutzen - bereits weitgehend ethnisch gesäubert. Genau das wollte der Atlantikpakt verhindern, kann das nicht kalkuliert in Kauf genommen haben und damit ist die NATO-Strategie wohl vorerst gescheitert.
Kielmannseck: Ja, ich denke: Man muß mindestens sagen, daß sie bisher keinen Erfolg gehabt hat; ein zukünftiger Erfolg mit den Strategien mit Luftinterventionen allein ist auch sehr fraglich und unsicher. Die NATO ist in ein Vabanquespiel gegen Milosevic eingetreten, der ein sehr viel besserer Vabanquespieler ist, indem sie ihn von Anfang an vor ein – von ihm kalkulierbares – Risiko gestellt hat und sich selber sozusagen die anderen strategischen Optionen, zum Beispiel den Einsatz von Landstreitkräften, verboten hat.
Koczian: Sie nennen die Landstreitkräfte. ‚Der Krieg wird am Boden entschieden‘ sagen die strategischen Lehrbücher zumindest. Für Länder mit Berufsarmeen läßt sich ein solcher Einsatz wohl bewerkstelligen, für Deutschland bleibt er wohl ausgeschlossen. Entsteht dadurch eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Bündnis?
Kielmannseck: Das denke ich nicht, denn die unterschiedlichen Möglichkeiten im Bündnis sind bekannt. Aber ich denke: Von vornherein ausschließen darf man die Beteiligung am Einsatz von Landstreitkräften - die in der Tat das alleinige Mittel zu sein scheinen, dieses Morden zu stoppen - nicht, auch für Deutschland nicht, denn wir haben die Mittel. Und es ist in der Tat – Sie haben das vorhin angemerkt – offensichtlich nur eine Frage der Perfektion der Vorstellungskraft der Politiker, ob sie das politisch – innenpolitisch – durchsetzen können. Die Mittel sind dafür vorhanden.
Koczian: Aber tabuisieren darf man das Thema dann nicht, denn wenn es tabuisiert ist, wird viel zu spät und viel zu schwach entschieden, und das kommt dann noch teurer.
Kielmannseck: Das ist völlig richtig. Das heißt dann im Grunde, daß wir uns überlegen müssen was passiert, wenn der derzeitige Einsatz scheitert. Und ob das dann nicht in der Tat Kapitulation gegenüber einem Gewaltherrscher bedeutet mit der entsprechenden Botschaft, die das für die ganze Welt heißt: Mit dem Verlust der Glaubwürdigkeit der NATO – aber auch unserer selbst, also Deutschland in diesem Falle, mit der Einsicht, daß das Recht gegen das Verbrechen verliert, und daß Milosevic dann sein Ziel – die ethnische Vertreibung und Ermordung der Kosovaren – erreichen wird.
Koczian: Man darf ja nicht nur den Kosovo sehen. Militärs sehen ja Gelände, nicht Grenzen. Und in Makedonien und Albanien stehen ja bereits Tausende von Briten und Franzosen. Ist nicht Bodenpräsens eigentlich bereits da?
Kielmannseck: Bodenpräsens ist da, auch Deutsche sind dort. Aber die sind für diesen militärischen Auftrag - nämlich das Freikämpfen und das anschließende Verteidigen der Kosovaren bzw. das Sichern der Rückkehr der Flüchtlinge gegen die serbische Armee - nicht ausgerüstet. Wir brauchen dazu schwere Waffen, das dauert seine Zeit, weil wir eben nicht darauf vorbereitet waren, und wir brauchen andere Planungen als die, die bis jetzt bestehen.
Koczian: Wenn nun die Apache- und die A 10-Helikopter eingesetzt werden – und das scheint ja demnächst der Fall zu sein –, ist es dann wirklich immer noch nur noch Luftkrieg, oder ist es schon ein ‚Mittelding‘ sozusagen zwischen Luft- und Bodenkrieg?
Kielmannseck: Wir kommen in der Tat mit dem Einsatz von Heeresfliegern, wozu Apache-Hubschrauber gehören, oder auch sogar mit Raketen-Artillerie, in die Grauzone zwischen Landkrieg und Luftkrieg. Aber es wäre sozusagen eine Grauzone, die in keiner Weise ausreichen würde, um zu erreichen, was der Westen erreichen muß: Eine Beendigung dieser Verbrechen.
Koczian: Nun haben wir gesehen, daß selbst der bestgeplante Militäreinsatz noch vom Wetter abhängig ist. Wie sicher ist Militärplanung? Ganz kurz bitte.
Kielmannseck: Militärplanung hängt von dem politischen Auftrag und von den Mitteln ab, die zur Verfügung stehen. Es gibt immer einen Unsicherheitsfaktor, aber man kann solche Sachen so planen – wir haben die Mittel dazu –, daß sie erfolgreich sind, wenn denn der politische Wille dafür da ist.
Koczian: Im Deutschlandfunk war das Graf Kielmannseck, der frühere NATO-General. Danke schön nach München.
Kielmannseck: Auf Wiedersehen.