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Die neuen Bundeswehrpläne des Verteidigungsministeriums

    Wagener: Am Telefon begrüße ich nun Thomas Kossendey von der CDU. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsverteidigungsausschusses. Schönen guten Morgen Herr Kossendey!

    Kossendey: Guten Morgen.

    Wagener: Herr Kossendey, das waren eine ganze Menge Fakten. Das wirkt auf mich so ein bisschen, als sei das ein Kompromiss: Reduzierung ja, aber weniger als ursprünglich vorgeschlagen, Wehrpflicht ja, aber nur noch als ein Element unter anderen. Sind Sie zufrieden?

    Kossendey: Zunächst einmal waren es eine ganze Menge Pläne, und in den letzten zwei Wochen haben wir jetzt den vierten Plan auf dem Tisch liegen, der mit dem Namen Scharping verbunden ist. Das fing an mit dem Plan aus der SPD-Fraktion, der noch 280.000 Soldaten vorsah, ging weiter über das Eckwertepapier des Generalinspekteurs, der ja Scharping seine Vorlage mit 290.000 Soldaten gegeben hat, ging weiter über Richard von Weizsäcker, der bei 240.000 Soldaten landete und Scharping sein Papier übergeben hat, und nun haben wir ein Scharping-Papier, das sich als viertes in diese Reihe eingliedert. Darin ist viel Interessantes, manches richtige. Vieles würde ich auch sagen ist alter Wein in neuen Schläuchen.

    Wagener: Was zum Beispiel?

    Kossendey: Wir hatten natürlich immer schon 20.000 Stellen von Soldaten, die nicht besetzt waren, weil sie in Weiterbildung waren, weil sie auf Lehrgängen waren. Wir hatten Frauen, die in Schwangerschaftsurlaub waren. All das kann man nicht als Strukturelement bezeichnen, wenn man davon ein neues Kapitel macht und dafür eine neue Überschrift findet.

    Ich glaube schon, dass es wichtig ist, dass wir uns die Gedanken, die Richard von Weizsäcker in seinen Bericht hineingeschrieben hat - und das war ja auch das Ziel der Kommission -, gründlich diskutieren und uns hüten, Schnellschüsse abzugeben. Die Soldaten haben jetzt ein Jahr lang verloren mit dem Hinweis darauf, dass der Bericht der Kommission abgewartet werden sollte, und nun meine ich bedarf es einer breiten demokratischen Diskussion in der Öffentlichkeit und auch im Parlament, was wir machen wollen. Dazu hat der Minister eine Vorlage geliefert, nicht mehr und nicht weniger, und wir werden darüber zu sprechen haben.

    Wagener: Wie steht es mit der Wehrgerechtigkeit? Bei nur noch 30.000 Wehrpflichtigen innerhalb dieser 255.000 oder wie viele es auch immer am Ende sein werden ist das ja nur ein kleiner Teil. Wie soll denn da mit der Wehrgerechtigkeit in Zukunft umgegangen werden?

    Kossendey: Ich glaube, dass der Minister klug bedacht hat, dass er dieses Ziel von den 75.000 Wehrpflichtigen - so habe ich es verstanden - erst in acht Jahren erreichen will. Dann trifft sich die abflachende Zahl der Wehrpflichtigen mit der demographischen Kurve, die auch nach unten geht. Wir haben dann viel weniger junge Männer, die zur Einziehung bereit stehen könnten. Dann wird das Problem nicht mehr so groß sein.

    Die Frage ist nur, wie kommt er dahin, und das wird er uns noch genau erklären müssen. Ich glaube, eine ganz wichtige Frage, die in diesem Zusammenhang zu beantworten ist, ist von Herrn Clement nicht angesprochen worden, vom Minister habe ich dazu nichts gehört: was sagt eigentlich Kabinettskollege Eichel dazu? Will er das auf der alten Finanzlinie weiterfahren, oder wile will er die zum Teil sehr anspruchsvolle Ausstattung der Bundeswehr – ich höre Satellit, ich höre Transportflugzeug, ich höre neue Ausrüstung – finanzieren? Das scheint mir mit dem jetzigen Finanzplan nicht möglich zu sein.

    Wagener: Offensichtlich gibt es darüber aber schon Absprachen auch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder, dass dieses möglich gemacht wird?

    Kossendey: Von diesen Absprachen haben wir auch direkt nach der Regierungsbildung gehört. Damals hat sich Rudolf Scharping damit gebrüstet, solch sicher Zusagen für die Finanzierung der Bundeswehr in Zukunft habe ein Verteidigungsminister vor ihm nie gehabt. In der Tat: so wackelige Zusagen, wie sie damals Lafontaine und Schröder gegeben haben, damit hat selbst Scharping nicht gerechnet, obwohl er die beiden eigentlich kennen musste. Im letzten Jahr sind ihm dreieinhalb Milliarden entgegen der Planung aus dem Haushalt herausgenommen worden.

    Wagener: Aber jenseits der Finanzen wäre denn die neue Bundeswehr nach den derzeitigen Planspielen so, wie sie nun von Scharping mit den Eckdaten vorgestellt wurde, fitt für Out-of-Area-Einsätze?

    Wagener: Wir haben ja in den letzten zehn Jahren eine ganze Menge an Problemen erkannt, und das ist parteiübergreifend. Diese Defizite haben wir im Bereich der Aufklärung, im Bereich der Führung, im Bereich der Operabilität, Mobilität, Verlege-, Durchhaltefähigkeit und so weiter. Da sind wir auch parteiübergreifend bereit, das zu beseitigen. Nur ich sage, das geht nicht zum Nulltarif. Wir müssen investieren.

    Ein zweiter Punkt, der in diesem Konzept, das Herr Clement gerade vorgetragen hat, noch gar nicht berücksichtigt ist: wie wird das mit den Zivilbediensteten? Da hören wir, dass Scharping Tausende davon reduzieren will. Wo wissen wir nicht und wie er das machen will wissen wir auch nicht. Ich glaube schon, dass es klug wäre, jetzt einen breiten Konsens über die Pläne im Parlament zu suchen. Das ist der Vorschlag des Ministers, das ist seine Sache, und er wird sich bemühen müssen – und das ist guter demokratischer Brauch in unserem Land -, für die Bundeswehr und für die Zukunft der Bundeswehr und die Einsatzoptionen der Bundeswehr eine demokratische Basis zu finden, die breiter ist als die Regierungsmehrheit.

    Wagener: Zu den neuen Bundeswehrplänen von Rudolf Scharping war das Thomas Kossendey von der CDU. – Haben Sie recht herzlichen Dank für das Gespräch!

    Link: Interview als RealAudio