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Die neuste Entwicklung im Irak

    Breker: Bei mir im Studio ist nun Hasan Hussain, er ist irakischer Journalist, arbeitet in der arabischen Redaktion der Deutschen Welle hier gleich gegenüber. Ich grüße Sie, Herr Hussain.

    Hussain: Ich grüße Sie, Herr Breker.

    Breker: Herr Hussain, ich denke mal, Sie haben versucht, Kontakt zu Ihrer Familie im Irak zu erhalten. Was wissen Sie, wie geht es den Menschen dort?

    Hussain: Seit zwölft Tagen gibt es keinen direkten Kontakt mehr nach Bagdad, ich habe dort allerdings sehr viele Kolleginnen und Kollegen, die mit einem Satellitentelefon ausgerüstet sind und diese habe ich fast täglich gebeten, mal einen Blick in die Stadtteile zu werfen, in denen auch meine Familie und Verwandten leben und die einzige Information, die sie mitteilen konnten war, dass die Häuser stehen noch, sie konnten selber nicht dort hingehen. Meine Eltern wohnen in einem Stadtteil, der zwischen Zentrum und Flughafen liegt und hinter den amerikanischen Truppen gelegen. Das verschaffte ihnen vielleicht etwas Ruhe, aber drei Tage und Nächte lang mussten sie miterleben, wie die Geschosse von beiden Seiten über ihr Köpfe flogen.

    Breker: Gestern nachmittag wurden die Fernsehbilder aus Bagdad übertragen und ich denke mal, Sie haben es auch gesehen. Welche Gefühle hat Sie da bewegt, als Sie das sahen?

    Hussain: Zunächst einmal muss ich ganz ehrlich sagen: ich war erleichtert. Auch meine Frau konnte gestern nacht gut schlafen, erleichtert darüber, dass die Bombardierungen der Stadt Bagdad aufhörten, dass die Menschen endlich mal eine ruhige Nacht verbringen konnten und die Hoffnung, dass Saddam Hussein tatsächlich beseitigt ist und jetzt ein neuer Anfang beginnen kann im Irak. Wie diese Anfänge stattfinden und aussehen werden, müssen wir natürlich erst mal abwarten.

    Breker: Jahrzehntelang hat Saddam Hussein mit seinem Regime aus Geheimdienst und Repression im Irak geherrscht und gewissermaßen auch gewütet. Bleibt da jetzt nicht ein Machvakuum zurück, das Sorgen bereiten muss, wie wir es ja auch schon gehört haben, vielleicht Angst vor kriminellen, mafiösen Strukturen, die entstehen könnten?

    Hussain: Das habe ich auch befürchtet und gestern nacht war natürlich eine der schlimmsten Nächte, die Nacht der langen Messer, wie man das sagt, weil in vielen, vor allem großen Stadtteilen von Bagdad, wo überwiegend Schiiten leben, ein Sicherheitsvakuum entstanden war und das war natürlich die Stunde für diejenigen, die ihre eigene Abrechnung durchführen wollten. Selbstjustiz, Abrechnungen mit Staats- und Parteifunktionären, aber auch mit Folterern, Sicherheitsoffizieren. Gottseidank ist nicht viel gelaufen. Wir haben gehört, dass einige Parteifunktionäre ermordet wurden in einigen Stadtteilen aber das ist im Verhältnis zu dem, was man in Bagdad erwartet hat, sehr geringfügig ausgefallen und das ist schon mal gut.

    Breker: Herr Hussain, Sie haben die Neuordnung angesprochen, die danach kommen kann. Sie selber leben im Exil, welche Rolle können denn die Exil-Iraker spielen, sind sie akzeptiert oder wirft man ihnen nicht auch ein wenig vor, dass sie ins Exil gegangen sind?

    Hussain: Die Exil-Iraker muss man in einige Parteien und Gruppen aufteilen und einige sind tatsächlich sehr alt und haben auch Traditionen in der irakischen Gesellschaft. Das heißt, sie haben schon längst ihre eigene soziale Basis. Nur wie das Verhältnis zwischen Basis und Führung jetzt aussieht, weil die Führungen im Ausland waren und die Basis alles miterleben musste, ist eine andere Frage, das wird dann parteiintern geregelt. Aber nicht alle Gruppen diese Opposition sind jetzt herzlich willkommen im Irak. Es gibt sehr viele Kräfte, die sich jetzt langsam kristallisieren und in Erscheinung treten, es sind aber nicht alle kanalisiert worden, das heißt, noch muss man abwarten, wie der Kontakt zwischen Basis und Führung der Opposition im Land aussieht und vor allem, welchen Spielraum die Amerikaner dieser Opposition überhaupt einräumt. Nächste Woche gibt es ein Treffen und da wird einiges klar werden.

    Breker: Sie haben die Amerikaner angesprochen. Wie lange wird es dauern, bis aus dem amerikanischen Befreiern Besatzer werden, nach dem Gefühl der Iraker?

    Hussain: Ich gebe drei Monate Zeit, weil man die braucht, um ein bisschen Ordnung und Sicherheit zu schaffen. Länger als sechs Monate wird es ein bisschen unangenehme werden und bei neun Monaten sehe ich schon einen bewaffneten Widerstand gegen die Präsenz der Amerikaner im Irak.

    Breker: Ein UNO-Mandat wäre aus Ihrer Sicht wichtig?

    Hussain: Absolut ratsam ist das, um so eine Situation zu vermeiden.

    Breker: Vielen Dank, das war mein irakischer Kollege Hasan Hussain, er arbeitet bei der Deutschen Welle..

    Link: Interview als RealAudio