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"Die Opposition ist ja in dem Falle gar nicht geschlossen"

Nach Ansicht von Günter Bannas, Leiter der FAZ-Parlamentsredaktion, wird es keinen Untersuchungsausschuss zu Ex-Bundeskanzler Schröders Aufsichtsratstätigkeit bei dem deutsch-russischen Gas-Pipeline-Unternehmen Gazprom geben. Weder Opposition noch Regierung seien daran interessiert.

Moderation: Christine Heuer |
    Christine Heuer: Gerhard Schröder war deutscher Bundeskanzler. Jetzt ist er Aufsichtsratschef beim deutsch-russischen Gas-Pipeline-Unternehmen, einem Unternehmen, das er als Regierungschef überhaupt erst auf den Weg gebracht hat und für das, wie jetzt bekannt wurde, Deutschland eine Milliardenbürgschaft übernommen hat. Dies in den letzten Tagen der rot/grünen Bundesregierung, aber – so wird betont – ohne Wissen der zuständigen Minister oder gar des Kanzlers Gerhard Schröder. Wir wollen den Fall Schröder/Gazprom heute Früh nicht juristisch betrachten, sondern politisch und zwar mit Günter Bannas, der die SPD seit vielen Jahren beobachtet, als Korrespondent nämlich der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Guten Morgen Herr Bannas!

    Günter Bannas: Guten Morgen Frau Heuer!

    Heuer: Gibt es in der Angelegenheit Schröder/Gazprom am Ende einen Untersuchungsausschuss, wie die Opposition es sich wünscht?

    Bannas: Die Opposition ist ja in dem Falle gar nicht geschlossen. Aus der Links-Fraktion ist so etwas zu hören. Die Grünen haben sich schon dagegen ausgesprochen. CDU und SPD werden das auch machen. Insofern wird es einen Untersuchungsausschuss gar nicht geben.

    Heuer: Auf keinen Fall. Die Kritik an Schröder reißt ja dennoch nicht ab. Es gibt inzwischen auch Kritik aus der SPD, aber Kritik aus der zweiten Reihe der SPD. Die Parteispitze nimmt Schröder in Schutz. Aus Überzeugung, oder weil es politisch opportun erscheint?

    Bannas: Die SPD-Führung möchte Schröder jetzt nicht im Regen stehen lassen. Sie sieht die Gefahr, dass ihre eigene rot-grüne Regierungspolitik diskreditiert würde, falls sie sich jetzt vom Bundeskanzler absetzen würde. Auffällig ist ja nicht so sehr, dass die Kritik aus der zweiten Reihe wie Sie sagen kommt, zum Beispiel aber auch vom SPD-Landesvorsitzenden in Niedersachsen, also Schröders eigenem Landesverband, Garrelt Duin. Auffällig ist vor allem, dass diejenigen, die Schröder innerhalb der SPD kritisieren, selbst kaum gerüffelt werden, kaum kritisiert werden von der Spitze, mit ihrer Kritik also ganz gut leben können. Das heißt die Parteiführung stellt sich formal vor Schröder, aber lässt die Kritik auch laufen.

    Heuer: Das heißt die Parteiführung ballt die Faust in der Tasche?

    Bannas: Ja, so kann man es wohl ausdrücken.

    Heuer: Wie lange wird sie wohl damit weitermachen? Kann es sein, dass diese Position, Schröder in Schutz zu nehmen, doch noch kippt?

    Bannas: Ich weiß jetzt gar nicht, ob die Diskussion, die in den vergangenen Tagen, also seit dem Bekanntwerden der Bürgschaft, geführt worden ist, weiter ausgetragen wird. Ich habe den Eindruck, dass sie jetzt langsam ausläuft. Insofern wird dann kein weiterer Anlass mehr bestehen für die SPD-Führung, Position zu beziehen.

    Heuer: So wie sich die Dinge heute darstellen, können Sie sich einen ähnlichen Vorgang in früheren Jahren vorstellen, dass die Sozialdemokratie so verhalten, so zahm reagiert auf einen Vorgang, bei dem Gerhard Schröder in diesem Fall 250.000 Euro im Jahr für einen Job kassiert, den er unter immerhin bemerkenswerten Umständen angetreten hat?

    Bannas: Es ist immer eine Frage, ob man nun auf Seiten oder gegen die Position und gegen das Amt eines früheren Bundeskanzlers gestanden hat. Das ist im Spiel von Regierung und Opposition so der Fall. Nehmen wir mal an, Helmut Kohl hätte sich ähnlich verhalten, hätte die SPD wahrscheinlich sogar einen Untersuchungsausschuss eingerichtet. Sie hätte sich also ganz anders verhalten als heute. CDU/CSU wiederum verhalten sich ja heute gegenüber dem früheren Bundeskanzler sehr zurückhaltend, weil sie zum einen das Geschäft selber für richtig halten, aber natürlich auch, weil sie mit der SPD eine gemeinsame Regierung bilden.

    Heuer: Da hat Gerhard Schröder in gewisser Weise Glück. Glück hat möglicherweise nicht Friedrich Merz. Der ist jetzt auch im Gespräch. Er ist CDU-Bundestagsabgeordneter und in der CDU-Landesgruppe, in der nämlich von Nordrhein-Westfalen, gerade aufgetreten, wie er sagt, ausdrücklich nicht als Abgeordneter, sondern als Rechtsbeistand des Energieversorgers RAG. Ist das ein ähnlich gelagerter Fall wie der von Schröder/Gazprom?

    Bannas: Es gibt einige Unterschiede. Gerhard Schröder ist nicht mehr Bundeskanzler; Friedrich Merz ist noch CDU-Abgeordneter. Auf der anderen Seite hat Merz ausdrücklich und offen dargelegt, für welches Unternehmen er derzeit spricht, für welches Unternehmen er auch arbeitet, welches er anwaltlich vertritt, so dass man ihm wenigstens nicht vorhalten kann, er habe die Angelegenheit vertuschen wollen.

    Heuer: Aber ist es denn zulässig, dass jemand als Anwalt auftritt im Bundestag, für den er als Politiker abgeordnet ist?

    Bannas: Merkwürdig ist es in der Tat. Es wird zu prüfen sein, wie es im Einzelnen der Fall gewesen ist, was dort in der nordrhein-westfälischen CDU-Landesgruppe abgelaufen ist. Nach den Regeln des Bundestages hat er sich aber verhalten, indem er mitgeteilt hat, für welches Unternehmen er tätig ist.