Oliver Thoma: In Berlin begrüße ich nun den Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes. Nach Susanne Osthoff im Irak nun Jürgen Chrobog und seine Familie im Jemen. Im Irak sind ja Geiselnahmen trauriger Alltag. Auch im Jemen werden immer wieder Touristen von Stammesangehörigen entführt, in diesem Jahr nun schon zum vierten Mal. Aber trotzdem ist das nicht unbedingt vergleichbar, oder sehen Sie noch weitere Parallelen zwischen den beiden Fällen?
Volker Perthes: Nein, ich denke die Parallelen sind eher gering. Wir haben im Irak eine Situation der Besetzung, eine Situation von Widerstand gegen die Besetzung und internationalem Terrorismus und den Vorboten eines Bürgerkrieges, wo Entführungen zur Terrorisierung eingesetzt werden. Zur Terrorisierung eigener Bürger und zur Terrorisierung von Ausländern, auch um sie raus zu halten aus dem Lande. Im Jemen haben wir eine andere Situation. Da haben wir einen schwachen Staat. Und da haben wir, wenn man das so sagen will, manchmal etwas unorthodoxe Verhandlungen zwischen Stammesverbänden und der Zentralregierung über die Verteilung von Entwicklungsressourcen, Straßenbau, Schulen, wo dann auch gelegentlich Entführungen von Ausländern eingesetzt werden von diesen Stammesverbänden, um die Regierung zu erpressen mehr Geld für bestimmte Regionen abzugeben. Aber wir haben hier keine terroristischen Hintergründe.
Thoma: Jürgen Chrobog hat als Staatssekretär im Auswärtigen Amt selbst Geiseln erfolgreich befreit. Nun ist er selbst Opfer. Ist das ein tragischer Zufall? Oder hätte er die Sicherheitshinweise auch ernster nehmen müssen, auch wenn er auf Einladung des jemenitischen Außenministers gefahren ist?
Perthes: Nun die Frage wird er sich sicherlich auch selber stellen, als jemand der früher für Reisewarnung verantwortlich war, dennoch glaube ich, dass es hier eher ein Zufall ist. Sicherlich ist Herr Chrobog und seine Familie, sind sie nicht gezielt zu Gast genommen oder als Entführte genommen worden von diesem Stammesverband im Jemen.
Thoma: Susanne Osthoff im Irak ist frei. Ob sie nun im Irak bleiben kann, wenn sie das tatsächlich will, darüber gibt es Streit. Manche Unionspolitiker fordern sogar ein Einreiseverbot im Irak. Andere wie die Grünen-Chefin Claudia Roth sagen: Wenn Susanne Osthoff ihre archäologische und humanitäre Arbeit fortsetzen will dann kann ihr das keiner verbieten, außerdem könnte das den Irakern Hoffnung und Zuversicht geben. Wie ist denn Ihre Meinung dazu?
Perthes: Ich finde, wir sollten das nicht zu hoch hängen. Also, Frau Osthoff ist sicherlich niemand, der den Irakern Zuversicht bringt. Und genauso wenig ist Frau Osthoff ein Fall, dafür dass wir Reisefreiheit einschränken, was dieses Land noch nie getan hat und auch sicherlich in Zukunft nicht tun sollte.
Thoma: Trotzdem will die Bundesregierung ihre Hilfen für den Irak weiter ausbauen, den Demokratisierungsprozess unterstützen, so hat es Friedbert Pflüger gesagt, der Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Macht das Sinn?
Perthes: Ja, das ist zumindest ein wichtiger und richtiger Ansatz, zu sagen: Wir haben ein Interesse an der Stabilisierung des Irak, daran dass hier ein glaubwürdiger Staat sich etabliert, daran dass nach Möglichkeit eben doch der Bürgerkrieg verhindert wird. Und das heißt Aufbau, politischen Aufbau, demokratischen Aufbau unterstützen, wo das geht muss man dazu sagen. Man kann natürlich heute nicht der Bundesregierung empfehlen, etwa Entwicklungshelfer nach Bagdad zu schicken oder in den Zentralirak. Das wäre den Personen, die man schicken würde, gegenüber unverantwortlich. Aber man kann sehr wohl das Engagement verstärken, etwa im ziemlich sicheren kurdischen Norden des Irak oder in anderen Provinzen des Irak, wo die Sicherheit auch von ausländischen Mitarbeitern oder ausländischen Bürgern gewährleistet wird. Und man kann das weiter tun, was die Bundesregierung ja richtigerweise tut, nämlich die Ausbildung von Polizisten und auch von Militärangehörigen des Irak in Drittländern, im konkreten Fall in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Thoma: Kann das denn Hoffnung und Zuversicht bringen in den Irak?
Perthes: Hoffnung und Zuversicht wird sicherlich nicht in erster Linie von ausländischer Hilfe kommen. Hoffnung und Zuversicht kann allenfalls kommen, wenn es einen glaubhaften politischen Prozess innerhalb des Irak gibt. Wenn also es etwa dem irakischen Staatspräsidenten gelingt, die verschiedenen sunnitischen Parteien dazu zu bringen, das Wahlergebnis anzuerkennen, mitzumachen in einer Regierung, wenn es ihnen gelingt den großen schiitischen Parteien, die die Wahlen gewonnen haben, klar zu machen, dass sie tatsächlich die sunnitischen Parteien und deren Vertreter integrieren müssen, dass sie keine "Winner-takes-all", also der "Gewinner-nimmt-alles-Mentalität" hier zeigen dürfen und sagen: Wir haben die Wahl gewonnen, wir sind numerisch die Mehrheit, also lasst uns jetzt mal den Irak so dominieren, wie wir das wollen - das sind innenpolitische Fragen, die hier eine Rolle spielen, und nicht die Frage, ob es ein Stückchen mehr ausländischer Entwicklungshilfe gibt oder Demokratisierungshilfe gibt oder nicht. Das ist wichtig, aber das wird nicht den Umschwung im Irak herbeibringen.
Thoma: Ähnliches hat man aber auch schon gehört Anfang des Jahres bei den ersten Wahlen. Man hat irgendwie den Eindruck, nach diesen Wahlen jetzt, es ist nicht besser geworden, eher noch schlimmer, was die Sicherheitslage angeht im Irak. Hat das überhaupt so noch Sinn weiter?
Perthes: Nun, es ist sicherlich das einzige, worauf man zur Zeit setzen kann, dass man sagt: Es muss einen politischen Prozess geben. Die Alternative ist der Bürgerkrieg. Und sicher ist es so, dass gerade die Amerikaner, die noch Besatzungsmacht sind, faktisch Besatzungsmacht sind, aber raus wollen, weil sie sehen, dass sie mit ihrer Politik auch nicht weiter kommen, dass sie etwas übertriebene Hoffnung und vielleicht auch zu kurzfristige Hoffnungen auf einzelne Elemente des politischen Prozesses gesetzt haben, also gesagt haben - wie Sie das richtigerweise erwähnt haben - nach den Wahlen im Januar, das wird ein Durchbruch sein, nach der Abstimmung über die Verfassung, das wird ein Durchbruch sein, nach dem jetzigen Mal, das wird ein Durchbruch sein. So schnell geht das nicht. Wir müssen sehen, wir haben hier ein Land, wo es eben keine Erfahrung damit gibt, dass Mehrheits- und Minderheitsfraktionen, dass verschiedene Parteien tatsächlich zusammenarbeiten und versuchen gemeinsam einen Staat aufzubauen. Das ist ein Prozess, der nicht von selber kommen wird und der Zeit, wahrscheinlich zu viel Zeit brauchen wird.
Thoma: Kann man denn der Regierung trotzdem irgendwie vertrauen? Es gibt Berichte über Folterungen, Gefängnis, auch über Wahlfälschung jetzt bei dieser Wahl. Wie viel Vertrauen kann man in die führenden Verantwortlichen dort haben?
Perthes: Ich denke, man kann in die neue Regierung oder in die derzeitige Regierung, und die nächste Regierung des Irak ähnlich viel Vertrauen haben, wie in den meisten anderen Regierungen im Nahen und Mittleren Osten, mit denen wir ja auch trotz erheblicher Kritik an bestimmten innenpolitischen Zuständen zusammen arbeiten. Die Regierung im Irak ist zumindest demokratischer legitimiert als die Regierungen in den meisten arabischen Staaten, gleichwohl ist es eine Regierung, die auch aus der Region heraus kommt und nicht plötzlich eine Regierung ist, die die Standards der EU hat.
Volker Perthes: Nein, ich denke die Parallelen sind eher gering. Wir haben im Irak eine Situation der Besetzung, eine Situation von Widerstand gegen die Besetzung und internationalem Terrorismus und den Vorboten eines Bürgerkrieges, wo Entführungen zur Terrorisierung eingesetzt werden. Zur Terrorisierung eigener Bürger und zur Terrorisierung von Ausländern, auch um sie raus zu halten aus dem Lande. Im Jemen haben wir eine andere Situation. Da haben wir einen schwachen Staat. Und da haben wir, wenn man das so sagen will, manchmal etwas unorthodoxe Verhandlungen zwischen Stammesverbänden und der Zentralregierung über die Verteilung von Entwicklungsressourcen, Straßenbau, Schulen, wo dann auch gelegentlich Entführungen von Ausländern eingesetzt werden von diesen Stammesverbänden, um die Regierung zu erpressen mehr Geld für bestimmte Regionen abzugeben. Aber wir haben hier keine terroristischen Hintergründe.
Thoma: Jürgen Chrobog hat als Staatssekretär im Auswärtigen Amt selbst Geiseln erfolgreich befreit. Nun ist er selbst Opfer. Ist das ein tragischer Zufall? Oder hätte er die Sicherheitshinweise auch ernster nehmen müssen, auch wenn er auf Einladung des jemenitischen Außenministers gefahren ist?
Perthes: Nun die Frage wird er sich sicherlich auch selber stellen, als jemand der früher für Reisewarnung verantwortlich war, dennoch glaube ich, dass es hier eher ein Zufall ist. Sicherlich ist Herr Chrobog und seine Familie, sind sie nicht gezielt zu Gast genommen oder als Entführte genommen worden von diesem Stammesverband im Jemen.
Thoma: Susanne Osthoff im Irak ist frei. Ob sie nun im Irak bleiben kann, wenn sie das tatsächlich will, darüber gibt es Streit. Manche Unionspolitiker fordern sogar ein Einreiseverbot im Irak. Andere wie die Grünen-Chefin Claudia Roth sagen: Wenn Susanne Osthoff ihre archäologische und humanitäre Arbeit fortsetzen will dann kann ihr das keiner verbieten, außerdem könnte das den Irakern Hoffnung und Zuversicht geben. Wie ist denn Ihre Meinung dazu?
Perthes: Ich finde, wir sollten das nicht zu hoch hängen. Also, Frau Osthoff ist sicherlich niemand, der den Irakern Zuversicht bringt. Und genauso wenig ist Frau Osthoff ein Fall, dafür dass wir Reisefreiheit einschränken, was dieses Land noch nie getan hat und auch sicherlich in Zukunft nicht tun sollte.
Thoma: Trotzdem will die Bundesregierung ihre Hilfen für den Irak weiter ausbauen, den Demokratisierungsprozess unterstützen, so hat es Friedbert Pflüger gesagt, der Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Macht das Sinn?
Perthes: Ja, das ist zumindest ein wichtiger und richtiger Ansatz, zu sagen: Wir haben ein Interesse an der Stabilisierung des Irak, daran dass hier ein glaubwürdiger Staat sich etabliert, daran dass nach Möglichkeit eben doch der Bürgerkrieg verhindert wird. Und das heißt Aufbau, politischen Aufbau, demokratischen Aufbau unterstützen, wo das geht muss man dazu sagen. Man kann natürlich heute nicht der Bundesregierung empfehlen, etwa Entwicklungshelfer nach Bagdad zu schicken oder in den Zentralirak. Das wäre den Personen, die man schicken würde, gegenüber unverantwortlich. Aber man kann sehr wohl das Engagement verstärken, etwa im ziemlich sicheren kurdischen Norden des Irak oder in anderen Provinzen des Irak, wo die Sicherheit auch von ausländischen Mitarbeitern oder ausländischen Bürgern gewährleistet wird. Und man kann das weiter tun, was die Bundesregierung ja richtigerweise tut, nämlich die Ausbildung von Polizisten und auch von Militärangehörigen des Irak in Drittländern, im konkreten Fall in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Thoma: Kann das denn Hoffnung und Zuversicht bringen in den Irak?
Perthes: Hoffnung und Zuversicht wird sicherlich nicht in erster Linie von ausländischer Hilfe kommen. Hoffnung und Zuversicht kann allenfalls kommen, wenn es einen glaubhaften politischen Prozess innerhalb des Irak gibt. Wenn also es etwa dem irakischen Staatspräsidenten gelingt, die verschiedenen sunnitischen Parteien dazu zu bringen, das Wahlergebnis anzuerkennen, mitzumachen in einer Regierung, wenn es ihnen gelingt den großen schiitischen Parteien, die die Wahlen gewonnen haben, klar zu machen, dass sie tatsächlich die sunnitischen Parteien und deren Vertreter integrieren müssen, dass sie keine "Winner-takes-all", also der "Gewinner-nimmt-alles-Mentalität" hier zeigen dürfen und sagen: Wir haben die Wahl gewonnen, wir sind numerisch die Mehrheit, also lasst uns jetzt mal den Irak so dominieren, wie wir das wollen - das sind innenpolitische Fragen, die hier eine Rolle spielen, und nicht die Frage, ob es ein Stückchen mehr ausländischer Entwicklungshilfe gibt oder Demokratisierungshilfe gibt oder nicht. Das ist wichtig, aber das wird nicht den Umschwung im Irak herbeibringen.
Thoma: Ähnliches hat man aber auch schon gehört Anfang des Jahres bei den ersten Wahlen. Man hat irgendwie den Eindruck, nach diesen Wahlen jetzt, es ist nicht besser geworden, eher noch schlimmer, was die Sicherheitslage angeht im Irak. Hat das überhaupt so noch Sinn weiter?
Perthes: Nun, es ist sicherlich das einzige, worauf man zur Zeit setzen kann, dass man sagt: Es muss einen politischen Prozess geben. Die Alternative ist der Bürgerkrieg. Und sicher ist es so, dass gerade die Amerikaner, die noch Besatzungsmacht sind, faktisch Besatzungsmacht sind, aber raus wollen, weil sie sehen, dass sie mit ihrer Politik auch nicht weiter kommen, dass sie etwas übertriebene Hoffnung und vielleicht auch zu kurzfristige Hoffnungen auf einzelne Elemente des politischen Prozesses gesetzt haben, also gesagt haben - wie Sie das richtigerweise erwähnt haben - nach den Wahlen im Januar, das wird ein Durchbruch sein, nach der Abstimmung über die Verfassung, das wird ein Durchbruch sein, nach dem jetzigen Mal, das wird ein Durchbruch sein. So schnell geht das nicht. Wir müssen sehen, wir haben hier ein Land, wo es eben keine Erfahrung damit gibt, dass Mehrheits- und Minderheitsfraktionen, dass verschiedene Parteien tatsächlich zusammenarbeiten und versuchen gemeinsam einen Staat aufzubauen. Das ist ein Prozess, der nicht von selber kommen wird und der Zeit, wahrscheinlich zu viel Zeit brauchen wird.
Thoma: Kann man denn der Regierung trotzdem irgendwie vertrauen? Es gibt Berichte über Folterungen, Gefängnis, auch über Wahlfälschung jetzt bei dieser Wahl. Wie viel Vertrauen kann man in die führenden Verantwortlichen dort haben?
Perthes: Ich denke, man kann in die neue Regierung oder in die derzeitige Regierung, und die nächste Regierung des Irak ähnlich viel Vertrauen haben, wie in den meisten anderen Regierungen im Nahen und Mittleren Osten, mit denen wir ja auch trotz erheblicher Kritik an bestimmten innenpolitischen Zuständen zusammen arbeiten. Die Regierung im Irak ist zumindest demokratischer legitimiert als die Regierungen in den meisten arabischen Staaten, gleichwohl ist es eine Regierung, die auch aus der Region heraus kommt und nicht plötzlich eine Regierung ist, die die Standards der EU hat.