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Die Parteien und ihre Kulturprogramme
Die SPD

Mit ihren "Kulturpolitischen Leitlinien" hat sich die SPD viel vorgenommen. Sie setzt dabei auf Kooperation - mit den Goethe Instituten weltweit und ressortübergreifend in den Ministerien. Kunst sei vor allem um ihrer selbst willen zu fördern, nicht aus ökonomischen oder sozialpolitischen Erwägungen heraus.

Von Jochen Stöckmann | 27.08.2017
    SPD-Anhänger schwenken eine Fahne und halten ein Schild mit der Aufschrift "Jetzt ist Schulz" hoch.
    Bei allen kulturpolitischen Forderungen will die SPD der Prämisse folgen, dass Kunst vor allem um ihrer selbst willen zu fördern sei, nicht aus ökonomischen oder sozialpolitischen Erwägungen heraus. (dpa)
    Die Rückgabe von NS-Raubkunst mit einem neuen Gesetz erleichtern und auf private Sammlungen ausdehnen. Die Künstlersozialkasse stärken, die Buchpreisbindung unbedingt erhalten. Die Kreativwirtschaft als Erfolgsmotor des Strukturwandels in Gang halten - bei der dafür notwendigen Digitalisierung und dem Ausbau von Internet-Plattformen aber nie die Urheberrechte von Autoren und Künstlern vergessen. Die SPD hat sich viel vorgenommen mit ihren im Juli formulierten "Kulturpolitischen Leitlinien".
    Da trifft es sich, dass über ein heikles Thema gar nicht weiter diskutiert werden musste, die "Leitkultur": "Wir haben eine: Das sind 20 Artikel des Grundgesetzes, das steht alles drin, was man wissen muss um in diesem Land anständig zu leben und mit anderen anständig umzugehen."

    Für Sigmar Gabriel ist das nicht nur ein Bekenntnis - sondern Grundlage seiner Kulturpolitik. So arbeiten weltweit die Goethe Institute eng mit dem Auswärtigen Amt zusammen. Diese "soft power" hat bereits Gabriels Amtsvorgänger Frank-Walter Steinmeier weiterentwickelt. Als Bundespräsident stellte er eine neue Referatsleiterin ein, die das "Netzwerk Kultur und Kunst" etablieren soll für die Sparten Literatur, Film, Musik und Bildende Kunst. Aber warum diese Aufsplitterung, diese Konkurrenz zur Staatsministerin für Kultur?
    "Es geht nicht um die Verewigung einzelner Kulturstaatsminister"
    "Wir können überhaupt kein Interesse haben - gerade unter dem Aspekt der kulturellen Vielfalt - dass das eingeschränkt ist auf eine Institution, auf eine Zuständigkeit. Und dass der amtierende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier diese Arbeit fortsetzt und weiterentwickelt ist nur zu begrüßen.",
    sagt Thorsten Schäfer-Gümbel, stellvertretender Parteivorsitzender und Leiter des SPD-Kulturforums. Er kritisiert, dass Kulturstaatsminister wie etwa die derzeit amtierende Monika Grütters ausgesuchte Prestigeprojekte vom Museumsneubau bis zur Förderung ohnehin erfolgreicher Filme zu ihrer ganz persönlichen Sache gemacht haben. Statt:
    "… dafür zu sorgen, dass die dezentrale Kraft der Kultur erhalten bleibt. Nicht einzelne Leuchtturmprojekte, sondern - und das hat viel auch mit dem Anspruch 'Kultur für alle' zu tun - in der Breite und in der Fläche. Das ist die Hauptaufgabe. Es geht ganz sicher nicht um die Verewigung einzelner Kulturstaatsminister im Bundeskanzleramt."
    Sondern um Kriterien für die sachgerechte Vergabe eines Etats von mittlerweile 1,7 Milliarden Euro. Damit soll nach dem Willen der SPD allerlei gefördert, gezielt angestoßen werden. Direkte oder gar komplette Finanzierungen aus dem Bundeshaushalt verbieten sich - aufgrund begrenzter Mittel und vor allem wegen der Kulturhoheit der Länder. Mit der Digitalisierung etwa soll die kulturelle Überlieferung bewahrt werden, deutschlandweit. Das reicht von individuellen Künstlernachlässen bis hin zur generellen Erhaltung schriftlichen Kulturguts. So die Forderung der SPD.
    Doch Schäfer-Gümbel muss zugeben: "Dass wir über viel Geld reden: angefangen beim Film bis zu Museen. Wenn wir die digitale Archivierung wirklich konsequent vorantreiben wollen ist Kulturföderalismus nicht zuträglich, diese große Aufgabe zu stemmen."
    Kulturbetrieb mischt sich wieder gesellschaftpolitisch ein
    Gefragt ist Kooperation, auch mit anderen Ministerien. Denn angesichts der prekären Lage vieler Kulturschaffender und Künstler erweist sich Kulturpolitik zunehmend als Querschnittsaufgabe auch für das Wirtschafts- oder das Sozialressort: "Insbesondere mit Blick auf die freie Szene, wo der soziale Druck am höchsten ist. Dazu kommt, dass wir finden, dass auch die Bundeseinrichtungen vorangehen müssen mit Blick auf Vergütungssituationen und die Frage auch von Ausstellungsvergütungen."
    Dass Museen eine Abgabe zahlen sollen, wenn sie Werke bildender Künstler ausstellen - diese Idee ist im Kulturforum der SPD entstanden. Nicht parteiintern, sondern im Dialog mit Fachleuten und Akteuren.
    Bei allen kulturpolitischen Forderungen im Einzelnen will die SPD der Prämisse folgen, dass Kunst vor allem um ihrer selbst willen zu fördern sei, nicht aus ökonomischen oder sozialpolitischen Erwägungen heraus. Und da sieht Thorsten Schäfer-Gümbel, der Vorsitzende des Kulturforums, die positive Entwicklung:
    "Dass auch der Kulturbetrieb sich gesellschaftspolitisch wieder stärker einmischt. Da ist in den letzten Monaten viel passiert - nicht parteipolitisch aufgeladen, weit überwiegend zumindest nicht. Ich finde das wohltuend, dass gerade auch eine solche Ausstellung wie die documenta 14 sich in die gesellschaftspolitischen Debatten einmischt - da muss ich nicht mit allem in der Sache einverstanden sein, da kann ich mich streiten darüber."